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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-203 (1. August 1905 - 31. August 1905)
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Domrerstag, 10. August 1805. Erstes Blatt. 47. Zahrgaug. — Nr. 185.

>rschei»t täglich, Sonntag» -»«grnommkn. Prei» mit Familicnblättern monatlich 5V Pfg. in'S HauS gtbracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 4V Pfg. Durch die Post

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«l bestimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plackattaseln der Heidelberger Zeitnng und den städtischen Anschlagstellen. Ferniprecher 82.

Der „Politische Waldmichel" und die ge-
schichtliche Wahrheit.

Karlsruhe, 6. Aug. „Schwäb. Merkur"
!!chreibt Dr. Ammon, dessen politisch-journalistische
'Tätigkeit bis in die 60er Jahre «des vorigen Fahrh'un-
derts zurückreicht, aus pebsönlicher Kenntnis zu den hetze-
rischen Uussuhrungen des Maldmichel über Stistungs-
angelegenheiten:

Die Rückforderung der SipitLlstiftungen von
Konstanz, Ueberlingen und Pfullendorf
durch die G e m e i n d e b e h' ö r d e n dieser Städte war
rn den 60er Jahren eine Frage, die die Gem'üter im
Diberland Ickbhast lbew-egte. Jahrhundertelang waren
^iese Millionenfonds stiftungsgemäß durch die Gemein-
ben verwaltet worden. Da die ReichssMte Uöberlingen
Und Psullendorf, wie auch das österreichische KoNstanz,
snir ungern die badische Hoheit annahmen, traute man
ihnen in den Regierungskreisen nicht recht und entzog
ihren GeMeindebchörden den Einfluß, den sie durch die
Bermaltung jener Stistungen ausübten. An ihre Stelle
irat die Geistlichkeit. N-achdem aber die Städte läckgst
6nt badisch geworden waren und unter dem neuen Mini-
lterium Lamey die liberale Uerä begonnen hatte, verlang-
ten die Gemeinben die Verwältung ihrer SPitalstiftung-n
Zurück. Die Regierung zögerte mst der Erfüllung dieses
wchlich durchaus berechtigten und in den Stiftungsur-
kunden begründeten Wunsches. Die Gründe des Zö-
6ernZ x^unt man nicht. Jahr-elang petionierten dis
^tädte vergeblich, bis end-Iich der tiefeingreifende Schritt
Leschah. Das Bezeichnende ist dabei, wie die Kurie mst
^üeu erdenklichen Mitteln den Wünschen der
Aeineinden entgegensteniMte. Es war, als wolle ste den
^sätz illustrieren, daß die geistliche Hand nichts heraus-
Pbt, was ste einmäl, sei,es rechtlich- od-er widerrechtlich.
W ihreu Griff bekommen hat. An der Spitze der Bewe-
6ung stand der Konstanzer Bürg-ermeister Stromeyep,
lUinals noch in den ersten Zeiten seiner Amtsführung.

Freiburger KUrie verlangte von ihM die Herausgabe
^on Ukten zu dem Zweck, einen Prozeß gegen die Ge-
breinde anzustrengon, und da der Bürgermeister dies
7.erweigerte, schickte man ihm einen Dekan, der ihm einen
^taß der Kuric vorlbsen mußte, worin ihm für den Fall
'"rtgpsetzter Weigerung die E x k o m m u n i k a t i o n
^Ngedroht wurde. So ging man gegen einen Gemeinde-
.ffaniten vor, der pflich,tgemäß das

oiner Verwaltung andertrauten Gemeinde
np '

Fnteresse der
vertrat! Die

rie kam bei Stromeyer freilich an den Unrechten. Ter
ungewöhnlicher Energie begabte Mann wich natür-
stch der mittelalterlichen Drohung nicht, und die Kurie
,6h. fich in die Lage v-ersetzt, pielleicht wtder Willen, oie
us Einschüchterung berechnete Drohüng wahr zu ma-
sUen. Dic Exkommunikation Stromeyers wurd-e ausge-
/rocheu; ein Schrei der Eutrüstung ging durch die ge-
uinte
?Lein.

LIN

lib-eral denkeude Bevölkerung nicht uur Badens
Jn einer mächtigen Pr o t e st v e r f a m m -
u 8, die nichts Gemachtes an sich hatte, wie manche
wtestversairimlungeii d^r Neuzeit, schaffte sich das be-

Kleine Zeitung.

Bcrlin, 8. Aug. Di>e gestrigeu Blätter melden,
v ^ enffprechend einer Auordnung des Reichskan'zlers an
hu Grabhügel, mit denr das Andgnken an Hemrich
^ k ^ ist verbunden bleibt, nunmchr eine ordneude
n/o pfleMnde Hand g-elegt worden ist. Für d-ie nähere
^^6sbung der Gedächtnisstätte läßt sich einstweilen noch
tnn. Neben vem fiskälischen Terrain beastsichtigt
hd Gemeinde Wansee einen Streifen für einen ösfent-
E8eg zu erwerben. Ebenso ift der von der Bauge-
h sWaft „Kleiner Wansee" /angeschüttete Straßendamm
nicht sertig. klieber die spätere würdige Ausgestal-
6 auch der Um>gebung besteht gber kein Zweifel. Wie
^^äerlich, ist die Rnhestätte des Dichters schon einmal,
Bau der Wanseebahn, verlegt worden.. Di-e Besu-
ig^ Kleistgrabes stehen a-Iso seit pielen Jahven schon
H^^Mehr an,der Stelle, wo -er einst sein Leben ansge-
^tjn ^^t, und entschwunden ist dort auch seit langem die
des märkis-chen Walds, die früh-er das einsame
nmsing.

ly Pückler-Prozcß. Jn G l o g a u wird heute den
Hü der „cu-e Pückler-Prozeß vor der dortigen
i^^staiNmer zur Vevhandlung- kommen. Es handelt sich
^ G-raf Pücklers Reiterangrfff aus eine Dresch-
der sich im September vorigen Jahres abspielte.
>^>^*Ewuplatz des Reiterangrifss war das Vorwerk
Mrsch der Gütsherrscha-ft iSchönau im Kreis Glogau.

leidigte G-ewissen der Konstanzer Einwoh-nerschast Luft.
Stromeyer selbst blieb exkommuniziert, ohne in eine an-
-dere Religionsgenossenschaft einzntreten, seine Kinder
aber ließ er protesianttsch werden. Selbflverständlich
konnte der kuriale Akt der Herbschsucht und Gew-alttätig-
keit nicht verhindern, daß sowohl in Konstanz, wie in
Ueberlingen und Pfüllendors der ,R-e ch t s z u st a n d
h e rgestelIt wurde, indem die Regierung die Spital-
stiftungen an dte G'emeindeverwältungen z urückga b.
Diese von unserer schnellebigen Zeit vergessenen Vor-
gäng-e, die einen trefflichen Beleg däfür abgeben, daß die
kleri-kale Macht sich nicht schöut, die äußersten Mittel zu
ihrer Aufre-chterhaltung zu gsbrauchen und haß sie sogar
ihre kirchlichen Befugnisse zur WerteiH-igung ungerechten
materiellen Besitzes mißbraucht, hat der „Po°
Ittische Waldmichel", das von der Zentrumspärtei ver-
br-eitete Flngblatt, wieder in Erinnerung gebracht, aller-
dings in einer ganz entstellten Weise, indem er
tut, als habe der Staat der Kirche Millionen geraubt.
Wer die Geschichte kennt, wird nicht zu der Anstcht kom-
men, d'aß der „Politi-sche WäldMichel" damit im Jnteresse
seiner Sache gehandelt hat. Ueberhaupt, wenn eine ge-
schickte Fckder die kirchenpolitischen Str-eitigkeiten der
60er und 70er Jahre unpavteiisch schildern würde, so
könnte das Zentrum bald lebhaft bedäuern, in diese
Nesseln gegriffen zu haben. Der „Politische Waldmichel"
sagt nat-ürlich nichts davon, wie die Kurie ein sür sie viel
günstigeres Schulgesetz als jdäs jetzige verwärf und zum
Gegpnstand der wildesten Ugiiation machte. Nicht üur
die Männer, aüch die Weiber w-urden ausgeregt; die
„Religionsgesähr" und das „bedrängte Mutterherz"
wären geläufige Schlagworte. Die Kurie verbot nicht
nur d-en Geistlichen den Eintritt in den neu g>eschaffenen
Ortsschulrat, sondern b-rachte auch schlichte Leute, die sie
zur Ablehnung der Wähl in d-en Orts-schn-Irat zu bestim-
men wußte, in Strafe, ohne dadurch der Regierung so
viel Berl-egenheiten zu bereiten, wie sie erhoffte. Es
mühte auch- geschildert werden, wie eines Dags die Kurie
als völlig besiegte den Widerstand aufgab und dßn
Geist'lichen den Eintritt in den Ortsschulrat gestat-
tete, um nicht allen Einsluß auf die Schulen zu ver-
lieren. Ein sehr ausgiebiges Käpitel wäre Lie Schilde-
rung der H-etzerei gegen die k o n f e s s i o n s l o s e
V o l k s s ch u l e, die ebenfalls mit -der gründlichen Nie-
derlage der Knrie -endigte, 'denn wäs ist es anders, wenn
die Zentrumspartei 1804 durch die programmatische For-
derung der Wied-ereinführung der KonfesfionHchulen bei
den Wahlen so gründlich Fiasko mächte, daß sie nie wieder
wagte, auf ihre Forderung zurückzukommen, und daß
neuer-lich im Landtag üie Zentrumsfraktion öffentlich er-
klärte, sie häbe sich mit der Simultanschule soweit ausge-
föhnt, daß sie nichts mehr gegen sie unterne'hmen wolle.
Jn -diefem Geständnis war doch enthälten, daß alle hetze-
rischen Beh-auptungen, die Simultanschule gefährde die
Religion, unwahr wären, oder Milde ausg-edrückt, stch
nicht bestätigt haben. Dem „Politischen Waldmichel",
der von nichts als Unter'drückung der Katholiken zu
berichten weiß, wäre auch entgegenzuhalten, welche

Graf Pückler, der m-it seiner Klein-Tschirner-Reiterbri-
gade manch-en tollen Ritt tn der Umgebnng! seines H-erren-
sitzes vollführt hat, käm mit seinen „Mannen" z-u jener
Zeit in die Nähe ein-er Scheune, dis zu dem genannten
Do-miniüm g-ehörte. Da er von dort aus Rauch aufstei-
gen sah, schickts er eine Patrouille -ab> um diese verdäch-
tig-e Erscheinung M rekognoszieren. Es stellte st-ch heraus,
daß der Rauch von einer DamMreschmLschine nusging,
an der unter -der Aüfficht d-es Vogts Pauli mehrere Ar-
beiter und Arbeiterinnen b-eschästigt wären. Das Auf-
tauchen der Pückler'schen Patrouille rief eine lebhafte
Panik hervor. Die Leute flüchteten stch unter die Ma-
fchine und nur Vogt Pauli sand den Mut, stch diesen
-Schevz auf das entschibdenste Zu verbitten. Er hatte da-
bei aber die Rechnung ohne den -Grafen gemacht, der in-
zwischen selbst h-erangesprengt käM und nunmshr den
Vogt persönlich angriff, indsm er gleichzeitig. dessen Un-
würdigbeit durch eine Reihe nicht mißzuv-erstcheüder land-
wirtschastlicher Kraftausdrücke nälhier beleuchtete. Auch
dem Vogt Pauli blieb schließlich nichts übrig, als sich nn-
ter die Dampfdreschmaschine zu retten. Grcff Pückler zog
nun zwar mit seinem Heerbann.a!b, a!m 1. 'Oiktober aber
ließ er durch eine neue Patroüille den Vogt Päuli suchen,
als Äieser im Feld eine Reihe von /Astbeiterinnen beim
Kärtosfelgraben beaüWchtigte. Mit Hurrah ging man
danach znm Angrisf über, allen vorweg mit geschwun-
genem Knüttel Graf Pückler. Zwar suchte sich der U-eber-
fallene mit einer Kartoffelhstcke zu wehren, er mußte aber

MitteI die kath. VolkspartLi (so nannte sich damalK
das jetzige Zentrum) znr Volksverhetzung anwgnd'te. Die
wandernd-en Kasinos, die Dröhung, in Mässe nach Karls-
ruhe vor das Schloß zu ziehen und d-ie Nachgiebigkeit
der Regierung zu ertrotzen, das Liebäugeln mit Oester-
reich, all' das nnd, was noch- schlimmer war, mit Frank-
reich, müßte tn Erinnerung gebracht werden. Dic Aeuße-
rungen des Freiburger Boten, die ,,-lieben herzigen
Französlein" litten es nicht, daß Bad-en in den Nord-
deutschen Bund eintrete, uüd d-er Freien Stim'me vom
See, es könnte gar nichts schaden, wenn die Rothosen üb-er
den Rhein kämen und den Pr-eußen ihre blauen ein bitz-
chen ausklopsten, siüd zwar von den betr. Blättern später
abgeleugnet w-ovden, beruhen aber trotzdem auf WahxHeiff
die sich heute noch belegen läßt. Will inan in die Ver-
gan-genheit untertauchen, so muß auch das Verhalten der
bayrischen „Patrioten", der Zentrumsparter im bayeri--
schen Abgeordnetenhaus, beim Ansibruch des 70er Kriegs
aus der Tiefe hervorgezog-en werden. Kurz, an Tat-
sachen zur Widerlegung d-es „Politischen Waldmichels"
fehlt es nicht, aber d-iese M'derlegung müßt-e von einer
volkstümlichen, von Begeisternng fiir die liberale und
nationale S-ache gefüh-rten Feder verfaßt w-erden, dann
wüvde man deutlich erkennen, wel-che B-ewandtnis es
mit der angeblichen Unterdrückung der Kätholiken hat..
Jetzt wird v-om Zentrum die Sache so dargestellt, als
sei nur auf die KazKoliken hineingeschossen worden, aber
daß -auch her g e s'choss e n wurde, und w i e und mit
w- eI.chL, ü Wprfgeschosseii Ler MPpf von stener Seite
geführt wurde, das v-e r stchch-c i g t der „Politische
Waldmichel" 'DHe parteiische und

entstellte FlmMätüä- ^teten bL>..stäk-Ästh. jParter die
bcsten Handhaben zu eincr gründlichen Abrechnnngl
Man ve-riäume doch nicht, dicksk Abrech'nimg zu halten,
die noch vieles an dem Wahlausfall bessern könnte, wenn
durch Massenverbreitstng das kathol. Volk b-elehrt wird.
Wahlt-ag — Zähltag, dies ist etn Ausspruch, den das
Zentrum mit Vorlisbe iM Mund führt. Nun wohll
M,an rechne gründlich ab, und dann möge es heißen:
Wahltag — Zahltag!

Deutsches Reich.

-— Bei den 'Verhandlungen üb!er die Schäffung eines
S t u d e n t e n - A u s s ch n s s es sür die Berliner
Universität war es aufgefallen, haß der Berliner
Verein deutscher Studenten sich gegen die.Au'sschließung
der katholrschen .Verbindungen -erklärte, obgleich die Vcr-
eine deutscher Stu'denien den W-eiMarer Beschlüssen zuge--
stim'mt hatten. , I-etzt hat anch eine allgemeine Taguncx
des Kyffhäuser-V-erbandes d-er V'areine deuts-cher Studen-
ten ein-e Erklärung-beschlosslen, 'die mit den -Beschlüssen des
Weimarer Stnd.enten-Kongresses in Widersprnch steht. Jn
dies-er Erklärung stellt sich der Verband zunächst aus den
Bod-en d-er akäHemischen Fr-eiheit, die er als die „volle
Freiheit in der Behändlung studentischer und nationalev
Fragen auf akädemischem Böden" aufsaßt. Die akade-
mische -Disziplin hvbe, soweit es sich. nicht um Verletzung

sch'Iießlich hinter einen Kartoffelkastenwag-en sküchten, wo-
bei er weiter-hin in grge Bödtängnis geriet. Die Arbei-
terinnen wurden durch den unerwartet-en Ueberfall in
Schrecken pkrsetzt; eine der Fvauen fiel in KräMpfe.
Wegen.diescr Donquichotrie hat si-ch nun,-Gras Pückl-er zu
vera-ntworten. Da zu der V'erhanblung ein Psychiater
gelad-en wevden soll, um -sich. ükber die eventuelle Zurech-
nungsfähigkeit des Grasen Pückl-er zu äußern, so ist mit
der Möglichkeit einer neu-en Vertngung zu rechnen. Die
Berliner Sachperständigen habien bekanntlich den Gra-
fen für geistig normal erkläirt, womit auch ster Minister
des Jnnern die Aufhebung des Redeverbots für Pückler
begründet hat.

— Aus der Schweiz, '7. ,Aug. Einsach und doch schön
bekränzt tst -gestern pie lktzte Sernftalpost von
Schwanden nach Elm gesahren; denn heute wird nach dex
N. Z. Z. die Bahn laut Bundesratsbeschlnß dem Der-
kehr übergeben. Der letzte Postillon, Andreas Blumer
von Engi, hat im Jvhre 1837 schon die erst-e Post ins
Sernftal geführt, und ist also der erste und zugleich letzts
Postillon des Sernftals, eine nrwüchsige, kräftige Klein-
talerfigur.

— Die Alten von Ebensee. Ein originelles Fest
fand, wie das „Wiener Frömdenblatt" mitteilt, Samstag
in Ebensee, einem Marktffecken bei -Gmundeü in Ober-
Lsterreich, statt. Es gM in Ebensee (etwa 8000 Ein-
wohner) verhältnismäßi-g fehr viele alte L-eute, was so-
wohl der guten Lust wie auch der einfa-chen Lebensweise
 
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