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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 204-229 (1. September 1905 - 30. September 1905)
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Moutag, 4. Septerrrber 1905.

Erstes Blatt.

47. Zahrgaug. — Nr. 206

1,t tt-li» Somüa-, -u»-en°mmen. Pr«i» «it Famtli«nblLtter» monatlich 80 Pfg. in's S°',r gkbracht, b«i der Exp-dition und den Zweigstationen abgebolt 40 Pfg. Durch die Past
r.,"-,. bc,o«en »iert-ÜLHrlich 1.Sk> Mk. -'-«schlicßlich Zustellgebühr.

«».-i.-,»r-is- ,0 Ma. für di. Ispaltige Petitzeile -der dere« Naum. Reklamez-ile 40 Pfg. Für hiesige Geschafts- und Privatanzeigen ermäßigt. - Fsir di- Aufnahme von A,,z-'g-n
> D.'gen 2 keine Beraltwortlichseit üb-rnommen. - Anschlag d-r Jnf-rat- °«f d-u Pla-att,sel« d-r i)üd-ld-rg-r Z-iun'g 'md d-n ÜSdtisch-n AnWoallRw. F-rn^rech-^2.^

Vaterländisches Fest in Heidelberg zum
Sedanstag 1905.

OD Soim-nschcin, ob Rogen, hie allweg gut naiion<rlliberal>
dticht einmcrl der Unterstützung des Pctrus bedunften die na-
licnaUiberalen Männer und Franen Heidelbcvgs, un, mit
^hren Gesin.rungsgenossen aus Baden, der Pf«lz, Hessen unü
ürautsnrt cin grotzartigcs, die Herzen erwäriniendes und die
Liebe zu Vatcrlaud und Freiheit entflammendes Fest zu feiern.
firetlich wäre cs angenehmer gewesen, wenn gestern die Sonne
lhren goldenen Schein übcr Stadt, Schlosi und Neckartal aus-
öegossen hätte, aber erlhebewder umd würdiger als cs geschehen
'st, hätte das Fest a-uch dann nicht verlaufen können. Ja, ge.
stehc-n wir cs nur im Verirauen, der herlige Petrus hat das
Programm des natioualliberalen Festausschusses nicht übcl
korrrgiert, als er die Festteilnehmer durch letse rieselwden Re-
8en sür den ersten Teil der Feier m die prächtige, städtische
vcsthalle zwang, denu dort wurdeu die Festreden all d-n Tau-
sen'deu Wort für Wort verstänldlich, was auf dein Schloßhof
svahrscheiirlich nicht der Fall gewesen wäre. Als dort am
Abend ein uns unbekannter Redner mit dem ?lus-gebot grotzer
stungenkrast von der Treppe dcs Otto Heinrichbanes eine An-
sprach«! hjclt, blieb er uns völlig unverständlich. Allerdiugs
stand er gerade vor der Türöffuug, hatte sich also lden akustisch
lchlechtesten Platz erwählt.

Die crsten Feftteilnehmer trafen schon vormittags mit deu
i^rschiedeuen Kurszügen hicr eiu. Nachmittags 1 Uhr kam
b«nn zuerst der Extrazug aus Mauuhetm; ihm folgte der aus
-koovnis, und zuletzt kam init starkcr Verspätnng um halb 3 Uhr
auch der aus GcrmerAheim und Speier an. Er 'brachte noch
"'ehr als 500 Fraucn und Mäuner, die das schöue Fest iu Hoi-
delberg sich auf keinen Fall entgeheu lasscu wollteu.

Dret Uhr war es, als dcr lauge Zug dieser Gäste die Fest-
yallc erreichte. Mit Mühe und Not fanden sic dort Uuterknnst.
-Ucht nur drr untere Saal und die Galerie waren dicht -besetzt,
auch tn den obcren kleinen Galerieu drängte sich Kops an Kops;
der Wirtschastsrauui war durch Boseitiguug Äer Zwischenwände
Festsaal 'hiuzugezogen worden; hnuiderte staudeu an dcn
Wänden, und -doch reichte das alles aicht eiue grohartitze,
'N'Posante Versammlungl Sie dürfte -minldestens 30Ü0 Teil-
"ehmer umschlossen haben. Nicht wcnige sahen sich lei'dcr ge-
Swuutzen, wieder umzukehren. Manche idavon iamen aüf dcu
öuten Gedankcn, nach dem Schlotz zu pilgern, uud in den Kel-
u'rn beim grotzen Fatz sich zu einer Soniderfcier niederzulossen.

. Der Hei-ekborger Oechestervcrein crösfnete die Feier
Üsst dem Marsch „Für Kaiser uud Reich"; shm foltzte, der
t^ltuation angemcssen, der „Eiuzug >der Gäste auf der Wart-
ourg's Danu crgrisf der Vorsitzcude dcs hiesigen national-
Uo-ralcn Vereins, Prof. Ouenzer, 'das Wort zuv Be-
örühuutz der Festvcrsaurmilun'g.

Rede vvn Prof. Quenzer.

Namens der hiestgeri uationaillibcraleu Partei rufe ich Jhuei
vlleu eiueu herzlichen Willkommgrutz zu, -mögcu Sie vou
btheiue gekom'iuen seiu oder voiu Main, vom .Haardtgebirge cde
ooni Odenwald, aus -Baycrn, Hesseu oder Baden, willkom-mei
hser km alten, leider 'hcute verregneten Heidelberg. Si-
1>ird unserm Rufe gesolgt und in solch grotzeu Mas
-^n, als ob's geheitzen hätte: Strömt herbei, ihr Völkerscharen
^ ^ i st e i ne wahre Freude , solche Scharen hier bc
tNncr patriotischen Feier begrützen zu köunen, oihnc datz ei>
'Noralischcr Druck ausgeübt wurde oder datz ciu bcsond're
^innerikitzel lockte. Vor ciu paar Monaten hat das Zentrun
yier eine Hecrschau abgehalteu, und es solleu ge-gcn 3000 Schäs
'fni deui Hirtenstabe gesolgt sein. Damals hieh es: So etwa
>t nur dem Zentrum müglich, das brintzt ihr Li'beralen n'ich
Meiue Herrenl Jch konstatiere mit stolzcr Freude, wi
yndcn cs fertig gebracht, und wir haben es fertig gebracht oha
«^Otlichcn Druck und dic doppelte, wenn nicht die dreisach
stenschruzahl hätte sich bei günstiger Witterung hier cingesu-n
Der Hiinmel hat seine Zustimmung kundgvgeben, deui
.s hat schon viole Tränen des Schmcrzes -gsweint über die
e njchj Mkommcn siud. Unserc Stadt hat geflatzgt und ih
^stge>waud angelegt und wir alle haben mobil gemacht, wi:
yaocn warme Hcrzen, frischen Mut und frohe Feststimmuui
^'tgc-bracht. Und so ruse ich denu Jhnen allcn uud jedeu
,^'stzelnen von Jhnen ein aus warniem Herzcn kommeudei
^rutz Gott zu.

cs § ^wollcn wir? Was fciern wir? Gestern warer

- oo Jahre, datz unser Volk in Wasfen iu einer einzigartigeu
° "^,'chcn Wasfentat deu Grund legte zu deu herrlichsteu Er
^SNisstu dcr deutschen Geschichte, der Gründung des neuer

" Neiches. Wie bei eiuer Beleuchtuntz diesei
stchses cs plötzlich aus dem Duukel der Nacht iu seiner ein
L°Eitzen, zauber'hasten Schöuheit strahlend 'hervortritt, so er
Tuukcl gehüllten uapoleonisch.'n Scheichwcgei
uo ^der b«ipsicht.,gteu Demütiguu-g uuseres zerklüfteten uuil
-."'ssenen Vaterlandes des ueueu Re-icheZ Herrlichkeit. Un
^s'ge'tzd tiesstes Ahnen uu-d Sehnen. Hosfcn uud Wüusche,
«sng nrit einem Malc wunderbar in Erfüllung. Jn den 3'
^ahren, die seitdem vergangen siud, hat umser Reich seine Stel
"'tz aks ciner ider ausschlaggebendon Faktoren der Weltpoliti
-u vewährt. Von ReichSmüdigkeit darf keiue Rede ibei unr
Ü na ^c-uen 'stffs ^s Reiches heute, wie am ersten Ta-g-

- wir kasscn uns diese Fre'ude nicht nchmeu, wenn auch einmal

spr-chk Dinge E Einzeknen nicht unsercn Wünschen enb

H«rz Sluht für ein einiges, grotzes, starkes deutsches
. 'rich, ,n dem 'die Sonne der Frerheit keuchtet, iu Lem sie die
^rvorgeuei! Kräste der -Volksseeke -weckt und zufricdei'.c Bür-
^ fto'h und kräftig an der Ersüllung unserer
ssUtturauxgaben mitwirken. Dcs Reiches Wohlfahrt und
ste-ht uns höher als die Partei und das Gemcin-
di-^ Volkes höher als die Standes- und Berussinteresfen,
e yeute eiuen so brciten Raum in uuserem politischeu Leben
^"^Anien. Nicht Stadt oder Laud, uicht Judustrie oder
andwirkschast darf heute unsere Losung sesn, sondern Stadt
^u d L<md, Jndustric und Landwirtschaft, mit einem Worte
U'ier und Reich. Auf ihn, den Träger uuserer na-
vnalen Einheit richteu sich vor allem andern unsere Ge-

danken. Wir brauchen einen Kaiser, .wir haben einen Kaiser,
und wir freuen uus des Kaisers. Wir freueu uns dgerade^ un-
seres Kaisers, wie er ist. Jmmcr die Wahrung'und Stär-
kung der natioualen Krast vor Augen, waltet er seines
hohen Amtes unermüdlich, voll Willenskrast und Ausdauer.
Drei Züge eines grotzen Mannes sind i'hm eigen: Geist,
Originalität und Krast. -Heute inspiziert er Truppen, mor-
gen ist er an der Wasserkante und übermorgen fährt er nach
Marokko. Er erhält nnser 'Schwert scharf und schneidig und
sorgt, datz nnser Pülver trocken bleibt und ist doch der treueste
Wahrer des Friedens. Er tritt fest auf und spricht entschieden
und scharf nnd will doch nicht verletzen, sondern heilen. Es
gibt Länder, die uns beneiden um unsern Kaiser, weil er
eben ein Kaiser ist, ein Herrscher,, ein Leiter, ein Geleiteter.
Er ist Erhalter und Mehrer des Reiches, in Hm wäre unser
Schloß nicht frevelhaft zerstört worden. 'Freuen wir uns
seiner starkeu Hand! Und 'wcnu -wir nicht wollen, datz sie
wiederkehren, jcne tranrigen Zeitcn elender Schwäche und
jammervoller Zerrissenheit, so wollen wir ihm Vertrauen ent-
gegenbringen und ihm treu zur Seite stehen. Darum jn-
beln wir: Heil Kaiser Dir' Stimmen Sie jetzt mit mir ein
in den brauscnden Ruf: Se. Majestät, unser Kaiser WU-
helm II. lebe hoch!

Zahlreiche Stellen der Rede erweckten keblhasten Beifall -bei
den Zuhörern. Prächtig stieg das Kaiscrhoch empor, -bet jeder
Wielderholung stärkcr einsetzend und enertzischer heraüfdringend.
Die ganze Kraft ihrer UeÄrzengnng und ihrcs vaterländischen
Empfindens 'letzten diese tause-n'de von Männern nnd Frauen
in 'das Hoch aus Küiser und Reich. Und dann stimmten sie
die Nationalhhmnc au, cin univergetzlicher 'Uügenblick.

Es solgte die deutsche „Kaiser-Ouvcrture", worauf Ober-
bürgermeister Dr. Wilckcns den Spruch aus die Landesfür-
sten ausbrachte.

Rcdc des Obcrbürgermeisters.

Hochverehrte Festversa m m l u u g!

Es ist mir eine äusrichtigL und herzliche Freude, Sie Alle
auch im Namen der badischen nationalliberalen Landespartei
willkommen heihen und feststcllen zu dürfen, de'tz trotz der
Ungunst der 'heutigen Witteruug nicht uur aus Badeu, sondern
auch aus der bayerischen Pfalz, aus Hessen und aus Frank-
surt a. M. zahlreiche liebe uud werte Freunde >ich bei uns
eingefunden haben, um das Sedanfest mit uns zu feiern.
Ganz besonders begrüße ich unseren hochverehrten Freund
und Gcstnnungsgenossen, Herrn Dr. Bürklin. Wir sinv ihm
für sem Kommen sehr daukbar uud freuen uns auf seine
Festrcde. Sie weilen hier, verehrte Feftgenossen, in einer
Stadt, in der das Sedanfest stcts in Ehren gehalten und seit
1871 alljährlich gefeiert worden ist, (Brervo!) und zwar nicht
nur Seitens dcr Bewohner, sondern auch «eitens der Ltadt-
bevwaltung. Wohl sind an diese im Laufe der Zeit verschie-
dentlich Anregungen in der Richtung herangetreten, man solle
rnit der Feier entweder ganz aushören oder sie doch nur noch
allc sünf oder alle zehn Jährc stattsinden lassen. Tie Väter
unserer Stadt haben seither aber immer den Standpunkt
cingenoniinen, es sei eine Pflicht der Dankbarkeit (Bravo!)
gegen unser grohes Heer, welches uns von den französischen
Sch'lachtfeldern Miser und Reich, zurückbrachte, däs Gedücht-
nis des Tages, der als der Kulminationspuukt des gewaliigeu
Entscheidungskampfes angesehen werden dars, in unserer
rasch lebenden, die Vergangeriheit so leicht vergessenden Zcit mit
aller Kraft festzühalten und ihn daher alljährlich zu feiern.
Wir sagten uns aber auch weiter: Der Tag, an dem bei
Sedan das frauzösische Kaiserreich uuter dem Donner der
Geschütze zusammenbrach, ist der eigentliche Geburtstag des
neuen deutschen Reiches gewesen. Denn daß aügesichts eines
dcrart beispiellosen Waffenersolges, wie er dort von uns
Deutschen errungen wordeu ist, der Krieg nicht zu Ende gehen
könue, ohne daß die durch die Ereigniffe des Jahres 1866 ein-
geleitete politische Wiedergeburt der Nation ihren vollständigen
Abschlutz sinde, das ist in jener crhebenden Zeit Jedermann
klar geworden. Dieser Gedank« -hat von Sedan an das ganze
deutsche Volk beherrscht und er ist dann dank der Weisheit
unseres Heldenkaisers Wilhelm I. und dank der unvergletch-
lichen Staatskunst unseres nnsterblichen Bismarck (Bravo!)
in glänzender Weise verwirklicht worden. Wir häben des-
halb hier dcn Sedantag immer in erster Reihe als den Tag
gefeiert, an dcm der Grundstein zum neueu Deutschland ge-
legt worden ist, und in diescm Sinn ist er seither auch an
vielen andern Orten unseres Vaterlandes immer auss Neue
'wieder festlich begangen, worden. Jn diesem Sinn wird das
Sedanfest auch seine Berechtigung behalten, so lange das
deutsche Reich -besteht. (Bravo!)

Es wird nun vielleicht aber gerade in diesem Jahre der
Eine oder Andere meinen, wir Badener hätten augenblicklich
Dringenderes zu tnn, als ein solches Fest zu feiern. Wir seien
unmittelbar vor den Landtagswahlen, die sich im nächsten
Monat bei uns zum ersten Male unter der Herrschaft des di-
rekteu Wahlversahreus vollzsehen werden. Da sei es sür uns
klüger, einen S-onntag, wie den hentigen, znr Wahlagitation
drautzen im Lande zu benützen, alS an ihm ein vaterländisches
Fest zu begehen. Wir badische Liberale 'haben es aber ge-
rade oeshalb, weil wir rnitten in der Wahlarbeit stehen, weil
wir uns in vielfach unerquicklichen Auseinandersetzungen mit
unseren politischen Gegnern besinden und weil wir eincn
schwercn, sür die ganze 'Werterentwicklung unserer cngeren
Heimat wichtigen und bedeutungsvollen Kampf auszusechten
haben, im laufenden Jahre erst recht als ein Bedürfnis emp-
fundcn, uns fiir diesen Kampf zu stärken, indem wir uns,
dem politischen Acrger und Verdrutz des Alltagslebens gegen-
über, an dem grotzen'vaterländischen Gedanken aufrichten, uns
vot allem als treue Söhne der gemeinsamen Mutter Ger-
mania fühlen und ans der Erinnerung an die hinter uns
liegende Zeit gewaltigen nationalen Aufschwnngs die frohe
Zuversicht schöpfcu, daß unserem engeren wie unsereni weiteren
Vatcrlande noch eine glückliche und geseguete Zukunst (Bravo)
beschieden sein werde. Für uns Angehörige der national-
liberalen Partei in Baden ist hiernach der heutige Tag ein
solcher dcr Sammlung, der Erfrischung und Belebung in den
polittschen Kämpfen der Gegenwart, in denen uns hosfentlich
die Sympathien weiter Kreise des deutschen Volkes zur Serte
stehen werden.

Jch. kann und will hier aus die Kämpfe nicht näher cm-
gehen. Jch darf aber vielleicht doch sageu, datz cs sich bci uns
rn Baden, uachdcnr unsere Versassun,g im letzten Jahrc i.r libe-
ralem Sinn und Gcist rsformrert worden ist, nunmehr 'darurn
haüdelt, die Probe zu macheu, ob uüser badisches Vdlk nach wie
bor gewillt ist, irr den Bahneir cüres gesunden u. vernünrtigen
Fortschritts zu wandeln, wie sie unter dcr ruhmrei'chen Regie-
rung unseres inniggeliebten Grotzhcrzogs seit dem Jahre 1860
zrrm Hevl und Segen unscres Heimatlandes ein'geschlagen wor-
den sind, oder ob dassclbc dem Staatsschrff den Kurs «retzebcn
zu sehen wünscht, dcr nunnreihr leider in Baycrrr in Aussicht zu
sein scheint. Unsererseits muh und wird Alles auftzeboten wer-
dcn, unr eine solche Kursänderung zu verhiinidern und der Ge-
setzgebuug wie ider Vcrwabtung unscres Landes das freiheitliche
Geprägc zu bcwahren, das seither für sie charakteristisch !var.

Jst doch, wenn auch das Reich einen grotzen Teil der staat-
lichen Ausgaben selber in die Harrd genoin'inen lhat, das Gebiet,
aus dem sich unscre deutschen Einzelländer zu betäti-geu haben,
inrmrer noch cin umfautzreiches, riicht nur in poilitischer, soudern
rmnrentlich au-ch in tultu-reller un-d wirtschaftlicher Hirrsicht
wichtiges und bedeutsames geblieben und haberr wir doch Alle
üas lekhasteste Jnteresse daran, daß dasselbe richtig gcpsletzt
und bobäut 'wird. t

Gern ge-ben wir deur Kaiser, was 'des Kaisers rst, und dem
Rciche, was dcs Rerckies ist. Wir wisscn, datz die Sicherheit
unseres gvotzen Vaterlandes nur dann gewährlciftet ist, wenn
Heer und Flotte in einer sesten Hand sich besiudeu. Wir
haberr es auch dankbar begrützt, äls rnrt dem Beginn >des neuen
Jahrhunderts dern deutschen Volke der Segerr vollständitzec
Rcchtseinheit zuteil wurde, und wir 'haben uns, wenrgstens rnso-
weit Baden in Betracht komnrt, längst damit äbgesunlderr, datz
eine Verkehrseinrichtun'g von der Beideutun'g dcr Post in die
HäNde des Reiches übergegangen ist. Wir sind also keine Pa-r-
tikularisten. Wir sind aber auch keine Unitarier. Wir er-
bkicken deu Hauptvorzug unsercr politischcn Einvichtungen ge-
rade darin, dah denr Reich 'der Einzelstaat ergänzend zu-r
Se-ite tritt, idah derselbe eine gange Reihe geistiger, ökonomischer
und sozialer Jnteresscn wirksamcr pflctzerr und fördern kann,
äls das Rerch, iveil er eben mehr in der Lage ist, zu indivi-
dualisieren, uud datz überhauvt bei uns in staatlichen Dingen
nicht starre Gleichsörmigkert, nicht übertriebene Zentralisarion,
sondern innerhalb gewisser Grenzen Mannitzfalt'igkeit, ja Biel-
seitigkeit herrscht. Diese förderalistische Grundlage des Reiches
wolleu wir allezeit erhalten wiffen. Wi-r Männer und Frarren,
die wir uns heute aus den verschredensteir Teilen unscres Varer-
landes iu festlich gehobcuer 'Stinrni,u.ng hier versarnmclt ihaben,
ftnd stolz üara-us, n-icht nur Deutsche, sondern auch Preutzer«
oder Bayern oder Hcssen oder Baidener zrr sein un- wir ge-
denkcn daher in Lieb und Trcue nicht nur des Reiches, sondern
auch unsercr Heimatstaaten nnd dcr erlarrchten Fürsten-, die
deren Geischicke lenken, ües deutschen Kaisers in seiuer Eitzen-
schast als König von Preutzcrr und 'damit als Landesherr unserer
lieben Fran-ksurter, deren alte Stadt unter preuhischer Herr-
schaft so mächtig e-mporgeblüht ist, 'des greisen Prinzregenten
Luitpold vo.r Bayeru, der troh dcr auf ihm rnhcnden Last dcr
Iahre noch mit bewunderuntzswürditzcr Frische und Energie dre
Zügel des Re-giments führt, des jugendkräftrgen, alleu idealen
Bestrebuntzen das lebhafteste Jntcressc u-Nd Verständnis cntge-
genbringenden Grotzherzogs Ernst Ludwig von Heffen und ins-
besondere unsLres teuren Grotzherzogs Fricdrich vou Baden, dcs
edlen Herrschers, der am nächsten Sämstag seinen 79. Geburts-
ta-g feiert und nunmchr seit läugcr als cinem- halben Jahr-
hundert in Baden rogiert, erfüllt und idurchdvungcn von echt
nationalcr Gesinnung, zuglerch abcr auch, wie cr crst im ver-
flosseircn Jahrc wiedcr aus Anlatz des Zustaudekomnrens der
Vcrsassuntzsrcform gczeigt hat, cin durchaus libcrälcr Fürst,
hochgcschäht und hochverchrt nicht nur uon dem- badrschcn, son-
dern auch von dcm ganzerr deutschcn Volke. Bringen wir, ioerte
Festgenossen, diesen unsern Larrdcsfürsten auch in dieser Stundc
in Ehrerbietuug und Trcuc uuscre Hulditzungen dar, inde'in wir
einstrmmcn in den Rus: Unscre durchlauchtigsten LaNdcsherren
leben hoch, hoch, hoch!

Auch diesc Rcide wurde sehr bei'fällitz aufgenommen. Dann
trutz die „Liedertafe I", die ihre Sangeskunst in dankbar
anzuerkenncnder Weise in den D'icnst der vakerländischen Ferer
gestellt hatte, die Chörc: „Steb' scst, du deutscher Eichenwald"
und „Zu Stratzburg aus der langen Brück'" vor. Hatte die
„Liedertasel" die Arbeit anf 'sich genomimen, so hat sie dasüv
auch den Tri-nmph geerutek. Fhre Chöre sprachen die Ver-
samnrlung autzerordcntlich an und sanden schr schmeichelhasien
Beisall.

Nun kani man ai, deu Kern des Programrns, die Festrcde
des Herrn Dr. Bürklin. Bei seinem Austreten stürmisch
bcgrützt, richtete Dr. Bürklin, der anregende und geistreiche
Verüreter eines gesunden nationalen Optiinismus,' solgcnde
schöne Wortc an die ausmerksam lauschcnde Versamm'luntz:

Festrede von Dr. Bürklrn.

H o ch a n s e h n l i che Fe st ve r s a in m l rrn g!

Mcine lieben Freunde!

Wir sind heute hicr zusanimentzekommen, um Sedan zu
feiern. Was bedeutet das? Das Wort Sedan kann verschre-
den tzedeutet werden. Zunächst führt es unsern Blick zurück in
die Bergangenheit, nnd da könnte man hier in Heidel
berg versucht sein, an Bergeltung zu denken, Vergeltung
für hnndertfältig erlittene Schmach und Kränkung, davon die
hohläugigen Mauern des zerstörtcn Heidelberger Sckiloffcs in
stummer Beredtsamkeit vicl Trauriges zu erzählen wisscn. Mau
könnte davon sprechen, wie wünschenslwert es wärc, droben rm
Schlotzhof alle sranzösischen Revanchepolrtiker vevsammeln zir
können, und ich> glaube, nicht viele von rhnen, wenn sre noch
Herz und Gewissen ans dern rechten Fleck haben, würdcn cs
wagcn, das Wort Revanche sürderhin über die Lippen zre
bringerr. Ja, meine Freunde, es wär eine Rechnung zu be-
glerchen; — bei Sedan ist sie beglichen worden, und wir sind
quitt, so Gott wrll, fiir alle Zeiten! (Bravo!)

Weiterhin bedeutet aber das Wort Sedan sür uns Deutsche
eine der stolzesten Erinnerungen unserer Geschichte, der Se-
darrstag die Gedächtnisseier von Grotztaten, nicht sener
paar Taqe vonr -September 1870 allein, sondern jenes ganzeri!
großcn Ktzmpfcs der Jahre 70 urrd 71, da die Deutschen, „eiui
 
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