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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-203 (1. August 1905 - 31. August 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16474#0341

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« bestimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Vlackattafeln der Heidelberger Zeitung und den üädtischen Anschlagstellcn. Fernsprecher 82.

Domierstag, 17. August 19Ü5«

Erstes Blatt.

47. Jahrgaug. — Nr. 191.

Zur Auflösung der schwedisch-norwegischen
Union.

Christiania, 1b. Aug. Ein Vertreter der russtschen
Äeitung „Rutz" hatte kürzlich cine Unterrcdung mit dem Mini-
^er für auswärtige Angelegenheiten, Lövland, über den
^nions - Konflikt und die Aussichten auf seine endgül-
llge Lösung. Das „Morgenbladet" veröffentlicht dieses Jn-
> lerview gleichzeitig mit dem „Rutz". Der Minister erklärte u.
j **>: Ueber die Weitercntwickelung des Union-Konfliktes lätzt sich
! "ichts genaueres voraussagen. Norwegen entschlotz sich so-
§ort, auf das Verlangen Schwedens nach einer Volks-
^ bstimmung zu antworten, da dies durchaus nicht den eige-
"bn Jnteressen Norwegcns widcrsprach. Was die übrigen For-
öerungen Schwedens angeht, sind wir bereit, ohne im Voraus
ü'e Bercchtigung dieser Forderungen anzuerkennen, in Ver-
handlungen hierüber mit Schweden einzutreten. Auf eine An-
srage erklärte dcr Minister: Es sieht so aus, als ob Schweden
nicht wünscht, eincn Prinzen aus dem Hause Bernadotte auf
^n Thron Norwegens zu setzen. Dann wird das norwegische
^iorthing selbstverständlich Verhaltungsmahregeln treffen. Je-
^nfalls wird die norwegische Regierung alles mögliche tun, um
'Ucht mit den Jnteressen der Grohmächte in Kolliston zu kom-
^on. Persönlich glaube ich daher, datz Norwegen nicht einen
^rätendenten für den Thron Norwegens suchen wirb. Der
"blan, über den die Blätter Gcrüchte verbreiten, nämlich einen
^änischen Prinzen in Norwegen als König einzusetzen,
ann dann vielleicht in ernste Erwägung gczogen werden. Die
stvubltkanischen Jdecn der 40er Jahre haben nicht mehr die-
irlbe Macht in Curopa. Die Ersahrung zeigte, datz auch ber-
^chiedene freie Monarchien in der Welt existieren können, wie
^ B. England und Dänemark, und dah es neben guten Repu-
aiikcn auch schlechtc gibt. Auf eine Frage des Journalisten, wie
ange die heutige unbestimmte Lage dauern dürfte, antwortete
Minister, datz der reaktionäre Teil Schwedens früher bc-
rebt zu sein schien, den Konflikt zu berlängern; aber hierdurch
Nrden sowohl die Jnteressen Norwegens wie des Auslandes
riden. Die Rcgierung Norwcgens müsse suchen, so schncll als
^oglich normale Verhältnisse zu schaffen. Wenn man daher
i"cht im Laufe der nächsten Zeit das Verhältnis mit Schweden
Ordnung bringen könne, würde Norwegen gezwungen sein,
'ch offiziell an die ausländischen Mächte mit der Bekannt-
"'achung der Unionsauflösung zu wenden, und man dürfe hof-
datz die Mächte nichts dagegen einzuwenden haben, die
^rlbständigkeit Norwegens anzucrkennen. Auf die weitere
lirage über die Ausficht eines skandinavischen Bundes antwor-
^le der Minister, datz Norwegen zu einem solchen bereit sein
Urde, wenn es das Ziel desselben sei, eine feste, dauernde Neu-
^alität zu erreichen. Ein Bund mit einer oder der anderen
rohmacht wäre nach seiner Ansicht ein Unglück für Norwegen.

Deutsches Reich.

Eiu längerer Artikel der „Nordd. Allgem. Ztg."
^dichciftigt sich mit der Frage der Truppennach-
ch ü be nach D e u t s ch - S ü d w e st a f r i k a uud
^llt fest, daß der Umfang der bereits bewilligten oder

fiir die nächste Zeit in Aussicht genommenen Transporte
staÄ übertrieben worden ist. Das Blatt teilt mit, der
Reichskanzler habe die b u d ge t r e ch t I i che n Ein -
wendungen gegeu die neuesten Truppensendungen
zum Anlaß geuommen, um eine genaue und alls Einzel-
heiten der verwickelten Materie umfasseude Nachprüsung
der gesamten bisherigen budgetären Behandlung! des
Truppennachschubs anzUordnen. Das Blatt schließt:
„Die Koften sowohl für die Verstärtüng der Etappen als
auch für die Beschleunigung der von Ansang üorgesöhenen
Ergänzungen sind im Verhältnis zu der ausgeworfenen
Pauschalsumme vou 77,6 Millionen geringfügig. Sollte
sich jedoch ini weiteren Lauf des Etatsjahrs im voraus
übersehen lassen, daß die bÄvilligteu Kvedite nicht inne-
gehalteu werden können, oder sollten andere nicht vorge-
sehene Ausgaben im Zusammenhang mit dem Aufstand
sich als unabweisbar zeigen, so wlirde der Reichskanzler,
der fest entschlossen fei, die Rechte der gesetzgebendeu Kör-
perschaften auch in den durch deu füdwestafrikauischen
Krieg geschaffenen schwierigen Verhältnissen aufs Peiu-
lichste zu achteu, nicht Zögern, die gesetzgebenden Kör-
perschaften zur Genehmigung uachträglich einzuberufen.

Aus der Karlsruhev Zeituug.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem Direktor des städtischen Krankenhauses in Karlsruhe, Prof.
Dr. Bernhard v. Beck, die Erlaubnis zur Annahme und zum
Tragen des ihm verliehenen Kgl. Preutz. Kronenordens 3. Klasse
und dem Bildhauer Otto Kohler in Metz die Erlaubnis zur
Annahme und zum Tragen der ihm verliehenen Kgl. Preutz.
Roten Adler-Medaille erteilt, sowie den Korpskommandeur der
Gendarmerie, Oberst Alfred Wolfs in Karlsruhe, auf sein
Ansuchen wcgen leidender Gesundheit unter Anerkennung seiner
langjährigcn und treugeleisteten Dienste und unter Verleihung
des Charakters als Generalmajor in den Ruhestand versetzt.

AMand.

Rußland.

— Aus Odessa liegt über die ichon crwähnte Hin -
richtung zweier Knaben folgender ausführlicher
Bericht vor:

„Da in den Schreckenstagen, dic die hiesige Einwohuer-
schaft kürzlich durchgemacht hat, die regulären Truppen
schlietzlich ihre Mitwirkung an den Massenhinrichtungen
verweigerten, wurde das Henkeramt den zu allem fähigen
Kosakeu übertragen. Die ohne lange Untersuchung zum
Tode Verurteilten wurden auf einen freien Platz außer-
halb der Stadt geführt, an Pfählen gebunden und füsiliert.
Unter den Unglücklichen, die zur Richtstätte geführt wur-
deu, befandeu sich auch zwei gut gekleidete Knaben vou 15
und 13 Jahren. Während eines Straßentumultes waren
vom Balkon eines Hauses Schüsse gefallen. Soldaten
drangen in die Wohnung und trafen dort die beiden Kna-
ben und ihre Eltern an. Auf die Frage, wer geschossen
habe, meldeten sich die Knaben, wurden sofort abgeführ't
und trotz ihrer Jugend kurzer Hand zum Tode verurteilt.
Leichenblässe deckte ihre Gesichter, als sie in ihren grauen

Schüleranzügen zur Hinrichtung geführt wurden. Sie
mußten auf ihrem letzten Gange von ihren Henkern ge-
stützt werden, da sie sich nicht auf den Füßen halten konn-
ten. Aus deu Reihen des Publikums hörte man unwilli-
ges Murreu und Schluchzen. Schließlich geschah das Un-
glaubliche — an zwei unmündigeu Kindern wurde in
einem europäischen Staate im zwanzigsten Jahrhundert
die Todesstrase für ein politisches Verbrechen vollzogen.

Die Forderungen der städt. Gas-, Wasser-
und Elektrizitätswerk-Arbeiter.

Die „Volksstimme" veröfsentlicht die Petition der Arbeiter
beim städt. Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerk um Neurege-
lung ihrer Lohn- und Arbeitsverhältnisse. Wir entnehmen oer
Petition das Nachstehcnde:

Verehrlicher Stadtrat wolle beschlietzen:

1. Für die Arbeiter des städt. Gas-, Wasser- und Elektrizi-
tätswerks werden zwei Lohnklassen mit Dienstatterszulagen ein-
gerichtet.

Jn Lohnklasse .4 werdcn eingeteilt: Handwerker, Ofenarbei-
ter, Maschinister und Heizer.

Nach Lohnklasse L werden die Hofarbeiter entlohnt.

Der Anfangstaglohn für Lohnklasse .4. beträgt 4,20 Mk., all-
jährlich um 10 Pfg. steigend, bis zu S,— Mk.

Für Lohnklasse L beträgt der Anfangstaglohn 3,60 Mk.,
alljährlich um 10 Pfg. steigend, bis zu 4.— Mk.

Oberheizer unb Vorarbeiter erhalten zu diesem Lohn eine
tägliche Funktionszulage bon 40 Pfg.

Für Ofenmaurer beträgt der Anfangstaglohn 4,50 Mk., all-
jährlich um 10 Pfg. steigend, bis zu 5,— Mk.

2. Die in die Woche fallenden gesetzlichen Feiertage werden
wie Arbeitstage entlohnt. Arbeiter, welche an solchen Tagen
arbeiten müssen, erhalten hierfür cinen Lohnzuschlag von 100
Prozent.

3. Der Lohn wird in achttägigen Terminen, jeweils am Frei-
tag, ausbezahlt.

4. Nach einjähriger Dienstzeit wird in mit Erwcrbsunfähig-
keit verbundenen Kraukheitsfällen dem Arbeiter der volle Lohn.
unter Abzug der statutenmätzigen Leistungen der Ortskranken-
kasse, auf die Dauer bon 3 Monaten weiterbezahlt.

5. Werden Arbeiter mit eigcncm Haushalt zu einer Frie-
densübung einberufen, so erhalten deren Familien zu derr
reichsgesetzlichen Unterstützungen einen Zuschutz bis zur vollen
Höhe des vorher bezogenen Lohncs.

6. Bei cventl. notwendigen Entlassungen sind dic zuletzt ein-
gestellten und zwar in erster Linie die Ledigen, soweit ste nicht
für Angehörige zu sorgen haben, zu entlassen.

Nach fünfjähriger Dienstzeit kann ein Arbeiter nur durch Be-
schlutz des Stadtrats entlassen werden.

Jst ein Arbeiter in den Arbeiterausschutz gewählt, so kanrr
dessen Cntlassung nur durch Beschlutz des Stadtrats unter Ein-
haltung eincr dreimonatlichen Kündigungsfrist erfolgen, falls
nicht ^ 123 der Gewerbeordnung Anwendurig zu finden hat.

7. Nach zweijähriger Dienstzeit erhält jeder Arbeiter alljähr-
lich einen Erholnrigsurlaub von vier Tagen unter Fortreichung
des Lohnes. Nach fünfjähriger Dienstzeit werden siÄen und
nach zehnjähriger Dienstzeit zehn Tage Urlaub gewährt. Bei
Arbeiten im Schichtwechselbetrieb beträgt die Urlaubsdauer bel
gleicher Dienstzeit 6, 10 und 14 Tage.

Begründung:

Die bishcr, speziell im Gaswerk bezahlten Löhnc, müssen als>
zu niedrig angesehen werden, da dieselben absolut nicht ausrei-
chen, die Bedürfnisse einer Arbeiterfamilie zu decken. Zum Be-
weise dessen erlauben sich die Gesuchsteller, das Haushaltungs-
budget einer Arbeiterfamilie mit 3 Kindern anzuführen:

Kleine Zeitung.

^ ^ Wermclskirchcn, 15. Aüg. Von dem A utomo -
I eines Herrn Schäser aus Nürnberg wurde gestern dcr
^chüler tzer hiesigen Schuhmachersachschule, Hans Sche-
überfahren und getöte t. Schäfer trtfft angöblich
i^üre Schnld; der Getötete soll dem Automobil auf seinem
^ahrrad geradezu in den Weg gefahren sein. Schäfer
^"l)m sich des Verunglückten sogleich an, bettete ihn auf
Gefährt, brachte ihn nach Hause und holte sofort
i"en Uxzt. Hilfe war nicht mehr möglich.

. — Fürstrntum Lübcck, 14. August. Jn unserm Ländchen

erdcn gegenwärtig Unterschriften fiir eine Eingabe an das
. Ätusministerium in Oldenburg gesammelt, worin der Mi-
^uer ersucht wird, den Mädchen denBesuch des G y m-
,"iiums in Eutin zu gestatten. Jn der Begründung
?lßt es u. a.: „Jmmer gebicterischer tritt an uns die Not-
eudjgkstt heran, unsern Töchtern die Gelegenheit zu ciner
bktieften und gründlichen Ausbildung zu geben, nicht allein,
sie in den Stand zu setzen, sich wirtschaftliche Unab-
s?"8igkcit zu sichern, sondern ebenso sehr, um sie zu be-
2Pgen, den geistigen Ansorderungcn zu genügen, die unsere
an vie Frau als Gattin und Mutter stellt. Nachdem
j/" Frauen eine Reihe von höhern Berufsarten erschlossen
' "nd die Türen der Universität sich ihncn geöffuet haben,
j 'cheint es folgcrichtig, begabten und strebsamen Mädchen
^ tveiterm Matzstabe als bishcr die Möglichkeii gymnasialer
zu gewährcn. Für unserc Stadt ist das einzig
° allein möglich durch Zulassung dcr Mädchen zu dem

hiesigen Kriabengyimiasilim. Der Vereinigimg dcr beiden
Geschlechter beim Uuterrichie können Bedenken nicht entgegen-
stehen, denn diese entspricht dem Bau uud Wesen der Fa-
milie und der Gesellschaft. Auch hat sich das System der
gemeinsamen Erziehung im Auslande sowie im Großherzog-
tum Baden bereits bewährt." Dem Ministcriilin ist vor
erniger Zeit auch eine dahinzielende Resolution unterbreitet
worden.

— Warcudorf, 12. Aug. (Tod durch Verblutung.)
Der einzige Sohn einer hiesigen Familie, ein 13jähriger
Knabe, wollte in der Ems fischen. Er machte sich einen
Stock ans der Hecke als Angelrute zurecht. Jiidem er ihn
vor den Leib stemmtc und die kleineren Zwcige abschnitt,
glitt das Meffer aus, drang ihm in den Oberschenkel und
vecletzte die Schlagader. Der Knabe versuchte, da niemand
in dcr Nähe war, die stark blutende Wimde selbst zu ver-
bindeii, was ihm jedoch nicht gelungen ist. Verblutet
fanden zwei Leute später den armen Jungen aus und brach-
ten die Leiche in das elterliche Haus.

— Zu dem Automobilunfall Hoffa wird der „UIm.
Zeitung" von einem Augenzeugen berichtet: Der Unfall
ereignete sich 6 Kilometer von Neuulm bei Burlafingen.
An dieser Stelle war eine Kürve ungenügend bezeichnet
unb zwar durch eine blaue Flagge, welche durch den
Staub, den die vorhergehenden Wagen verursachten, voll-
ständig verdeckt wurde. Der Wagen (N. A. G.-Wagen
mit 24 Pserdekrästen) wurde an der Kürve die gegen
4 Meter hohe Böschung herabgeschleudert nnd überschlng
stch zweimal im Fallen. Einer der 4 Jnsassen stürzte bei

der evsten Drehung heraus, die anderen 3 bliehen ruhig
sttzen. UNten aüf der Wiese angelangt, stand der Motor
wieder aus seinen Beinen resp. Rädern aufrecht da. Der
Ehaüffeur,> Hugo Galler ans Berlin, brach den rechten
Unterarm, der von dem gleich Per Motor herbeigeeilten
StadtarA, Dr. Fischer, eingerichtet wurde. Die Jn-
sassen wurden von verschiedenen andern nachfolgenden
Wagen aufgenommen. Der verunglückte Wa-gen wurde
mit einem Briickenwagen und Pferden weiterbefördert.
Außer dem Chauffenr wnrde anscheinend auch noch ein
Herr verletzt, der über Schmerzen an der rechten Brust-
seite klagte. Geheimrat Hofsa befand sich nicht im Auto-
mobil.

— Rom> 16. Aug. Der amtliche Bericht über die-
A u s g r a b u n g e n in Jtalien meldet: Eine sehv
wichtige Entdeckung wurde in den Katakomben von Rom
gemacht. Man fand dort die historische Commo -
dill a -B e g r ä b n i s st ä t t e an der V i a O st i e n s e
wieder aus. Die seit bem 9. Iahrhundert nicht mehr be-
nützte Begräbnisstätte geriet allmählich in Vergessenheit,
bis im Fahre 1720 durch Zufall eine große unterirdische
Kammer derselben entdeckt wurde, die aber dnrch einen
plötzlichen Einsturz von neuem versch-üttet w-urde. Jnfolge
planmäßiger Nachforschungen entdeckte man jetzt ausge"
dehnte unterirdische Räume. die Mosaikmalereien undi
zahlreiche handschriftliche Auszeichnungen enthaltem
 
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