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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 151-176 (1. Juli 1905 - 31. Juli 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16474#0071

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bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plackattafeln der Heidelberger Zeitung und den siadtiscken AnsKlagstellen. Fernsprecher 82.

Zur Marokko-Konferenz.

Derlin, 10. Juli. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt:
j ^ Kvischen dem- kaiserlichen Boticha'ter Füvsten R a d o-
j ^ dem Ministerpräsideirteir R o u v i e r ausgetausch-
E r k l ä>r. u u g e n über die Mjar o kk o ko u fe -
lauten in der Uebersetzung wie folgt: Das
^chreiben Rouviers an den Botschafter vom 8.

Herr Botschafter! Die Regierung der Republik ist
^Urch die Besprechungen, die zwischen den Vertretern
.,br beiden Länder sowohl in Paris, wie in Berlin
stattgefunden haben, zu der Ueberzeugung gelangt, daß
kaiserliche Regierung aus der vom Sultan von
T^arokko vorgeschlagenen Konferenz keine Ziele ver-
iolgen wird, welche die herechtigten Juterefsen Frank-
^tchs in diesem Lande in Frage ftellen oder die in
fchiderfpruch ftehen mit den Rechten Frankreichs, die
aus seiuen Verträgen (oder Arrangements) erge-
^en und sich im Einklang mit folgendsn Grundsätzen
adfinden: S o u v e r ä n i t ä t und Unabhängig-
^it des Sultans, Jntegrität seines
Retches, wirtschaftIiche Freiheit ohne
^de Ungleichheit, Nützlichkeit von polizeilichen
finanziellen Reformen, deren Einführung für
^eit auf Grund einer intLrnationalen Verein-
^arung gevegelt werden soll, Anerkennung der Lage,
für Frankrerch in Märokko geschasfen-ist durch die
angausgedehnte Grenzberührung zwischen Algerien u.

scherifischen Reiche u. durch die sichl hieraus erge-
^nden eigenartigen Bezichungen svwie durch das hier-
sürFrankreichsolgerndebesondere
-onteresse daran, datz im scherifischeu Reiche Ord-
herrscht. Jnfolgedessen lätzt die Regierung der
^apublik die ursprünglichen Einwen'dungen gegen die
'übnfermz fallen und nimmt d-ie Einlädung an.

^ Die Antwortnote des kaiserlichen Botschasters,
^^oliu, an den sranzösischen Ministerpräsidenten,
^ udier, vom 8. Juli lautet:

^ Herr Ministerpräsident! Da die Regierung der
^chublik die vom Sultan von Marokko vorgeschlagens
^vnsereng annimmt, hat die kaiferliche Regierung
Mich 'beauftragt, Jhnen die miündlichen Erklärungen
sN beftätigen, wonach sie auf der Konferenz keine Ziele
^folgen wird, welche die lberechtigten Jnteresseu
^ankreichs in diesem Lande in Frage stellen oder im
^derspruch stehen mit den Röchten Frankreichs, die nch
^ seinen Werträgen (oder Arrangements) ergeben
^d im Einklangl zu folgenden Grundsätzen sich besin-
Souveränität und Unabhängig-

LesSuItans, Jntegrität seines

i »> ches, w i r t s cha f t l i che Freiheit ohne
^ de UngIei ch h e i t, Nützlichkeit von Polizei- und
'tManzresormen, deren Einführung binnen kurzer Zeit

Uf Grund einer in t e r n a t io n ale n Verein-
o,

. ? r u n g geregelt werden soll, Anerkenrmng der Lage,
^ für Frankreich in Marokko geschaffen ist durch die
^ugausgedeihnte Grenzberührung zwischen Algerien

und dem scherifischen Reiche und dnrch die sich hieraus
sür Fr'ankreich folgernden bösonderen Jnteressen daran,
datz im> scherifischen Reiche Ordnung herrscht. Radolin.

Die genieinsame ErkIärung RadoIins
und Rouviers vom 8. Juli lautet:

Die deutsche Regierung und die Regierung der Re-
publik stimmen gleichzeitig darin überein, ihre znr
Zeit in Fes befindlichen Gesandtschaften nach Tanger
zurückzuberufen, sowie die Konferenz zufammengetreten
fein wird, und stimmen ferner darin überein, dem
Sultan vvn Marokkv gemeinschaftlich durch rhre
Vertreter Ratfchläge erteilen zu lassen zur Fest-
stellung des von ihm zur Konferenz vorgeschlagenen
Prvgrammes auf den Gvundlagen, wie sie in den unter
dem 8. Juli Zwischen dem deutschen Botschaster in
Paris und dem Ministerpräsidenten ausgetauschten
Schreiben angegeben stnd. Paris, 8. Juli 1905.
Radolin, Rouvier.

DeuLfches Reich.

— Der „Vor'wärts" verösfentlicht den, von- Iaur 6 s
selbst deutsch niedergeschriebenen Vortrag, den dieser
in der Berliner Wersammlung hier halten wollte: Die
21/st enggedruckte Seiten süllenide Rede entwickelt in der
Sprache eines gelchrten Denkers ohne verletzende Kri-
tik der Rsgierung den Gedanken- der Einigkeit des fran-
zösischen Proletariats, das von dsm 'gemeittsamen festen
W'illen beseelt sei, durch Organisierung und Befreiung
der ige'samten Arbeiterklassö den Friöden zu erhalten, ja
zu erzwingen. Was Jaurbs Mer den W seiner Genug-
tuung gchösteN Marokkokonflikt, sagt, bringt den Kennern
der Tagesgeschichte nichts neu>es. Auch mcht', was er
über das sranzösisch-russtsche Bündmis und das englisch-
französische Abkommen und die Haltnng der fmnzösischen
Sczialisten zu beiden sagt. Jn GSdankgNgäiigen, wie
sie nur 'sozialdemokratischen Reden und Literatur geläu-
fig siud, entwickelt Jaurbs d'ann die Aufgabe und ivach-
seüde Kraft des internationalen Proletariats, den Völ-
kerfrieden zu erhalten. Mit gesteigerter Leidenschaftlich-
keit wird' es in den Kampf treten zur Erobernng der po-
litifchen Macht, zur Erweiterung und> Verbesferung der
demokratischlen Einrichtungen, zur lUmgestaltung der' Be-
rufs- und Klassenheere in Volksmilizen, denen nur noch
die Schutzwache der Uua'bhängigkeit der Völker obliegt,
bis Zur gleichzeitigen ALküstung aller Nationen. Die
Rede schließt: Hochi und klar leuchtet uns also unsere
Pflicht. Wir haben immer inchr zu sorgen für die Ver-
breitnng unserer Jdee, wir haben immer mchr 'Kräfte M
erwecken, uns zu samMeln und> zu ordnen; und dann ha-
ben wjr den' Kampf durchzukämpfen bis zum endlichen
Sieg der internationalen Sozialdemokratie, aus dem ein
danernder -Zustanb 'der Gerechtigkeit und des Friedens
hervorgchen' wird!

Kiel. 10. Juli. Der Kronprinz uitd die
K r on p r i n z -es s i n sind heute früh- hier eingetroffen.

Swinemünd e, 10. Juli. Der Kaiser ist kurz
uach 10 Uhr an Bord der „Hohenzollern" unter deni Sa-

Int der Festung nach Saßnitz in See gegangen. Die Be-
gleitschifse „Berlin" und „Meipner" folgten. Die Jacht
„Jduna" mit der.Ka i s e r i n an Bord ist von hier nach
Svendborg in See gegang-en.

Baden.

— Zu dem Konstanzer Redeverbot schreibt
die „Konst. Ztg.":

Hätten- bie drei 'Redner nicht an dem Redeverbot für dle
Auslän'der eincn, zugkräftigen Stoff ge>halbt, dann hätte die Ver--
sammtun-g offenlbar re-cht dürftige Brocken vorge-setzt
ibekommen, derm- vorhan-dLne gute, grrche Gedanken hätten die
Redner gewitz auch nach dem Verbot nicht unterdrückt. So aber
Wnn-te man> fast auf den Gedanken kommen, -die gange Festver-
sammlung fei tveyen 'Mangels an zngkrästigen Gedanken nach
Konftanz verlegt worden in der H offn u n g, dnrch das V er -
dot den fehlenden Stoff zu erihalten und dann Len Auszug in
die Schlveiz inszenieren zu könnenl Getvitz >habe.n die berant-
wortlichen Stellen in Berlin und in Karlsrnhe getan, was fie
für ihrc 'Psticht hielten. A'ber wir haben- auch von >bestgesinnten
Bürgern die Ansicht aussprechen hören, datz jene Stellen von
einer u n r ich t>üg e n, veralteten Anffafsung ausgcgangen
feien. Ministerpräsident v. Breitling hat erft kürzlich im
württembergischen Wgeordn tenhaus Üetont, datz man die
S o z i ald e m o k r a t i-e im allgcmeinen wirksam nicht
durch Po l ig c i v e ro r d n ungc n bekämpfen könne I Man
hat d'ie VerfamnÄnng von stnfang an osfenbar zn tragisch ge-
nommen: hätte man unanffällig die nöttgen Vornchrsmahregcln
-getrosfen und die Versammlung im wescnilichrn ihrem Schicksal
ülberlasscn, 'so wäre fie n'ber eine herziiche Unbedeu-
tendheit mcht hinausgekommen, sie wärc in der Hauptsache
ein Volksfest geUieben, wie ein andereS auch.

Der „Köln. Ztg." wirb in di-es,er Sache au-s Karlsruhe
telegraphiert: Für das Verbot des Auftreteus von
ausländischen Rednern bei der. gestrigen s-oziäldemokrati--
schen- Versain'inlung in Konftan-z w-ar, wie wir hören, der
Gedcmke matzgebend, dafür zu sorgen, datz das dem Aus-
länder auf badisch-em Boden gewährte Gastrecht nicht dazu
mißbraucht -werde, weitere Saaten des M'ißtrauens unb
der Ausreizung im G-ebiet der auswärtigen Beziehungen
Deutschlands auszustreuen. Verschied-ene Aeutzerungen
der fozialdemokratischen Presse lietzen vermuten, datz
auslän-dische Rsdner bei der gestrigen Zusamm-enkunst dex
internationalen Sozialdemokr-atie die auswärtigen
Beziehun-gen des Deutschen Reichs zum GegenstanÄ
ihrer Erörterungen machen würden.

'Karlsru 'he, 10. Juli. Jm> 39. Landtags'wahlbe-
zirk E tt l i ngen - Kar Is ruh >e wurde gestern in
einer, dem-okratis-chen Vertrauensmännerversammlnng
Rechtsanwalt Dr. Lu'dwig H a a s - Karlsruhe als Kan-
didat der deutschen Votkspartei sür die nächst'en Landtags-
wahlen anfgestellt.

— Schönau, 10. Juli. Göstern stellte sich dev
Landtagskandtdat sür den Wahlkreis Heidelberg--Land„
Herr Professor Quenzer aus HeidMerg, seinen hiesi--
gcn Wählern vor und entwickelte in 1i/^stündig>er Rede
sein Programm. -Gleich! M Änfang berührte es -wohl-
tuend, däß Herr Quenzer sagte, er sei keiner von deneu..
die vor der Wahl viel versprechen unb später es nicht hal-
tcn können. Was er jetzt entwickle, dafür trete er auch-
ein. Redn-er kam 'bei 'd-em- Punkte „Heer" au-ch> aus die
Soldateumißhandlungen zu sprechen un'd fordert-e ein-e
entschieden hohe Bestrasung sog. „Soldatenschinder", da-

Kleine ZeiLung

Obcrkassel, 9. Juli. Ein Motorboot des Lokal-
Oberkassel-Plittecsdorf, -das dort vor einem
bcj den Strom noch durchqueren wollte, wurde da-
^ü^rsahren. Füns Jnsasfen' stnd ertrunken.

Metz, iy. Fuli. 'Dcr Arbeiter Peter Kan- zIer
'ei^^^drang heute Mittag gegen 1 blhr in die W-ohnung
^ier" ^ihwiegervaters, des Schuhmachers Franz Karov
^att ^ nnd erschotz diesmz auch, au'f den S-chutzmann
'herbeigeeilt war, um ihn zu verhäften, sch-oß
^tzte sntritz Kanzler i-hm den Säbel und ver-

Djx An arn Halse so schwer, daß Batt bald darauf starb.

und die Schwiegermutter des Kanzler sind
lchyL schwer durch Schüsse verletzt. Der Mörder er-
dann selbfi. Das Motiv ist nicht bekannt.

10. Juli. Heute wnvde die 25. Jähres-
l'ch ?orsammIung der Deutschen Reichsfecht-
ÄIZ Geh. Jnsüzrat Schwabe-Magdeburg eröstnet.

^vt der Staatsr-egiernng war Regierungsprä-

^ N Steinmeister erschienen, der die Glückwünsche
h ^'iers Mr heutigen Jnbeltagung überbrachte und
Eb ^ursitzenden, Fritz Böhle und Eisen'bahnsekre-
^usse (beid-e in Köln), dm Kronenorden vierter

^umen des Kaisers als Anerkennung ihrer

_^ iür die gnte Sache überreichte.

övt sjm ^O. Jnli. Jn den letzten beiden Tagen

w Berlin des Gros seiner Ferienreisenden

entladen. Wie die Zeitnngen- berichten, haben am
Samstag nnd- Sonntag na-hezn 300 000 Personen Ber-
lin verlassen, anf dem Stettiner Bahnhof wurden allein
80 000 Neisende abgefertigt. Trotz diesem ungeheuren
Verkehr nnd den -großen Ausfahrtschwierigkeiten ging der
Betrieb auf -dem Stettiner Bahnhor glatt vonstatten, da
nicht wenig-er als sechs Bahnsteige au-sschlietzlich für die
aussahrenden Züge v-orbehalten blieben, fo dah stets gleich-
Zeitig sechs Zü-g'e sür die Wfahrt zurechtgestellt werden
konnten.

— Remscheid, 10. Juli'. Wie die „Reimscheider Zei-
tung" meldet, ist die Leiche des Tech-nikers FIoeg, eI,
der ain zweiten Pstngsttage bei einer Ballonfahrt
verunglückt ist, in der Nordsee bei Nnmiden gefunden
worden.

— Bacharach, 9. Jnli. Seit 4 Uhr wütete ein
großerBrandinder Unterstraße im süd-lichen Teil.
Um 8 Uhr war die Feuersgefahr beseitigt. Zwischen der
Krahnengasse und der Zollstraße stnd sechzehn H ä u-
s e r, un-d zwar zwölf an der Stadtseite und vier an- der
Rheinseite abgebrannt.

— Eine kostspielige, aber bequcine Eisenbahnfahrt
leistete sich ein mit sein-er Familie Mittwoch früh A Uhr
4t Minuten mit dem Frankfurter Schnellzug in einem
eigens gemieteten Salomvagen in Nürnberg eingetrof-
fener Herr. Um rasch nach Märienbab zu gelangen, be-
stellte er bei der Bahnstation Nürnberg per svfort einen
Sonberschnellzug, der aus dem' Salonwagen nnd einem

Dienstwagen bestand. Dieser SonderZng, der bis Marien-
bad fast 700 Mark kostete und mit einer auhergowöhn-
lichen Geschwindigkeit von 90 Kilometer in der Stunde ge-
fahren wurde, konnte bereits vor 5 U'hr früh von Nürn-
berg abgelassen werden, so datz er scho-n um 7 Uhr 20
Minuten früh in seiner Zielstation eintraf.

— Das Tal des Todes. Der Pariser Krisgskorre-
spondent M. Lndovic Nandeau schildert, wie wir dem
„Neuen Wiener Tageblatt" ent-nehmen, einer der schau-
erlichsten Episo-den, d-ie stch- während der S-chlacht bei
Mukden abgespielt hat, wie solgt: „Zwischen Piennia-
Anpa-o und Kaotailing zieht stch ein lang-gestrecktes Tak
hin, das an beiden Seiten- steile Berge umsäumen-, dis
die Russen außerordentlich- stark befestigt hatten. Nuf die-
seZ Tal, durch das stch> die japanische Jnfanterie Hren
Duvchzug erzwingen wollte, saufte Tag und NAcht ein
Hagel von Geschossen nieder. Mber wä-hreitd die Projek-
tile der Mitrailleusen und der Gewehre den Boden be-
strichen, während die Schrapnels unaMfhörlich knatterten,
krochen die japanischen Bataillone langsani vorwärts. Es
war ein außerordentliches Schnuspiel. Die Soldaten
glitten wie Maulwü'rse in den Erdrissen dähin, sie krochen
geduckt zwischen Steinen durch, wobei jeder Mann übee
dem Kopf einen mit Erde gefüllten Sack hielt. Von Zeit
zn Zeit stürmten einige Schwärme voran, schaufelten mit
erstann'Iichtzr Raschheit manneshohe Erdhaufeir auf, brachen
von Kugeln getrvfsen nieder, hatten aber für diej-enigen,,
die Hnen folgten, kleine Deckungen gefchaffen. Das ging
 
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