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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 256-281 (1. November 1905 - 30. November 1905)
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Dienstag, 7. November 1905

Erstes Blatt.

47. Zahrgang. - Nr. 261

^rscheint täglich, SonnitagS auSgenomme«. PreiS mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. m's Haus gebracht, bei üer Expeüition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfennig.

Durch die Post bezogen vierteljährlich 1,3b Mk. «usschlietzüch Zustellgebühr.

^NzeigenpreiS: 20 Pfg. fur die Ifpaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklaniezeile 40 Pfg. Für hiefige Geschästs- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen
beftimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag üer Jnferate auf den Plaiattafeln der Heidelberger Zeitung u. den städt. Anfchlagstellen. Fcrnspr. 82.

Zu den Vorgängen in Nuhland.

, .So lange es sich darum haUdelte, in Rußland
. liichtung einer Verfassung, durchzusetzen, erschien die

h^Us gerichtete gewalttäige Belvegung als ebenso ein-
"ch wie stark. Geit 'der Veröffentlichung des Verfas-
^^lanisestes des Zaren hat sich das Bild geändert;
U,, ^kuck, der die Gei'ster vereinte, ift geschwunden und
? wachen sich die Unterschiede in den Bestrebungen der
ts„ H'^enge bemerkbar. Da sind die radikalen Revölu-
st, für welche die Revolution Selbstzweck ist, sie
s^i^Ui unentwegt fort, als ob das Manifest nicht er-
wäre. Da sind die besonneneren Elemente,
n "as Erreichte als Grundlage für die Weiterentwick-
^^ 8 anerkennen und zufrieden wären, wenn das, was
^bgiorung versprochen hat, in die Praxis Wergeführt
Aber auch die Anhänger der Zarischen Selbstherr>
yfo ^o-gen sich. J'hrer sind garnicht so wenig, als man
scs^?E und sie finden Bnndesgenossen in der Beamten-
fch lE, hch jyxg Arrsbeuterstellung durch die Konstitution
sy^^oht sehen, sodaß Witte klagt, er finde fiir sein Re-
tz 5^ierk nicht die nötigen Mitarbeiter. Zwischen den
'?8orAichen und den 'beiden an-dern Gruppen ist es
gisst ^ lnehrfach zu Zusammenstößen gekommen. Dann
dir Rußland, wie in allen Staaten, einen Mob, der

sy .^UordEM und Zuchtlosigkeit seine Freude hat, be-
h^oers weil sis 'Gelegenheit zum Stchlen und zuin Plüni-

sit v' ^^en. Ilnd wenn es gsgen die Juden gcht, dann
^>^^lleicht Mancher dabei, der sick) sonst doch genieren
Es scheinen ganz grenliche Ausschreitungen gegen
ftz^ ^u^den in verschiedenen Städten vorgchommen zu
^ Finland uno in Polen geht mit der revolutio-
^ ren Bewegung gegen das Polizeiregiment eine natio-
Hand in Hand. Finland ist bekaimtlich staatsrecht-
Zf. - fElbständig und nur durch eine Personalunion mit

llwr

z^ownd ve-rbunden.

Jn 'den letzten anderthalb Jahr-

Mi^u Hut man von Petersburg aus mit völliger Nicht-
zj/""6 der finnischen Derfassung Finnland zu russifi-
" Msucht und dadurch die an sich sehr ruhige Bevöl-
svg "6 des Landes aufs höchste ausgeregt. Sind doch
y^i^.^ulitische Mordtaten nicht ausgeblieben. Jetzt macht
^e, > " Nnnlnnd kurzen Prozeß, entwaffnet üie russischen
I"?rmen und schich sie samt dem Gouverneur heim.
stsj oicht tritt man in Petersburg in Anbetracht der Um-
^ei,v Rückzug an, zumal eine staatspolitische Not-
igkeit der Russifizierung Finnlaüds nicht besteht. An°
bj->, os mit Polen.

D^ols vor der

Dort wird die russisch>e Regierung
nationalen Bewegung kapitulieren.
Hloi dolen hängt R'ußland mit Europa zusammen.
lün bwe Wsonderung gewähren, hieße üie Stel-
^üUands als europäischler Staat erschüttern. Da-
^nlen yyx^ Rußland mit allen Kräften sträuben und
^nssifch^ Regierung, wird dabei Unterstützung bei der
des russischen Dolkes finden. Es sind sehr schwere

Zeiten über das Zarenreich gekommen, und zwar
rz 8Iich durch die Schuld der herrschen'den Klasse. Wird
ingen, aus den Wirren wieder herauszugelangen?

^enket der deutschen Krieger m Afrika!

g.^oros hatten mit tierischer Wut
^oiüordet, geschwelgt in 'deutschem Blut,

^rbrannten die Farmen und ohne Grauen
Ki^avchen sie Kinder und sch>änbeten Frauen.
^erwsistend hauste die tenflische Herde
g oich. mi-Iden Dämonen auf deutsch'er Erde,
si w. Htmmel auf schrie jed' 'blutige Lache

0 ford-erte Sühne, begehrte Rache.

s Kaisers Kriegsrus erscholl bald im Reich,
Un>^öülts Zu den Fcchnen in Scharen gleich,

^ " Klampfesbegler.de erfüllt die Gemüter,

Wtzt gilt es die erschlagenen Brüder.

^ üi Osten und Westen, aus Südeil und Nord
. ^ogen begeistert zum Kampfe mit fort,

' wetnt auch manch Mädel die Augen sich rot,

--<«v wohl, lieber Schatz, Neudeutschland in Not!"

^vnten im glutheißen Wüstensand,

Dn T.ropensoilne verzehrendem Brand,
haben' wie Löwen gefocksien^ gerungen,

, utschen' Soldaten, die wackeren Jungen.
jE^'^on, Kampse auf Leben un!d Tod,

I.^'ch'ritt und auf Tritt Vvn Gefcchren bedroht,
Ioigten der ganzen Welt sie aufs neue,

1 lebt ü e u t s ch e r Nk u t, noch gibt's deutsche

T r e u e.

zu tun, nänrlich das Volk zum vernünfttgen Gebrauch
derselben herauzuziehen. Die Slawen haben von
jeher nicht verstanden, sich selbft zu regieren, denn dazu
geh-ört Acküing vor üen Staatstnteressen, ehrliches Ar-
'beiten im öffentlichen Dienst, gerechter Sinn und mora-
lische Selbständigkeit. Das alles sehlt noch und es wird
bei dem Rassencharakter des Volkes schwer halten, ihm
diese Tngenden einzuimpsen.

DeutfKes Ncich.

— Jn Hannover hat sich unter dem Ehrenvorsitz von
'Frau V-izeadmiral Oldeco-p ein Ausschuß gebildet, der sich
an alle deutsche Frauen und Mädchen mit einem
Aufrus zur Bildung sines „Flottenbundes
deut -scher Frauen" wendet. Die Ziele, die dieser
Flottenbund versolgt, läßt folgender Satz 'des Aufrufs
erkennen: „Wie die winzigen, fleißigen Ameisen rastlos
die schwereil' Lasten züsammentragen, bis der große Bau
vollendet ist, so laßt uns Scherflein zufammentragen, bis
wir dsm Deutschen Reich ein ganzes großes Kriegsschisf
schenken kännen."

Baden.

.— Durch die landesherrliche Verordnung vom- 22.
Juli d. I., die Berechtigung der Mittelschu -
I e n betr., ist grundsätzlich cmerka-nnt, daß der Besitz des
vor dem Beginn des Stüdinms erlangten Reifezeugnisses
eines deutschen Gymnasiums, Realgymnasiums oder einex
deutschen Oberrealschule zur Zulassung zu allen Prüfun-
gen für den höheren Staatsdienst berechtigt. Gleichzeitig
ist die Revision der bestehenden Prüsungsordnungen an-
geordnet worden. Dementsprecheüd wird in der neuesten
Nummer des Gesetzes- und Verordnungsblattes eine lan-
desherrlichs Verordnung vom 22. Oktober d. I., die Vor-
bereitung zum höheren öffentlichen Dienst in der Justiz
und der inneren Verwaltung betr., publiziert, die in erster
Reih-e eine Abänderung der bisherigen Vorschriften über
die Zulassung zur ersten jurtstischen Staatsprüfung
brintzt. Küuftig! verleiht nicht m-ehr ledig'Iich das Reife-
zeugnis eines deutschen Gymnasiums, so-ndern auch das-
jenig-e eines deutschen- Realgymnasiums oder einer deut-
schen Oberrealschule d-ie Berechtigung, zur Zulassung zu
dieser Staatsprüsuntz,- uud wird von den Abiturienten
der beiden letztgenannten Mittölschu'Ien keinerlei weitere
Ergänzungsprüfung mehr verlangt. Für alle drei Urten
von Abiturienten ist das Prüfungsverfahren 'das gleiche;
um die Befähigung- der Kandidaten, die römischen R-echts-
quellsn in der Urspr-ache zu les-en und zu verstehen, festzu-
stell-en, werden künftig, allen Kandidaten in der schriftlichen
und, soweit erforderlich, auch in der m-ündlichen Prüfung
in weiterem Umfang als bisher gleichmäßig Fragen vor-
gelegt werden, die 'die Jnterpretation römischer
Quellenstellen zum Gegenstan-de hab-en- Da im Lehr-
plan dor Oberrealschulen die lateinische Sprache als obli-
gatorischer Lehrgegenstand nicht vorgesehen ist, trifft die
neue Verordnung an zweiter Stelle Vorkehrung dafür,
daß 'die auf Grund ein-es Wgangszeugnisses der Ober-
realschu'Ie Studierenden stch zu .B-eginn ihres Rechtsstu-

Zwar riß aus dem Busch nianch' tötliches Blei
Der Tapferen viele zu früh aus der Reih
Und fällte mit unhei-Ibringendem Stveiche
Zu Boden manch' vrächtige d-eutsche Eiche;

Manch Mütterlein schluchzte in wildestem Schmerz,
Es brach fast das arme, verwundete Herz,

Als man i'hr 'die traurige Kunde gebracht:

„Jhr Sohn starb als Held, er fiel in der Schllacht."
*

Das Schwert geschliffen, das Ziel

e r k a n n t,

Den Sieg zu erringen fürs VaterlaNd,

NurMut und dasPuIver trocken ge-

haIten,

Gott segnet des Kaisers schirmendes Walten!

Die Sonne der deutsch-en Tapferkeit
Die schwarzen W'olken siegreich zerstreut,

Du aber Heimat, da Weihnacht' nah,

Gedenk Deiner Helden in Afrika!
Heidelberg G. I. Dietrich.

— Perlin, 6. Nov. Eine Einladung> zur eiser -
nen Hochzeit hat dieser Tage, wie wir im „B-erliner
Tageblatt" lesen, der Kronprinz von dem 93jährigen
Hoftischlermeister Fritz Ferse auf der Straße in Potsdam
erhalten. Wegen seiner noch immer sehr großen Rüsttg-

diums in den Besitz der zum Verständnis der römischen
Onellen' erforderlichen Kenntmsse der latelnischen
Sprache setzen können, indeini sie für diese StudierenÄen
den Besuch vo.n Fort'bildungskursen in jener Sprache
w-ährend der ersten b-eiden Semester vorsieht. Für die
Zulassung zum >ersten Kurse haben die Abiturienten 'der
Oberr-salschulg sich bei dem Leiter des Kurses darüber
auszuweisen, daß sie sich lateinis-che Sprachkenntnisse in
dem ungefähren tlmifantz angeeignet haben, der der Reife
für die Prima eines Realtzymnasiums entspricht. Me
Zulassung zum zwei-ten Kurss setzt den erfolgreichen Be-
such- des ersten voraus. Der Nachw-eis des erfolgreichen
Besuchs bei'der Kurse i'st Vorbedingung für 'die Zulassung
der Staatsvrüsung.

Karlsruhe, 6. Nov. Aus zuverlässiger Quelle
verlautet, da-ß das Präsidium des Ba-dischen MiIitä r-
ver e i n s v er ba n d e s in> letzter Sitzung- bezügllich
der Stelluntz 'der Militärvereine zur SoziaIdemo -
kratie bei politischen Wa-Hlen einen Beschluß gesaßt,
der in der nächsten Nummer der Milttärvereinsblattes
verösfentlich-t werden soll.

Ofsenburg, 6. Nov. Auf einem Festbanket
zu Ehren des Landtagsabgeordneten Muser unterzog
Rechtsanwalt Dr. Rombach den bekannten Artikel der
„Karlsruher Zeitung" über das Wahlabkom'men des
Blocks mit der Sozialdemokratie einer Kritik. Er schlug
der Versammlung zum Schluß folgende Resolution vor:

„Die heutige, zur Feier des Wahlsieges des Blockkandida-
ten Muser zusammengetretene, äutzerst zahlreich besuchte Ver-
sammlung, bedauert lebhaft den in der „Karlsr. Ztg." vom
letzten Freitag erschienenen Artikel über „das Ergebnis der
Landtagswahlen", insbesondere die in diesem Artikel ent-
haltenen, durchaus unbegründeten Vorlvürfe gegenüber den
sogenannten Blockparteien und namentlich gegenüber der
nationalliberalen Partei. Die Versanimlung spricht ihre
Entrüstung darüber aus, datz das amtliche Organ der sich
selbst „liberal" nennenden badischen Regierung dem badischen
Volke die Freude an dem schwer errungenen Wahlsiege ver-
gällen will, einem Wahlsiege, der ja gerade die freiheitliche Wei-
terentwicklung des badischen Staatswesens sicherstellt und da-
her eincr liberalen Regierung besonders willkommen sein
sollte. Die Versammlung ist der Meinung, datz das Regie-
rungsorgan besser daran getan haben würde, wenn es ange-
sichts des matzlos hetzerischen und unzweifelhaft gesetzwidri-
gen Verhaltens der ultramontanen Geistlichkeit die Regie-
rung ersucht hätte, sich nicht mit papierenen, völlig wirkungs-
losen Protesten bei der Freiburger Kurie zu begnügen."

Die Resolution wurde -einstimmitz an-genonmten.

— Auch Direktor Hoffman- n, der konservative
Kandidat sür Schwetzintzen, tritt jetzt den- Rückzug a-n. Er
erklärt: Der- „Bad. Landeszejtun-g'" un>d ayderev liberalen
Blättern s-ei noch- bemerkt, d-aß nur Parteiübereifer ausi
meiu-er Er'klärung an mein-e Wähler eine Aufforderung,.
Zentruml zu wählen, 'hsrausgelesen hat.

Dayeru.

Nürnberg, 6. Nov. G-estern sand hier eine Zu-
sammenkunft von Vertretern der aus das Nürnberger
Landtagswahlprogramm vereinigtcn liberalen un-di
dem o k r a t i s ch -e n bayerischen Parteiorg-anisationen
statt. Die Versamm-Iung war z-ahlreich beschickt. Neben
dem rechtsrhein'ischen- Bayern waren zunc erstennm-l auch
die Pfalz durch> eine größere Anzahl von T-slegierten ver>

keit wird- der alte Ferse „der junge Herr" g-enannt. Sv
ist er auch 'dsm Kaiser un-d all-en Prinzen, die im 1. Garde»
rsgiment zu Fuß gedient h-aiben, bekann-t. Ferse w-o-hnt
schon seit etwa 60 Jahren in sein-em eigenen Hause dicht
b-ei der Kaserne des 1. Garderegiments zu Fuß. Als der
Kronprinz den alten Ferse, der im Mai nächsten Jahres
mit sein-er gleichsalls no-ch rüstigev Gattin seine erserne
Hochzeit zu feiern gedenkt, dieser Tage auf der Straße
traf, fragte er ihn: „Na, junger Herr, wann hab-en Sie
denn Jhre eiserne Hochz-eit? Jch möchie Jhnsn schon vor.
her gratulieren, falls i-ch nicht mehr 'hier 'bin." Ferse zvg
seinen! Hut und -entgegnete trocken: „Das 'lassen Sie
man lieber sind, Sis kriegen 'Einladung dazu", worauf
der .Kronprinz mit den> Worten: „Wir wollen mal
sehen, ob ich konunen kann", lachend seiner Wegs ging.

— Für zwei Millioncn Mark Gänse sind „abyanden"
gckoiiimcn, nämlich Gänse, die von deutschen Händlern in
Rußland gekauft waren. Ein kleinerer Teil ist bis Wa-r-
schan gelangt; da von dort aus a'ber der Eisen'ba-h-nbetrieb
eingestellt war und es auch an Jutter in-antzelte, so sahen
sich d-ie Behörden- veranlaßt, d-ie G-äirse, zunial unter der
Bevälkerung Mang-el an- Lebensm-itteln herrscht, zu ver-
stei'gern. Die an a-nderen- Stellen gebliebenen Tiere sind
wohl entw-eder gestohlen word-en oder verhungert. Der
Scha'den wird- aus 2 Millionsn Mark angsgeben, doch
trägt man sich mit der Absicht, die russische Regierung für
den Ausfall ersatzpflichti-g zu machen.
 
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