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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-203 (1. August 1905 - 31. August 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16474#0299

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« bestimmten Tagen Wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Vlackattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtiichen Anicklagslellen. Fernsprecher 82.

Die Fleischverteuerung.

. Nicht, ob unser Kaiser demnächst mit dem König von
^ngland zusammentrifft oder nicht, ift die Frage, welche in
Deutschland im Vordergrunde des Jnteresses steht. Was
^Nehx interessiert, ist dies: Ob die Regierung etwas tun
^ill und tun kann, um der Verteuerung des zum
sswnschlichen Verbrauch bestimmten Fleisches eine
^ chranke zu setzen. Fernerhin, ob die Reichsregie-
^>Ng oder die einzelstaatlichen Regierungen Willen und
^raft haben, in die Lohnkämpfe einzugreifen, die ausge-
urochen sind und weiter auszubrechen drohen. Ueber das
'Uecht und die Pflicht der Regierungen, bei Lohnkämpfen
owe andere Haltung zu beobachtcn, als die des abwarten-
°en Unbeteiligten — besser gesagt, Unparteiischen, der
Uur, wenn gegen die Duellregeln verstoßen wird, seinen
^und aufmacht, ist in den letzten Jahrzehnten die Urteils-
^skdung erheblichen Wandlungen unterworfen gewesen.
^rlbst in der verhältnismäßig kurzen Zeitspanne zwischen
Ausscheiden des Fürsten Bismarck aus dem aktiven
^ienst und dem letzten Sommer ist eine bedeutende Ver-
underung in den maßgebenden Anschauungen vor sich ge-
6angen. So wird es vielleicht mit dem Recht und der
Micht der Regierung, in die Regulierung der Preisver-
uältnisse bei notwendigen Lebensmitteln einzugreifen,
uhnlich ergehen. Daß Friedrich der Große es eine seiner
ärößten Sorgen sein ließ, die Bewegung der Getreide-
ureise so zu beeinflussen, daß ebenso der Getreidebauer,
^le der Getreidehändler und der an dem Preis des Ge-
leides nicht am wenigsten, sondern mit am meisten in-
^essierte Getreideverbraucher, der Fabrikarbeiter, jeder
^ seinem bestverstandenen Rechte gelangte, kann nicht
^Nen Grund abgeben, gegen die selbstverständlich bedingte
^lnmischung des Staates zu sprechen. Das Anziehen der
^eischpreise drückt auf ungezählte deutsche Familien und
entsche Einzeleristenzen. Demgegenüber eine abwartende
'daltung einzunehmen und sich aus dem Standpunkt zu-
^Eziehen zu wollen, den Pilatus einnahm, als er sagte:

as ist Wahrheit? und die Achseln zuckte, geht heutzutage
^ Deutschen Reiche nicht mehr an.

Unlängst fanden ministerielle Konserenzen in Schle-
wegen der Fleischteucrung statt. Die Kommissare

sie

ollten Zusagen gemacht haben, hinterdrein las man es
nders. Neuerdings wird mitgeteilt, die Vorsitzenden
^uitlicher Landwirtschaftskammern seien für den 11. Aug.

zu einer Konferenz im landwirtschaftlichen Ministeri-
?u nach Berlin einberufen, um über den Umsang, die Ur-
^chen und Wirkungen der neuerdings beobachteten Stei-
ä^rung der Fleischpreise, namentlich die des Schweine-
I.^lsches, sowie über die Aussichten über die weitere Preis-
lldung dem Minister Vortrag zu halten. Jm Zusammen-
!?uge damit soll die Frage der Preisnotierung auf den
^lentlichen Schlachtviehmärkten, sowie die Mitwirkung
Kammern bei Bekämpsung der Viehseuchen erörtert
^rden. Ob darin, daß die Frage der Preisnotierung
.V den öfsentlichen Schlachtviehmärkten erörtert werden

loll

cin bescheidener Anlauf der landwirtschaftlichen Ver-

KLeine ZeiLung.

^ Darmstadt, 10. Aug. Der Großherzog hat das
^ ll n a d i g u n g s g es u ch des Rau b mörders
^dde abschlägig beschieden.

Si

^ 15

Straßburg, 10. Aug. Vor dem Oberkriegsgericht

Armeekorps hatte sich lt. „Franks. Ztg." Unteroffi-

Niiil Elsner vom Fuß-Artillerie-Regiment Nr. 10 wegen
kchvhandlung Untergebener zu verantworten. Elsner schlug Re-
während des Dienstes, gab ihnen Ohrfeigen, knisf sie,
ih^le ihnen die Nasen und lietz sie in der Nacht aufstehen, um
jn, Sachen zu puhen und Knöpfe wieder anzunähen, die der
kch^coffizier von dcn Monturen abgerissen hatte. Einen Re-
lllvi öog er am Ohr, datz cs oben einen Ritz erhielt und stark
Einem anderen schlug er die Zähne mit einem Seiten-
blutig. Dem Rekruten Grimpelbeck befahl er, sich völlig
cntkleiden. Er lietz dann von Kameraden mit Hilfe einer
sirn zelbsirsw don oben bis unten den nackten Körper des Re-
abreiben. Vom Kriegsgericht war Elsner zu fünf Mo-.

Gefängnis und Degradation verurteilt worden. Gegen
stir ^ llrteil legte der Gerichtsherr Berufung ein. Das Ober-
N j dsgericht verurteilte Elsner zu einem Jahr Gefäng-

Und Degradation.

Dic Muttcr als Erzieherin. Du sollst Geduld haben!
h Kind ist unartig und unfolgsam. Schon hundertmal
i>r, ^ ihm etwas verboten, und es tut das Unrechte doch
wieder aufs neue. Es soll nicht im Wasser hernm-
sg ^lchen. Wie oft hast Du Deinem Töchterchen das ge-
es einer halben Stunde noch. Und nun siehst Du

H^.^ußen in der frischen Pfütze, die der Regen eben her-
chlet hat, munter herumpatschen. Das Wasser spritzt

waltung zu erkennen ist, ein Mittel zur Anwendung zu
bringen, das für geeignet erachtet wird, eine Unterlage zu
bieten, um der Uebertreibung der Spannung zwischen
Großhandels- und Kleinverkausspreisen entgegen zu wir-
ken, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist es zu begrüßen,
daß sich endlich eine maßgebende Stelle der Regierung be-
reit zeigt, aus dem Zuftande des neutralen Beharrens
einer so wichtigen Lebensfrage der Nation gegenüber her-
auszutreten.

Deutfches Reich.

— Aus M ü n ch e n, 10. August wird der „Franks.
Zeitung" sterichtet: Jn der SchluWtzung des ZentraI-
perbandes dier deutschen Bäcker wurde die
Schaffung eines all'gemeinen deutlschen Ar-
b e i t g e b e r v e r b a n d e s sür das Gäckergöwerbe als
nötig erklärt, doch bleidt die Beschlußsassung üb-er den
A-nschluß der.Zweigper-bände vorbchpItM. Zur Bestrel-
tung der Kosten wurde ein Monatsbeitrag von- 50 Pfg.
sür den Meister und 7 Psg. für j-eden b-eschäftigten Ge-
Hilf-en vorgeschlagM. Zu'm Referat üiber die S-chädigung
der Bäckereien dürch die Konsumvereine wurde be-
s-chlossen, die Reichsregierung um eine Reform 'des
Ge n o sse n s chä ft s g esetz es zu ersuchen. Gegen
chie Schädigung der Bsickereien durch Brotfabriken
und Mühlen -wn-r'de eine scharfe Protestresolution be-
schlossen und insbesonders gegen Hftüdelsmühlen, die
Brotfa'briken erri-chten.

— Die Zentrumsblätter raisonnieren gegenwärtig
stark über VerletzungdesBudgetrechtes, weil
am 21. Juli 300 Mann nach Südafrika abgegangen sind,
die nicht zur Ausfüllung der Lücken, sondern als Verstär-
kung anzusehen sind. Das sei eine Kränkung der Ver-
fassung. Der Reichstag hätte einberufen werden müssen.
Es scheint, das Zentrum suche Händel mit der Regierung,
denn sonst würden seine Blätter schwerlich solche Anschul-
digungen und Forderungen erheben. Man nehme einmal
an, die Regierung hätte wegen der 300 Mann den Reichs-
tag zusammenberufen; dann hätte alle Welt gesagt, die
Hitze scheine stark auf sie eingewirkt zu haben, denn sonst
hätte sie wegen einer Bagatelle den Reichstag nicht inkom-
modicrt. Und, wäre überhaupt ein beschlußfähiger Reichs-
tag zusammengekommen? Das ist doch höchst unwahr-
scheinlich. Dazu nehme man die Wirkung einer Einbe-
rufung auf die politische Welt! Es muß doch etwas be-
sonderes los fein, hätte man gesagt, wenn die Regierung
mitten im heißesten Sommer den Reichstag zusammenbe-
ruft. Eine grotze Beunruhigung wäre eingetreten, Mil»
lionen -wären verloren gegangen. Und die Zentrums-
presse? Die hätte dann wahrscheinlich geurteilt, die Re-
gierung sei von Gott verlassen, da sie einen solchen Streich
machte; es habe der Reichstag doch nachträglich schon
mehrmals für größere Unternehmungen, als diese Ent-
sendung von 300 Mann, Genehmigung erteilt.

— Die vorgestern als Antwort aüf dte Ansprache
des Erst-e-n Bür-gertneisters gehältene Rede 'des Ka i -

hoch auf, Strümpfe und Kleider sind durchnätzt. Das siehst
Du mit Schrecken, und Dir steigt das Blut zn Kopse. Jn
Deinem bitterbösen Zorne siehst Du garnicht, wie Demem
Kinde die höchste Lust aus den Augen leuchtet. Du siehst
nur die nassen Strümpfe und Schuhe und das unartige,
ungehorsame Kind. Und der Zorn und der Schmerz
überwältigen Dich, und Du schreist Dein Kind an und
strafst es schwer: „Wir oft habe ich Dir das verboten, Du
bist ein schlechtes Kind, ich mag Dich garnicht mehr leiden.
Was soll aus Dir einmal werden!" Beruhige Dich, auf-
geregte Mutter! Dein Kind wird nicht schlechter, als alle
die anderen Kinder. Dein Kind trägt das Gei'etzbuch nicht
fortwährend im Kopfe. Und die Gesundheitsregeln noch
viel weniger. Glücklicherweise nicht! Es wäre schlimm
um das Kind bestellt, es wäre ein naseweises Streberchen,
wenn es bei jedem Schritte und bei jedem Handschlag erst
immer vorher an die hundcrt und tausend Vorhaltungen
denken würde, die Vater oder Mutter ihm seit Jahren —
selten in Ruhe, zumeist im Zorne — gemacht haben.
Frage Dich, Mutter, ob Du Dich bei allem, was Du tust,
auch jedesmal vorher reislich prüfst, ob Du es darfst oder
nicht darfst. Was würde ein Erzieher zu tun haben, der
Dir jedesmal zurusen sollte: Das darfst Du nicht, wie oft
habe ich Dir das gesagt, daß das nnrecht und falsch ist!
Sollst Du nun Dein Kind ruhig weiter im Wasser pant-
schen lassen? Gewiß nicht! Du sollst es herausholen, Du
sollst ihm anch Vorhaltungen machen, aber nur in kurzen,
bestimmten Worten und ohne das sürchterliche Ausgebot

sers in G-n.esen (unter anÄerm mit der Mitteilung,
'datz thn der verstorbene Papst Leo XIII. bei dwn Be-
such^ in Rom gesegnet und -die Treue aller Katholiten
im deutschen Reiche verbürgt habe) macht überall gro -
tz e s Auf'sehen; man legt i'hr eine Bedeutung bei, die
'weit über den Tag hinaus'g-che.

i — Der Kaiser ernannte isich zmn C'hef 'des Re-
giments JÄger zu Pser'de unter Werl-eihung seines Na-
mensguges.

Baden.

' — „Die „VandesZeitu-n-g" smpsichlt, datz die Vertre-

ter und MWar'beiter der Ii -b> eralen Press,e ip un-
seröM! Lande sich z u s a mm e n s ch l i e tz e n möchten.
D-as ist ein schr z. e i tgeM ä tz e r und darum glückli-
cherGedan k e. Wir glauben -au-ch, däh er sich leicht und
erfolgrei-ch durchführeu lietze, wenu Bemaud seine Ver-
wirtlichun'g iu die H-and nähjme.

KprIsr u h- e, 10. Aug. Die „Karlsr. Ztg." schreibt:
Der badi-sch-e „Land-smann" brachte vor einigen Tagen die
Mtteilung, datz ma-n in Kärlsruhe in ein-em Eilg'üterzug:
,eiuen Personenwagen gäsehen 'habe, der am vor-
Äeren und hinterm Deil die Zahl III, in der Mitte IV.
und unteu die Worte >Großherzogli-che Bpdi's'che Staats-
eisenbä-h'neu getragen 'habe. Die Presse hat dtese Mittei-
lung verschiedsn beurteilt. Eiüige Blätter haben sie für
eine Zeitungsente erk'Iärt, die wirklich ernsthäft nicht de-
-men-tiert werden könne, an-dere Wlätter nahmen die Mit-
teilun'g. als zutroffeuld än unÄ begleiteten sie mit Erör-
teru'ngen darüber, datz idie bädische Regrerung bereits Wa-
-gsn 4. Klasse habe bauen I-assen. Zur Abwe-Hr letzterer
P-ermutung sind wir iermä-chtigt, den Säch'perhalt darzu»
legen, der zu der Wahrnehmung des 'b-adischen „Lands-
manns" geWrt ha-ben mag. tznteresse der L-eutschen
Rhederei- haben die badischgn Staatsbahnen i'm Verei-n
mit den preußisch.-hessischen Staatsbahnen die Einrich-
tung getroffen, däß die italienischen und- sHweizeri.schen
Muswanderer in verein'barten, dem Abgang der Schiffe
,in Bremen und Hamburg' angepatzlen- Kursen befördert
iwerden. Hierzu laufen besondere Wagen vou Bäsel bis
Wm Seebaiou durch, die auf den sü'ddeutschen Strecken
jals Wa'gen 3. Klasse, auf den preutzisch-hessischön Strecken
äls W-agön 4. Masse gelten. ll'm. dies Zu kennzeichnen,.
Iwurden badische Wag'en 3. Kl-asse- über der Z-a-HI III nnt
Mappschildern versehen, die in Frankfurt a>. M. herab-
getlappt w-evden und d-ann aus den Preußisch-Hessischen
Stvecken die Zahl IV z-eigen. Aüschei-nend wurde, als
der W-agen leer zur Wiederbenützung nach Basel zurück»
li-ef, in Frankfurt a. M. übersehen, den Klappschild wie-
'der hinauszüklappen. -Eine Bödeutung hat übrigens we-
der die -Zahl III noch IV, solan-ge der W-agen leer in
>einsm Ä-em Personenver'kchr nicht dienenden GüterZUA.
lief. Diöse Darl-egung dürsts wohl beweissn, 'd-atz es sich
üicht empsiehlt, aus derartigen Wahrnöhmungen ohne
üähere Ausklärung des Sa-chverhalts weitgöhend-e Schlüsse
zu ziehen.

Karlsruh e, 9. Aug. N-ach den bisher gemächten
Wahrnchmungen und Erfahrungen scheint sich das im
Jähr. 1890 erlassene, im Jahre 1898 uud 1904 revidierte

an moralischer Entrüstung. Du sollst nicht durch schreck-
liche Ausrufe dem Kinde den Glauben an sich selbst zer--
stören. Das Kind darf es und soll es sühlen, wenn es den
Eltern Kummer bereitet hat. Das Kind soll gehorchen.
lernen. Das Kind soll daran gewöhnt werden, das
Schlechte, das Falsche, das Ungehörige, das Gefährliche zw
Meiden. Aber Du mußt das nicht durch einige errsgte, in
der Aufregung heraüsgeschleuderte Verbote und Gebote
erreichen wollen. Durch ruhige, konsequente Gewöhnung,.
durch kurze Bestimmtheit erreichst Du viel mehr, als durch
lautes Schelten und leidenschaftliche Verwünschungen und
Ausrufe. Eine Mutter muß Geduld haben. Durch un°
geduldiges Zerren und Reißen bringst Du die Knospe-
nicht zur Blüte, sondern zerstörst sie. Wenn Dein Kind,
die zarte Menschenknospe, schön erblühen soll, so zerre und
reiße nicht daran, sondern übe Dich in Geduld!

Literarifches.

— K Ameeika-Hcft der „Musik für Alle". Das soeben zum
Preise von 50 Pfg. im Verlage von Ullstein & Co., Bcrlkn, erschek-
nende Heft 11 der bekannten Notenbibliothek gelangt als besondereS
Amerika-Hest zur Ausgabe. Die Nummer veranschaulicht treffend
den angenblicklichen Stand der amerikanischen Musik. Eine Reihe
der schönsten Volkslieder und Nigger-SongS. der keck-ausgelassenc
Cake Walk von Keriy Mills, „Nnsus, das Pfeif.Gigerl", daS
graziöse Tanzstiick von Anthony „Jch tanz' mit meinem Baby",
ein zündender Sousa-Marsch, ein mit vielem Geschick indianische
Motive verwertendes Lied von Mullen „Drunten am Brandywine-
Fluffe". Komposittoven von Mac Dowell und Artur Btrd bilden
den Jnhalt des reichhaltigen Heftes. Bei der großen Vorliebe deS

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