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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 204-229 (1. September 1905 - 30. September 1905)
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Sarrrstag, 9. Septernber 1905. Erftes Vlatt. 47. Jahrgaug. — Nr. 211.

Lrscheint täglich. SonntagS auSgenommen. PreiS mtt Familienblättern monatlich 50 Pfg in's Haus gebracht, bei der Expedttion und 'oen Zweigstatlonen abgcholi 40 Ptg Durch die Post

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an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate anf den Plackattafeln der Heidelberqer Zeitung und den stadtiicken Snickiaastellen Fcrnipiecker 82.

n ^ _» .. .... .---»

Der Nutzen friedlicher Lohnbewegungen.

S.R. In den verschiedensten BerufsKweigen. haupt-
sächlich im Baugewerbe. in Brauereibctrieben und in der
Metallindustrie sind in der letzten Zeit wieüer hart-
näckige Kämpfe zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
durchgeführt worden. die auf beiden Seiten großen Scha-
den oerursacht haben. Es soll hier nicht darauf einge-
gangen werden. wen im Einzelnen die Schuld fiir dieKk
Kämpfe trifst unü in welcher Weise dadurch das Verhült-
nis zwischen Unternehmern und Arbeitern vsrschärft
wird, sondern es soll hier nur durch ein Beifpiel aus
dem Praktischen Leben nachgewiesen werden, welchen Nut-
zen im Gegensatz zu der durch hartnäckige Mmpfe durch-
geführten Lohnbewegung oie friedlichen Bewegungen stif-
ten. Nach einer Verbandsstatistik dcr Lohnböwegungen
'-m deutschen Holzgewerbe für das vergangene!Jahr wur-
den insgesamt durchgeführt 241 Angrifssstreits, 15 Aus-
fperrungen und 105 Abw-ehrstrriks. B-ei den Angrifts-
streiks wurden gezählt 254 941 verlorene Arbeitstage
uno 1 049 597 Mapt' an entgang-enem Arbeitsverdien'st,
bei den Aussperrungen waren es 138 975 verlorene Ar-
beitstage und 661 977 Mark und bei den Abwehrstreiks
23 299 Arbeitst-age und- 90 963 Mark an entgangenem
Derdienst. An den 361 Lohnkäni'pfen dieser 3 Kategorien
wurden insg-esamt verloren an Arbeitstagen 417 216 uno
an Arbeitsverdienst 1 802 637 Mark. Zioht man noch- den
rein materiellen Schaden der Unternehmer in Betracht,
der durch Stillegung der B-etriebe, Verlust an Aufträgen
-usw. hinzükommt und bedenkt man, daß auch oft bei
Lohnkämpfen andece Berufe in Mitleidenschaft gezogen
werden infolge ungenügender Materiallieferung und aus
bnderen Ursachen, so erhält man ein Bild, welchen volks-
vürtschastlichen Schaden plötzliche Unterbrechungen des
Arbeitsprozesses allein in einenr Gewerbe ausüben.

Demgegenüber ist es von Interesse, auf die zahlreichen
friedlichen Lohnbewegungen 'hinzuweisen, welche im ver-
gangenen Jahre gleichsalls im deutfchen Holzgöiverbe ver-
ein-bart -wurden. Jhre steigende Zahl beweist, daß ihr
Nutzsn auf beiden Seiten immer mehr anerkannt wird.
Don 38 im Jahre 1902 unü 252 im Jahre 1903 stieg
die Zahl der friedlichen Lohnbewegungen im T-ahre 1904
auf 468. Daß es fich b-ei diesen friedlichen Lohnbewegnn-
gen nicht etwa in der Hauptfache um Zurückiveisung von
Derschlechterungen der Arbeits- nnd Lohnverhältnisse
'handelte, sondern um IVerbesserungeii wie -Herabsetzung
der täglichen Arb-sitszeit, Erhöhung der Löhne, Einfüh-
rung von bestimmten dNinimallülinen, Akkordtarifen und
dergleichen, geht aus der gem-achten Ausstellung -hervor,
nach pxx tzgn diesen sriedlichen Bewegungen 416 Angriff-
und nur 63 Abwehrbewegungen waren. Es ist daraus
iu ersehen, daß auch die Unternehmer schon in großem
Amfange Entgegenkommen zeigen, w-enn sie Zugeständ-
uisse machen müssen. !In einem Falle (in Breslau) wurd-e
Dne friedliche Lohnbewegung durchgeführt. an der 400
Detriebe beteiligt waren. Beteiligt waren an diesen
Lohnbewegungen 32 435 Arbeiter; da ein Angriffsstreik
sm vergangenen 'Iahre durchschnittlich 22 Tage dauerte,
W läßt sich b-erechnen, welcher Verlust an Arbeitstagen

und entgangenem Arbeitsverdienst durch disse friedlichen
Vereinbarungen verhütet worden ist. Ebenso sind Ns
Unternehmer vor großem materiellen Schaden bewahrl
worden. Ein besonders großes Jnteress-e hat die Arbei-
terorganisation an den Lohnböwegungen ohne Arbeits-
niederlegung unö ohne Ausfperrung. denn während an
rund 20 000 an den Streikböwegnngen beteiligte Mitglie-
der 1 119 476 Mark an Unterstützungen ausbezahlt wer-
den mußten. wurden von den friedlichen Lohnbewegungen
422 ganz- o'hne Kosten und 46 niit dem geringen Kosten-
aufwand von 1487 Mark durchgeführt. Jst somit der
Worwurf nicht mehr berechtigt, daß die Gewerkschaften
reine „Streikorganisationen" seien, liegt es Vielmehr auch
ln ihrem'Worteil bei N-euregelung der Arbcits- und Lohn-
'bedingungen ohne Kümpfe zu feslen Vereinbarungen zn
kommen und z-eigt sich bei vielen Unternehmern gleichfalls
größeres Entgegenkommen bei Lohnfordernng-en, so ist zu
hoffen, daß diese friedlichen Lohnbewegungen sich immer
'weiter ausbreiten. Sind schon im vorigen Jahrc im
Holzg-ewerb-c dic friedlichen Bewegungen weit zahlreicher
gewesen, als die Mmpfe, so kann bei genllgender Ein.
sicht auf beiden Seiten daraufhin gewirkt werdcn, daß die
Kämpfe nur noch Ansnahmen bilden.

Deutsches Neich.

— Aus angeblich vorzü-glich unterrichteten Kreisen
erfährt die „N-ationalzeitung", daß b-alü ein Wechsel
sin der Leitung d-es M' i l i t ä r k -a b i n e t t s ein-
treten wird. Der jetzige Chef, iGeneralleutnant Graf von
Hülsen-Häseler, der Jahre Inng als person-a gratissima
beim Miser galt, soll sich der Gunst des obersten Kriegs-
herrn nicht mehr in dem Maß-e erfreuen wie'Mher. Äls
der komnienüe Mann wird der Gener-alleutnant von
Mackensen, Kommand-eur der 36. Mvision in Danzig,
bezeichnet, der anch Generaladjutaist des Misers ist.

— Bcim Empfang dcr amerikanischen Parlamen-
tarier soll der K aiser über die gelbe 'G efahr ge-
sprochen h-aben. Einer der Aib-geordneten, Akac Nary,
hat darüber sogleich der „Newyork Timcs" telegraphiert.
Dan-ach soll si-ch der Miser „a-ußerordentlich frei" ausge-
fprochen haben. Er hab-e gesagt, die Iapaner würden ihre
mllitärischen Erfolge dazn 'benutzen, die offene Tür zu
fchließen und durch ihre Verfügung übec billige Arbeit
Europ-a und Amerika aus den orientalischen Märkten
hinausdrängen. Die Iapaner, soll der Miser dann ge-
sagt haben, wllrden indir-ekt China besitzen; die deut-
schen militärischen Tnstrukteure hätten 'sie entlassen. -Es
sei nötig, daß üie w e i ß e n N a t i o n s n sich der gölben
Gefahr entgegenstemm-en, indem sie sich einigen. Die
einzige Macht, vor der Japan Furcht hab-e, sei Anierika
und es sei gut für die Welt, daß die Vereinigten Staaten
dem japanischen Reich benachbart lägen. Zu dein ameri-
kanischen Abgeordneten und Pazifisten B artholdt
habe der Daiser noch- gesagt, er s-ei vom Zaren ge'beten
worden, den Präfi'denten Roosevelt zu ersuchen, e r
möge die Leitung der Verhandlungen zur Herbeiführung
einer Friedenskonferenz übernehmen. Man darf bezwei-
feln, daß die Aeußerungen des Kaisers,zn Herrn Mac

Nary gerade so gelantet haben. Der Amerikaner mag
Worte und Wendungen falsch verstanden oder in falscheni
Zusammenh-ange wiederg-egeben haben.

Baden.

M u d a u, 6. Sept. Jm ultramontanen „T. u. Fr. B."
lesen wir: Gestern saßen wir im N-ebenzimmer des hie-
sigen „Engel" vi-ele Landwirte der Umgegend und auch
Herr Professor Köhler ans Pforzheim, der seine Ferien
in seiner Heimat Steinbach zubringt. Plötzlich erhob sich
ein Herr Trunk aus Scheidenthal, enipfahl Herrn Köhler
als Landtags-Kandidaten und ließ ihn hochleben. Herr
Köhler v-erwahrte sich hierauf dagegen, daß man oieses
Zusammensein et-wa als eine Wa'hlversammlnng betrachte,
ließ aber durchblicken, d-aß er dör richtige Mann
fnr dey, Bezirk sei.

E t t l i n g e n, 8. Sept. Der Bürgerausschuß hatte
gestern Abend über die Frage einer Landtagskan -
didatnr des Bürgermeisters Häfner zu entscheiden.
Die Sitzung war nicht stark besucht. 36 Mitglieder stimm-
tcn mit Nein, 8 mit J-a, Bürgermeister Häfner kann da-
her die Kvndidatur nicht annehmen.

Aus der Karlsruher ZeituRfl.

— Zum 9. Septe'm'ber sin'd clne große Anzahl -von Titel -
erhähungen und- Ordensausze ichnu ir -ge n erfolgt.
Wir lgebcn- daivon für he-ute bie -folgenden wie-dcr. Es wurden
ernanm-t: Aum O^beringenicur der Bahnibauinfpe'ktor Walter
Schwarzmann 1n Eber-bach; gum Goh, Rat 2. Klasse der
Gelh. Hosrat Dr. Adalbert Merx <rn dcr Unavcrfit-ät Heidel-
berg: zu Geih. Hofräten die Professoren Hofrat Dr. Friedrich
v. D ü.h n , H-ofrat Dr. Kar-l -v. L il i e nith a l, Hofrat Dr,
Fvitz Nenmann, H-ofrat Dr. Geovg Jellinek, Hofrat
Dr. Oslwald Vierordt und Dr. Friedrich Endcm-ann
an ider Universität Heidelihevg, Hofrat Dr. Max -Schotte-
li,ns, H-ofrat Dr. Gustav Ste-inmann und Hofrat Dr.
Foanz H i mstedt an -der Un-iversität Freiburg, Hofrat Ernst
Bra-ue-r und Hofrat -Engelbert A-rnold cm 'dcr Technischen
Hochschu-le in Kar-lsruhe, -der Direktor des iBertihokds-Ghmi-
nafiüms Hermann S-chmalg in- Freibnvg, sowie dcr Krcis-
schulra-t, Hofrat Hermann Strü'be in Heideillberg; zum Me-
d'izinalrat 'der Direktor der Heil- -und Pfle-geanstalt Wiesloch,
Dr. Max Fifcher; zu'm O'berrc-vifor der Rcvnor Jokcf
Winterer in Heidelbcrg. Es -wurde-n vcrliehc.i: das Nit-
terkreuz 1. Klasse des Or-dens ,vom Zähringer Lüwen: Lem
Oberbetriobsinspektor Ertvin Meyr in Gbcrdach und dem
Postdirektor Balthasar Le-u-thn-er in Heidclbccg; d:e große
goldenc Vevdienstinedaille: Lem Filialmagazinsmestter Fost-f
Baus in He-i'delberg, 'dem Oberbahnmcister Wi-lhelm Götz
in Heidelberg; üie k-leine golde-ne Verdienstmedaille: den Loko-
nwtivlfühvevn Philipp Kcttcm- ann, Josef -L ö s ch, Wilhelm
Grotz und dem Oberschaffner Konrad Banschen'bach in
HeideWery; die silberne Verd-ienftme!daille: dem Pfövtner Joh.
Letzeisen in Heidc'lbe-rg, 'den- .Bahnwävtern Pius Schreck
a-uf -Waritstation 153 der Odenwaldbaha, Stcphain Schäfs-
ner auf Wärtstation 10 der Meckesheiimi-Jagstfelder Baihn,
Friedvich Gafsevt auf Wartstation 1 der Hei>delberig-
Speyercr Bahn, Jüliuis Schruft wuf Wartstation, 33 der
Ncckavtailbahn, Kavl Branch aüf Wartstation 48 .der Oden-
waWbalhn, dem Schasfner Otto Schwörer ln Hci'dellibevg,
'den Balhüwärtern Michael Heck auf Posten 69, Geimarkung
Hohcinsa-chfeni -imd Balen-tin Heck auf Poften 68, Gema-rknnig
Lütze'lfachscn, idemi Oberpostschaffner He-inrich Wo-ntemps
und de'mi IBviefträger Scbaistian A r no l'd in, Hei.döliberg. Fer-
ncr wurderr vcrliehen!: üom' Orden vomi Zlchvin-ger Löwen:
das Komimanideurkreüz 2. Klasse: idem- Gch. Rat 2. Klässe Dr.
WAHelimi Win'-delband an- der Un-iversität Heidelberg ,und

Heidelbersier Kunstverein.

Willy Hammacher.

Wcnn nicht alle Zeichen- trü-gen, so gchörte Hammacher ein-
l^al zu jenen glücklichen Ma-lern, 'welche einen Mittelweg ge-
tunden hatten zwischen den künstlerischen Fragen ihrer Zeit
Und 'dem Geschmack -und Wunsch des Püblikums, das dicsen
stragen naturgemäß frcmd gLgenüberstcht. Solch-c Künstler
Hud^ ,,-glücklich"; sie gehen an Abgründcn vorüber, ohnc sie
sehen, sie rasfen auf allen iSeitcn Güter des Könnens und
wnimen, ivollbcladen mit Schätzcn, kaum be-greifend, iwarum
undern der Kamps univermeidlich bleibt, und der Sieg erst
am Ende eines Hel'denlebens winkt. -Gerade dadurch, daß -der
p^schaüer iwohl einen Züsammenhang mit tiefercn 'Problemen
ju ihrcn Werkcn wittert, sie aber in einer Form dargeboten
ufht, die es ihrn erlaubt, ih-nen unbedingte Znstimmung zu
wrüiuen, dah erne güwissc geistige Tätigtcit von ihm verlan-gt
wrrd, eben genü-gend, u-m ihm die Befriedigung des Lösens zu
f^reiten, wird er zum Greund dreser Kunst; nnd sie 'wird ihm
Maßstab. Ein Maßstab, mit ivelchcm cr zuweilcn auch
u-ach jeucr Kunft schlägt, die zu groh ist für den Maßstab.

. Wer Ge'legenheit hatte, Hantmacher's Weg zu beobachten,
wird nicht umhrn können, dem. Künstler unbe'dingte Achtung
Lr zollen. Das Ziel lag schon ini Anfang; es rnuß eine lei-
scUichaftliche Liebe ge-wesen sern, die soviel Konscquenz ver-
. llud Hammacher 'waüb mit Erfolg. Auch i'hrr trieb die
^chnsucht dcs Deutschcn hinunter in dcn leuchteüden »süden.
or? A^iitelmecr ist scine Liebe! Er hat es bezwungen. Es spie-
^ ...uch in- seinen Werken, es lacht und grüßt, es lockt, es
ertuhrt, ^>K grollt und predigt in ihnen. Das tiefe, tiefe
^jau, in dem wir verisinken möchten, das Dürer und B ö ck-
jst n be^auberte; die flüchtigen Lichter, -die goldene iSchleier
Wer die braunen derben Klippen und die hochaufrau-
lwende Wellc; die nimmerrastende Gewalt, -die scheinbar aus
Unendlichkeit tommed, in unübersehbaren flimmernderl
;w«)sermassen daherfegt, unqenressene, große Linien nm die

^eüe zrehend

im rasettden -Schwung, daß un? Schwindel er-

greift und wir mitz-uschwingcn glau-ben; die opalschi-mmernde
Dämrnerung, 'wenn das Mcer- stille liegt, und dcr -Wieder-
schein einer blassen Wolke über die grünlichen Flächen ,wallt,
wenn die Welle ausgetobt hat und nun h-erankom-mt, sich still
zu unferu Füßen niederlcgt, viclfarbenen Dunst mit sich
süh-rcnd, wenn Himürel und Wasser sich ivermählcn hintcr
almant'inroten Vor'hängen; alte Ma-uern, die mit deim Fe'lfen
verwachsen sind, der sie trägt, und jahrhunderte lang der Wut
Les Meeres trotzen, das sie doch zuletzt mit hinunterreißen
wird in- dic Trefe; die ui.rschcirrl-iche gellhie Stunde, da die
Felscn rötlich-schwarz im iSchatten' steheii, ein fahles Licht die
See 'bescheint, daß Mau zu Hellgrau und Grüu zu Weiß wird,
wenn silbernc Kroncn auf Tansen-den grünlichgrauer Wellen-
rossc h-eranreiten und plötztich das Bteer aufstcht wie ein gclber
Löwe, Furcht und Schrecken vor sich herjagend.

Hammacher hat all diese Stunden crlebt und die Aiittel
gefundcn, uns >von ihn'en zu erzählen. Eiu- großes Könnerr
rst die Voraussctzun-g hiezu. Ob er an der Gefahr deS Vir-
tuosentums unbeschädigt vorüberkommt rst Lie Frage, von wel-
cher seine Aukunft abhängt. Es hat den Anschein, als oh er
sich neuerdings anderen Gebicten zuwendete; äls 0b er don
ider äbsoluten Hingabe an den Gegenstand spiner Liebe fort-
schritte zu eiuem mehr artistifchen Aufbau des Bi-ldes. Seine
frü'heren Meerbilder sind Erle'bnisse, äußerst einfach, ja man
kann sagen, primitiv tonstruiert. Ks war eine 'Form des Na-
turalismus, die dem Publrkum gcläufig und erwünscht schei-
ncn mußte.

Wird dieser frü'here 'Hamlnacher, den wir auch in ernzel-
nen der hier ausgestellten Werke finden — „Zwischen Klip-
pen", ,,-Blick ins Meer", „Mlsenküfte bei Rapallo" — dem
spätern zum Siege veühelfen? Wer „das Bild" sucht in dcr
Malerei, 'wird ivorr den später entstattdenen Werken befrie-
digter sein. Dcr Unterschicd zwischen 'dcm Dekoratiben im
Bilde, das uns H-cutigen unerlahlich dünkt, und dem Wlde,
das nur Dckoration ist, läßt sich bei Hammacher deullich nach-
weifen. Das in St. Louis detorierte Bild hat trotz der
unbedingt anzuerkennenden Grüße des malerrschen Könnens

für 'den imodernen Geschnrack etwas von einer Theaterdekora-
tion. Mancher mag übcvwältigt sein -von der Naturgewalt,
die hicr ein Denkmal fand; mir scheint es auf dcn Effckt ge-
malt: „Schaut her, was ich kann." Daß der Künstlec dagcgen
die Fähigkeit bcfitzt, die 'Fläche zu fchm-ückcn, so daß das Auge
mit Befrie'digung sich einem Genusse ergibt, der rhnr allcin
gehört, zeigerr die „Alte Brücke", und der „Blick auf Camvglr",
beides Bilder, -wclche dcrbei alle an-dern Vorzüge Hsimmachers,
seine technische Mersterschaft, sein Naturgefühl und seine
empfänglichen Sinne nicht vcrmissen lassen. Seine Far'ben-
-gebung zeigt hier, wie auf dcn venezianischcn Kanal'bildern
innd den Mondscheinszenen, eine be-lneirkeni-swevte Wa-ndlung, dic
Schwenkung ins Lagcr der Graumaler. Tenn daß es wieder
einmal betont fei: Alle, dic mit gebrochcncn Farben malen,
sind solch-e. Die ganze Modernc geht auf die gcbrochene Farbe
zu und hat ihre Gründc dafür; es ist kcine Modcfrage, fon
dern eine Entwicklung. Man lasse aus der großen Zähl der
Hammacher'schen Werke ein unbefangenes, gebi-ldctes Auge, das
von allen Kunsttheorien ungekränket sei, wählen, welches ihm,
nicht für Ausstellung und Galerie, sondern für das Heim,
als 'Freude und- Ruhcpuntt, als Freund und Bogleiter des
täglichcn Lebens evwünscht evscheine. Er wird sich für eines
jenc-r WMder entscheiden, wo nahstchende Farbcntöne sich ziuim
Eindruck eines 'lichten silberigen oder goldigen Klanges ver-
viinigein, >wo Llnien' im wohläbgcwo-geneiu Rhyth'm-ns de-n Blick
leiten, wo kcinc starken Gogensätze schroffe Effekte hervor-
rnfen. Denn dies -sind dekorative Milder, und sie allein fü-
gen sich dcnr rnoderncn Hemr und Bedürfnis^ harmonisch ein.

Hierbci ist bedcutsa-m, datz Hamrnacher seine Liebe, das
südlrche Meer, jetzt mit solchen verfeincrten Augen sieht. Wird
es ihrn gelingen, auch einen größeren Kreis von der -Schönhert
un'd Größe sciner verwandelten Kunst zu überzcugen? Oder
wird der kleinere Maß-stab den größeren Werken zurn Schaderi!
dicnen?

B. Fei ftcl - R o h m e'de r. ,

Die heutige Nummer umfaßt vier Vlätter zusammeu 18 Seiten.
 
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