Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 256-281 (1. November 1905 - 30. November 1905)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16474#0952

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
keiten anschloß. Hierauf besuchte Jhre Königliche Hoheit
öas Friedrichsheim und nahm die Begrüßung der Jn-
sassen der Anstalt'entgegen. Die Rückkunft nach Baden-
tveiler erfolgte um ^6 Uhr abends. Der Großherzog
nahm heute VormittaA die Vorträge des Geheimerats
Dr. Freiherrn von Babo. des Majors von Mutius u. des
Präsidenten Dr. Mcolai entgegen und reiste um 12 Uhr'
10 Minuten nach Baden. Die Großherzogin kam nach-
mittags o Uhr 16 Minuten von Badenweiler in Baden
an und wurde von dem Großherzog am Bahnhof em-
fangen.

Wahlnaclirichten.

Aus dein Wahlbezirk Bretten. Laut den
in der amtlichen „Karlsr. Ztg." „vorläufig ermittelten"
Wahlergebnissen erhielt Sägwerkbesitzsr Harsch (natlib)
3080 Stimmen, Rechtsanwalt Schmid (kons.) 3017
Stimmen. Nach dieser Meldung wäre Harsch gswählt.
Jetzt wird der „Bad. Corresp." aber von zuverlässiger
Seite ^mitgeteilt, daß Schmi d (kons.) gewählt sei
mit 2712 gegen 2687 Stimmen, die auf Harsch fielen.
Der Frrtum in dsr ersten Zählung kam daher, 'daß
3 Orte aus dem Bezir? Bruchsal mitgezählt wurden,
die nicht zum Wahlbezirk Bretten gehören. Es sollen
übrigens so viele grobe Verstöße gegen die Wahlordnung
vorgekommen sein, daß die Wahl Schmid's zweifellos a n-
gefochten und kassiert wird.

Aus Stadt und Land.

Hetdelberfl, 1. November.

X Aus dem «tadtrat. Jn ben Stadtratssitzungen vom 18.
bezw. 25. v. M. wurden u. a. folgende Gegenstände zur Kennt-
nrs bezw. Crledrgung gebracht:

1. Nach Mitteilung des städt. Eichamts wurden im 3. Ouar-
tal 1905 be, den hiesigen Eichstellen geeicht: b Brückenwagen,

S Gepackzergerwagen, 715 Messinggewichte, 626 Cisengewichte
und 699 Fässer.

2. Jm städt. Schlachthofe wurden im Monat Septeniber
d. I. 426 Stuck Großvieh und 2159 Stück Kleinvieh geschlachtet

3. Nach einer Mitteilung des Großh. Steuerkommissärs tür
den Stadtbezirk betragen dieZugängeanSteuerkapi-
talren für das Jahr 1906 insgesamt 12689255 Mark
wovon entfallen aus Häusersteuerkapitalien 3 659 120 Mk, Ge-
werbsteuerkapitalien 1387 200 Mk., Einkommensteueranschläge
1 078 675 Mk. und Kapitalrentensteuerkapitalien 5 964 260 Mk.
Bei den Grundsteuerkapitalien wurde ein Abgang von 32 051
Mark konstatiert.

4. Die Bildung cines Arbeiterausschusses bei der städt. Ab-
fuhranstalt wird genehmigt und der von der Arbeiterversiche-
rungskommission vorgelegte Cntwurf der Satzungen für diesen
Ausschutz wird gutgeheitzen.

5. Die Eichanstalt in Handschuhsheim, welche infolge der
Korrektionsarbeiten am Mühlbach von ihrer jetzigen Stelle ent-
fernt werden mutz, soll in den Hof des Rathauses im Stadtteil
Handschuhsheim verlegt werden.

6. Das Gesuch der Metzbudenbesitzer um Verlängerung der
diesjährrgen Herbstmesse bis einschlietzlich 28. Oktober wird dem
Bezirksamt mit dem Antrag auf Ablehnung vorgelegt.

7. Die Vorlagen an den Bürgerausschutz betr. Herrichtung
von 4 Lehrsälen im 2. Stock des Hauses Seminarstratze Nr. 1
für die Oberrealschule, Ankauf des Reisfchen Anwesens Untere
Neckarstratze Nr. 106 durch Lie Stadtgemeinde, Satzungen der
höheren Mädchenschule, Hiebs-, Kultur- und Wegbauvorschläge
für die städt. Waldungen für 1906 werden festgestellt.

8. Dank wird ausgesprochen dem Ausschutz des Heidelberger
Schlotzvereins für die Uebersendung eines Exemplars „Mrt-
teilungen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses", Band 5,
Heft 1/2.

X Vortrag über Marokkv. Der von der hiesigen Abteilung
der Deutschen Kolonialgesellschaft, des Alldeutschen Verbandes
und dem Kaufm. Verein veranstaltete Vortrag des Marburger
Geographcn Geh. Neg.-Rats Prof. Dr. Theobald Fischer
war bon einer ungemein zahlreichen Zuhörerschaft besucht, welche
Saal und Galerien des neuen Auditorium maximum unserer
Universität im Museum bis auf den letzten Platz dicht gedrängt
füllte. Geh. Rat Fischer ist bekannt als der beste deutsche
Kenner Marokkos, dcm er schon seit drei Jahrzchnten eingehend-
stes Studium gewidmet u. das er 3mal bereist hat. Die Reichs-
regierung hat es sich auch bei ihrer letzten diplomatischen Aktion
nicht entgehen lassen, den Rat des berühmten Geographen ein-
zuholen. Die Versammlung wrrrde von dem Vorsitzenden des
Deutschen Kolonialvereins, Prof. Dr. Alfred Hettner, er-
öffnet. Er begrützte seinen Marburger Kollegen auf dem Boden
Heidelbergs, wo er einst als Student die schönste Zeit sciner
Jugend verbracht hat. Geh. Rat Fischer, von der Reise
leicht indisponiert, führte Folgendes aus: Obwohl wir Deut-
schen schon lange Zeit Anlatz gehabt hätten, uns mit Marokko
zu beschäftigen, so bedurfte es doch der Tatsache, daß der Kaiser
marokkanischen Boden betrat, um in den weitesten Schichten
Jnteresse zu erwecken. Die Ankunft des Kaisers in Tanger
bedeutet die Wendung unserer Marokkopolitik. Aus geschicht-
lichen und geographischen Gründen war Marokko bis vor weni-
gen Jahren fast unbekannt. Viele Jahrhunderte sind die marok-
kaprischen Küstengebiete eine der heitzesten Reibungsflächen
zwischen Chrrstentum und Jslam gewesen. Von Seiten der
Eingeborcnen wurde der Kampf vorzugsweise zur See geführt.
Mit ungeheuerer Erbitterung wurden diese ewigen Kämpfe
ausgefochten. Auf christlicher Seite übte man entweder blutigste
Wiedervergeltung, oder mutzte sich, wie die kleineren Staaten,
zu Tributcn verstehen. Die Christenfeindschaft ist noch heute
so eingewurzelt, dah es in sinem grohen Teile Marokkos nicht
möglich ist, mit Jnstrumenten öffentlich zu arbeiten; kein Stein
darf aufgehoben und mitgenommen werden, weil man die
curopäische Begehrlichkeit nach den mit Absicht unausgebeutetcn
Erzen sürchtet. Dazu kommen geographische Gründe: Marokko
ist ein von der Natur verschlossenes Land. Seine langen Küsten-

äadurch in Konflikt nrit ssinen streng katholischen Eltern
uud auch init dem Ortspfarrer. D-iese machten ihm
schwsre Vorwürfe daricher, forderten seinen Austritt und
den Uebertritt in eine katholische Verbindung. Der Kon-
slikt perschärfte sich, und der junge Studsnt war schließ-
lich bereit. die Universität Jena zu verlassen. Die Auf-
regungen hatten aber eine Gemütsdepression zur Folge,
und in dieser kam es zum Selbstmord.

— Witten, 31. Okt. Heute Vornnttag um 11 Uhr
stürzte der bereits vier Stockwerke hoch errichtete Botter-
mannsche Walhalla-Nsubau zusa m m e n. Vier Maurer
wurdeu unter den Trümmern begraben. Ein Maurer
und ein Maurerpolier sind tot, zwei Maurer wurden
schwer verletzt. Durch herabstürzende Steimnassen wurde
auch ein gegenüberliegsndes Haus stark beschädigt.

linien entbehren natürlicher Häfen; die Schiffahrt ist schwierig;
das Land ist gleichsam gepanzert durch die Abrasionsterrassen;
die Schiffe müsscn weit drautzen vor Anker gehen und unter
Dampf bleiben, weil jeden Augenblick unberechenbar ein Sturm
losbrechen kann. Jm Jnnern befinden sich zwei grotze natür-
liche Festungen: das Rifgebirge und der Atlas, dic noch nie
ein von autzen geko umener Eroberer zu unterwerfen vermochte.
Noch heute sind grotze Gebiete von keinem Europäer betreten
Franzosische Geologen, Geographen und Volkswirtschaftler, vor
allem d,e Marquis de Foucault und de Segonzag, haben das
Land durchforscht, und auch Deutsche wie Gerhard Rolfs und
Oskar Lenz haben — lediglich aus wissenschaftlichem Jnteresse
— sich an der Erschlietzung des Landes hervorragend beteiligt.
Der Redner sclbst, welcher seit drei Jahrzehnten sich mit Ma-
rokko, als einem Teile seines grotzen Arbeitsfeldes: die^Mit-
tclmeerländer, beschäftigte, hat drei Reisen durch das Land
unternommen, in den Jahren 1899, 1900 und 1901; und Schüler
aus seinem Marburger Seminar hat er auf dieses Studien-
gebiet hingelenkt. Leider erlag Küster, bevor er marokkanischen
Boden betreten konnte, dem tropischen Klima, und Siegfricd
Genthe, der bekannte Korrespondcnt der „Kölnischen Zeitung",
fiel bekanntlich marokkanischen Stratzenräubern zum Opfer.
Nach diesen einleitenden Worten entwarf Geh. Rat Fischer
auf Grund der heutigen Kenntnisse ein Vild des Landes, illu-
striert durch den Projektionsapparat. Marokko ist kein Land,
noch weniger ein Staat, sondern eine Gruppe von Landschaften,
welche allerdings alle Bedingungen erfüllen, um zu einem
grotzen Staatswesen geeinigt zu werden. Sein Flächenraum
umfatzt etwa 600 000 Quadratkilometer. Kristallisationspunkt
dieser Landschaften ist das Land zwischen dem hohen Atlas und
dem Ozean, das Atlasborland, ein offenes Land von etwa
85 000 Quadratkilometern. Hier licgt das wirtschaftliche Schwcr-
gewicht; es ist eines der von dcr Natur gcscgnetsten Gebiete dcr
Erde. Aber an den halbkreisförmigen Branüungsbuchten gibt
es keinen natürlichen Hafen. Die spanischen Presidios davor
befinden sich in ununterbrochenem Belagerungszustand. Mehr
als zwei Drittel Marokkos ist unabhängigcs Gebiet. Hier hat
der Sultan nichts zu befehlen; er ist hier nur das religiöse
Oberhaupt. Die Berbern sind nur oberflächlich zum Jslam
bekehrt. Jn diesem von der Natur zum Teil so überreich aus-
gestatteten Gebicte ist der Erwerbssinn gering; denn niemand
ist seines Lebens und Eigentums sicher. Das Land ist reich an
Erzen, hat aber keine Spur von Bergbau. Der Handel unter-
liegt den grötzten Erschwerungen durch den Mangel an Häfen.
Die heutige wirtschaftliche Bedeutung ist trotz der reichen Aus-
stattung eine sehr gcringe. Die Handelsbilanz beträgt etwa
100 Millioncn; an der sind zu 48 Prozent die Engländer, zu
21 Prozent die Franzosen und zu 16 Prozent die Deutschen
beteiligt. Der deutsche Handel, der sich hier erst in den letzten
25 Jahren ctabliert hat, ist vorzugsweise Ausfuhrhandel und
ist in den letzten Jahren sehr stark vorgeschritten. Das Land,
welches jetzt etwa 8 Millionen Bewohner zählt, könnte mit
Leichtigkeit 40 Millionen ernähren. Das herrliche Klima
würde auch deutsche Besiedelung ermöglichen, so gut wie in
Algerien, wo deutsche Dörfer seit 50 Jahren ihre Nationalität
Lewahrt haben. Die Hilfsquellen des Landes sind nicht ver-
geudet, sondern unentwickelt. Marokko steckt noch im Mittel-
alter. Das europäische Kulturgerätc fehlt. Keine Häfen, keine
Leuchtfeuer, Seezcichcn usw. 11m die Küstenstädte lagern Berge
von Dünger, welchc als Guano ausgeführt werdcn könnten.
Zwergpalmen bedecken Quadratkilometer weit das Land. Be-
wässerungsanlagen wären unter Benützung von Windrxiotoren
und der Wasserkräfte des Atlas leicht einzurichten. Ackerbau,
bcsvnders für Baumwolle, Viehzucht und Bergbau könnten eine
Stätte finden. Freilich mützten Eisenbahnen geschaffen werden;
gegenwärtige gibt es nicht einen Kilometer fahrbarer Strahe.
Marokko ist das reichste unter den drei Atlasländern, ein Feld
grotzartiger Betätigung für curopäisches Kapital und Jn-
telligcnzen. Beträgt heute die Handelsbilanz Tunesiens 100,
die Algeriens 600 Millionen, so dürfte nach sicheren Berech-
nungen diejcnige Marokkos in fünfzig Jahren auf eine Mil-
liarde steigcn. Wcnn unsere Diplomatie das Kaiserwort: Ge-
währung der llnabhängigkeit und offenen Tür, wahrmacht, dann
wird auch Deutschland den ihm gebührenden Anteil an den un-
gehobenen Schätzen erhalten. Denn wo immer die Deutschen
in den wirtschaftlichen Wettkampf eingetreten sind, sind sie
als Siegcr hcrvorgegangen. Reicher Beifall lohnte dem Redner
für seine ungemein wertvollen und aktuellen Belehrungen.

Volkszählung am 1. Dezember. Auf Anordnung des Bun-
desrats findet am 1. Dezember in Baden, wie im übrigen Deut-
schen Reich, dic alle füns Jahrc wiederkchrende Volkszählung
statt. Die Zählpapiere werden Ende November in jedem Haus
und in jeder Haushaltung des Landes abgegeben und müssen
am 1. Dezember vormittags ausgefüllt werden. Alle Personen,
die vom 30. November auf 1. Dezember in der Wohnung des
Haushaltungsvorstandcs und dcn zugehörigen Räumlichkeitcn
überhaupt sind, einerlei, ob ste vorübergehend oder ständig
anwesend sind, ob es Einheimische oder Ausländer sind, sind zu
zählen, d. h. in die Haushaltungsliste aufzunehmen. Für
jede Person ist Vor- und Zuname, Stellung (Verwandtschaft)
zum Haushaltungsvorstand, Geschlecht, Geburtstag und Ge-
burtsjahr, Familienstand, Geburtsort, Religionsbekenntnis, Be-
ruf und Berufsstellung und Staatsangehörigkeit anzugeben.
Für reichsangehörige landsturnipflichtige Männer im 39. bis
zum vollendetcn 45. Lebensjahr ist ferner die Frage zu beant-
worten : ob militärisch ausgebildet (ja oder nein); wenn ja,
ob im Heere oder in der Marine. Jn den Städten Mannheim,
Karlsruhe und Frciburg werden den voni Staat ausgegebcncn
Zählpapieren noch städtische Wohnungskarten beigelegt, welche
vom Haushaltungsvorstand auszufüllen sind. Reben der Lage
der Wohnung wird auch deren Verwendung (Bureau, Laden
usw.), deren Mietpreis, und die Dauer, seit wann die Wohnung
bewohnt wird, erfragt. Schlietzlich sei noch bemcrkt, dah die
Ergebnisse der Volkszählung eine wesentliche und unentbehrliche
Grundlage für die Verwaltung von Reich, Staat und Gemeinde
bilden und ebenso den Zwecken der Wissenschaft wie des prak-
tischen Lebens dienen. Eine Benützung der Angabcn in den
Zähllisten zu Steucr- oder polizeilichen Zwecken ist streng ver-
boten.

— Polizeibericht. Zur Anzeige kamen 4 Personen wegen
Ruhestörung und Ilnfugs.

O. Mannheim, 31. Okt. (Gasdieb.) Der Tünchermeistcr
Josef Brender, der monatelang seinen Gasbedarf in Werk-
stätte und Laden durch einen geheimen Anschluh an die
st ä d t i s ch e Gasleitung deckte, wurde hcute von der Straf-
kammer wegen Diebstahls zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt.

Mannhcim, 31. Qkt. (Bei den Stadtratswahlen)
wurden gewählt 7 Nationalliberale, 3 Demokraten, 1 Zentrums-
mann, 1 Freisinniger. Der Stadtrat setzt sich somit zusammen
aus 8 Nationalliberalen, 5 Demokraten, 4 Freisinnigen, 4 So-
zialdemokraten und 2 Zentrumsleuten. Der Bürgerausschutz
im Ganzen setzt sich zusammen auT 40 Nationalliberalen, 21
Demokraten, 36 Sozialdemokraten, 14 Freisinnigen, 6 Zen-
trumsleuten, 1 National-Soz. Zwei Ersatzwahlen haben noch
stattzufinden. Der Stadtverordnetenvorstand wnrde wieder-
gewählt, als Obmann Rechtsanwalt Selb, aus stellvertretender
Obmann Kaufmann Fulda.

Mannheim, 31. Okt. (Milchpreis.) Vom 1. November
ab kostet hier der Liter Vollmilch 22 Pfg., in Flaschen 24 Pfg.

Pforzheim, 31. Okt. (S e I b st m o r d.) Jn der Huchen-
felder Stratze brachte sich cin 82 Jahre alter, gut gekleideter
Herr lebensgefährliche Schutzwunden in den Kopf bei. Motiv:

Lebensüberdrutz. — Jn Birkenfeld erhängte sich der schon
bejahrte Taglöhner Weinbrecht, gebürtig aus Dietlingen.

Offenburg, 31. Okt. (Christliche Gewerkschaften.)
Hier tagte eine Konferenz der christlichen Gewerkschaften Ba-
dens, die von 35 Delegierten besucht war. Am 1. Januar 1904
betrug die Mitgliederzahl 1558, während am 1. Qktober 1905
4944 Mitglieder in Ortsgruppen zu verzeichnen waren. Die -
Konferenz betonte die Notwendigkeit der Erhöhung der orts-
üblichen Tagelöhne und beschlotz, in jenen Bezirken, wo Ge-
werbegerichte noch nicht bestehen, die Errichtung solcher anzu-
streben. Auch soll überall auf Einführung der Verhältniswahl
unter Berücksichtigung des Systems der gebundenen Listen, so-
wie auf die Aufstellung von Wählerlisten hingewirkt werden.

14 MSsbach (A. Achern), 31. Okt. (Erstickt.) Vergan-
gene Nacht ereignete sich hier ein schreckliches llnglück. Die Ehe-
leute Bernhard Bohnert waren bei einer Hochzeitsfeier und hat-
ten ihre 3 Kinder im Alter von 2, 4 und 6 Jahren allein zu-
Hause gelassen. Bei der Rückkehr der Eltern bot sich diesen ein
schrecklicher Anblick; das Zimmer war mit Rauch erfüllt und die
drei Kinder waren erstickt. Wie den „Mittelb. Nach-
richten" mitgeteilt wird, entstand das Unglück dadurch, datz die
brennende Petroleumlampe umgeworfen wurde und eine Bret-
terwand mit den daran aufgehängten Kleidern in Brand geriet.
Jn dem entstandenen Rauch erstickten die Kinder, zwei Knaben
und ein Mädchen.

Hüningen, 31. Okt. (S ch m u g g l e r.) Hier wurden zwei >
gewerbsmätzige Saccharinschmuggler, junge Burschen, verhaftet.'

Villingen, 31. Okt. (V e r u n g l ü ck t.) Jm Kanal der
Brigach wurde der Amtsdicner Kraus heute früh tot aufgefun-
deu Der 70 Jahre alte Mann scheint in der Dunkelheit den.
Weg verfehlt zu haben.

Freiburg, 31. Okt. (VonderUniversität.) Bei der
1. Jmmatrikulation fanden 347 Einschreibungen statt: 71 in
der theologischen, 87 in der juristischen, 90 in der medizinischen
und 99 in der philosophischen Fakultät. Unter den Jmmatri-
kulierten befinden sich 6 Damen (5 stud. med. und 1 stud. phil.).

Tlieater- uvd Kunftuachrichten.

— Strindberg-Gastspiel. Ein eigenartiges Gastspiel wird-'
die hiesigen Kunstfreunde am 8. und 9. November in die Hallen
unseres Stadttheaters führen. August Strindberg, Schwedens
grotzer Dichter, der von der Bühne immer noch recht sticsmüt-
terlich behandelt wird, hat endlich für sein Haupt- und Meister-
werk, das grotzzügige Drama „Totentanz", begeisterte Anhänger
gefunden, die es sich zum Ziel gesetzt haben, ihn in den ständigen
Theaterspielplan einzuführen, wie es seinerzeit mit Jösen ae-
schah. Es ist noch nicht so lange her, datz Jbsen, der jehl
rückhaltlos Anerkannte und Gefeierte, im grotzenPublikum all-
gemeiner Verständnislosigkeit begegnete; der Äutor war eden,
wie jeder hervorragende Geist, seiner Zeit voraus. Das Gleiche
gilt heute von August Strindberg. Jn Worten und Gedanken-
ist das Drama trotz all seiner gewaltigen, dramatischen Wir-
kung von solcher Reinheit, datz jeder Zweifel ausgeschlossen ist„
ob die jugendliche Damenwelt den Vorstellungen anwohnen
dürfe. Die Aufführung ist aufs allersorgfältigste vorberertet,
was schon die zarte Stimmungsmalerei bedingt, die von der
Mitwirkung eines Souffleurs völlig absehen mutz. Die dar-
stellenden Kräfte sind von ersten Bühnen individuell fur die
betreffenden Charaktere ausgewählt, und die Regie bringt nnt
ihrer Herausarbeitung des „Totentanz" den Stil, in dem nach>
ihrer Ueberzeugung der grotze Dichter allein zum Worte kom-
men sollte.

Personalnachrichten.

Personalnachrichten aus dem Ober-PostdirektionSbezirk
Karlsruhe. Ernannt zu P o st a s s i st en t en: die Postgehil-
fen Paul Hinze in Karlsruhe, Rudolf Kohl in Mannheim, Wil-
helm Schmitt in Bruchsal und Roman Weber in Mannheim.

Versetzt die P o st a s s i st e n t e n: Konrad Biedermann von
Baden-Baden nach Pforzheim, Adam Edinger von Wittighausen
nach Mannheim, Franz Filsinger von Mannheim-Waldhof nach
Heidelberg, Wilhelm Juhl von Bruchsal nach Pforzheim, Karl
Kaiser von Osterburken nach Mannhsim, Heinrich Sauer von
Mannheim nach Reilingen. , ^

Jn den Rnhcstand tritt: der Ober-Postassistent Friedrich-
Schncider in Appenweier.

F-reiwillig ausgcschiedcn: der Postgehilfe Karl Hagncr in
Mannheim-Käferthal, die Telegraphengehilfin Karoline Fischer
in Mannheim._

Himde! und Äerkehr.

M'im^etm 31. Okt. Oierrbeinliche Bank B 109.75 G.,
Rbei i. Krpditbmik —B. 143.— G. Rbein. Hyvotbekelihcmk

-B'201.50 G. Brauerei Klcinlein, .Heidelberg —S.

197.- G. Zchroedl'sche Brauerei 2-8.- B.. 222.—. G. Portland-
Bementwerk Heidelaera —.— N. 134.— G.

Wasserstands-Nach

N e ck n r.

richten.

Nhe-n.

Hetdelberg, 1, 1.33 — 0.01 m.
Mannheim. 31., 3 58 — 0.12 m
Heilbronn. 31. 0.74 — 0.03 m

Lauterburg 31.. 3 96 — 0.15 m
Maxau, 3l.. 4.08 — 0.10 m
Mannheim, 3l, 3.62 - 0.08 m

^ 18?. 1040.

Zsmen-Kürtsl

6>-ö88te /lu8«ak> — 6i»ig8tk ^1-6,86
^ lit'illt'lii' di Röise-ULAariill. —«

Die Unruhen in Rußland.

Petersburg, 31. Okt. Das Manifest crschien
um 16 Uhr 30 Min. nachts. Der Anblick der Stadt ist
ein seltsamer. Leute stürmen wie toll durch die Stra-
tzen und rufen Hurra; andere gebsn ihrem Befremden da-
rüber Ausdruck, daß keine Amnestie gewahrt
wurde.

Petersburg, 31. Okt. Dem Vernchmen nach
finden zwischen dem Grasen Witte und dem Justizmini-
ster gegenwärtig Befprechungen über den Entwurf eines
A m n s st i e m a n i f e st e s statt, durch das den in der
letzten Zeit verhafteten politischen Verbrechern Freiheit
zugesichert wird.

Petersburg, 31. Okt. Heute erschien in großer
Auflage ein Manife st der s o z i a I i st i s ch e n Portei,
in dem darauf hingewiesen wird, daß durch das kaiser-
-liche Münifest der Kampf des Prolstariats nichr
z.u m Stillstand kommt. Die Taktik des Prole-
tariats habe zu besteheu in derAusnützung der
 
Annotationen