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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 1
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Kirchner, Joachim: Moderne Landschaftsmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0029

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gedämpft fein, über-
irdifdje Helligkeiten
oder magifdjesDun-
kel verbreiten, fie
mögen kalt und
fpröde, oder weich)
und tonig erfchei-
nen, immer find fie
Cräger von Melo-
dien, die nicht als
das Ergebnis wif-
fenfd)aftlid)er Far-
bentheorien gewer-
tet fein wollen, die
vielmehr durch) Vi-
fionen des Künftlers
in unfere Gleit Hin-
übergetragen find.
Derfelbe Eindruck
drängt fich) bei
der Beurteilung des
Lichtproblems auf.
Eine neue Äus-
drucksform für die
überwältigende
Größe des Sonnen-
bads und feiner das
Äll durchflutenden
Strahlen wurde ge-

funden. Der Ge-
danke, der Philipp Äbb. 6. Max Pecbrtein. Palaulandfd)aft.
r-, Mit Genehmigung von Frih Gurlitt, Berlin.
Otto Runges roman- y a J
tifche Phantafie befchäftigte, als er das „Glirken der Elemente im Qniverfum den Er-
fcheinungen“ auszudrücken wünfchte, und was im David Cafpar Friedrichs poetifch)
durchgeistigten Bildern zur Wirklichkeit ward, als er die Wunder des Himmels mit
fch)lich)ter Innerlichkeit auf die Leinwand brachte, fchjeint in unferen jungen Künftlern
neue Geftalt gewonnen zu tyaben. Ein Gefühl der Ehrfurcht vor dem hnmmlifchen
Phänomen mag fie von felbft beftimmt tyaben, nicht den pikanten Reiz flüchtiger,
intereffanter Lich)tftimmungen feftzuhalten, fondern die Sonne in ihrer kosmifchen
Allgewalt, in ihrem h°heitsvollen Strahlenglanze zu zeigen. Landfchaften mit einer
mildverklärten Morgenfonne, deren radiale Strahlen fich über die Erde ausbreiten,
wechseln mit anderen ab, in denen die bewegte, nervöse Linienführung durch die
Kraft des Lichtes lebhaft gefteigert wird, und mit folchjen Bildern, in denen ein
myftifch) filbriger Strahlenglanz die Landfchaft aufhellt. Subjektiv eigenwillig mag
die moderne Löfung des Lichtproblems erfcheinen; und doch ift fie voller Stimmung
und zwingender Größe — das Wunder einer Äusdrucksform, die das dem menfcß-
licßen Äuge bedingt fich Darbietende in die Sphäre des Unbedingten, des Gött-
lichen erhebt.

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