Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920
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Heft 2
DOI Artikel:Hirschmann, Otto: Die Sammlung August Janssen, [2]
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feinen Rotterdamer Meifters nicht allzuviele Berührungspunkte aufweift, muß aud) an
die Möglichkeit eines andern Urhebers gedacht werden. Abraham Fjondius und Barent
Graat werden vorgefchlagen. Mit dem erften bliebe das Bild in Rotterdam; mit dem
zweiten würde fein Entftehungsort nach Amfterdam verlegt. Einen Fjinweis auf Am-
fterdam bildet das Klappen diefer Stadt auf der zufammengerollten Fahne.
Über Rotterdam hinaus gelangen wir nach Dordrecht, das wiederum Anlaß hat, auf
mehr als einen Maler ftolz zu fein, am meiften aber auf feinen Aelbert Cuyp. Vier
Bilder der Sammlung Janffen veranfchaulichen den weiten Entwicklungsweg, den diefer
fchon zu Lebzeiten hochangefehene Dordred)ter durchlaufen hat. Als Jüngling malte
er Landfchaften, bei denen ihm ganz offenbar Klerke Jan van Goyens aus der erften
Fjälfte der 30er Jahre vorfchwebten. Die achteckige Landfchaft mit den Mühlen (Abb. 14)
ift ein folches Frühwerk. Die eigentümlich blonde Farbenfkala kann er fid) allerdings
auch bei feinem Oheim Benjamin Cuyp angeeignet haben. Daneben fteht, durch das
Fehlen aller 3wifchenglieder ein beinahe unfaßlicher Gegenfatj, das Eisbild des reifen
Künftlers (Abb. 15), ein (Uerk von feltener Ausgeglichenheit und Vollendung. Intereffant
ift der Vergleich, zu dem Salomon van Ruysdaels Gemälde, das den gleichen Vorwurf
behandelt (Abb. 9), herausfordert. Klie luftlos erfdjeint hier der gewaltige Raum, wo
Cuyps Meifterfchaft uns die Atmofphäre vorzaubert, daß wir ße beinahe als eine ma-
terielle Subftanz empfinden. Auch als Porträtmaler tritt uns Cuyp in der Sammlung
entgegen, mit einem wohl um 1650 entftandenen Frauenbildnis von fd)lid)ter Auffaffung.
Die Schlichtheit, an fid) keine Qualität, wirkt hier in Verbindung mit der prachtvollen,
flüffigen Malerei als Vorzug, vor allem auch im Einblick auf Cuyps fpätere Bildniffe,
in denen er fleh im Sinne des 3eitgefchmacks fo viel mehr nur mit dem „äußern“
Menfcßen abgibt.
Bis hierher hielt fiel) Janffens Sammlerprogramm ftreng an die holländifchen Grenzen.
Einen Schritt aber hat er über diefe hmausgetan, und zwar in der von uns bereits
eingefchlagenen Richtung nach Süden, nach dem von Dordrecht aus nicht mehr fernen
Antwerpen. Eine Dorfhochzeit des Joos van Craesbeeck und ein fingender Bauer
von Ceniers fprengten vermöge der allgemein niederländifchen Geiftigkeit ihrer Vor-
würfe keineswegs den einheitlichen Rahmen. KIol)l aber tut dies ein Männerbildnis
von van Dyck mit feiner grandiofen Erfd)einung (Abb. 16). Alle FJoheit und Selbft-
fichcrheit, mit der van Dyck feine Modelle zu umgeben wußte, ift auch in diefem Por-
trät vereinigt; hingegen fehlt ihm noch jener blafiert abweifende 3ug, der des Künftlers
fpätere Schöpfungen kennzeichnet. Van Dyck in der vollen Entfaltung feiner Perfön-
lichkeit, van Dyck, der in Genua gewefen ift, aber feine Kunft noch nicht der zerfetzenden
Klirkung englifcher Fjofgunft ausgefeßt hat, muß das Meifterwerk gefeßaffen haben.
Klir kommen auf die Nähe des Jahres 1630 als feine vermutliche Entftehungszeit, die
Epoche, die etwa auch durch den Antonio de Caffis der Liechtenfteingalerie repräfentiert
wird. Der Dargeftellte gilt als ein Glied der Familie Vilain XIIII1, die im 17. Jahr-
hundert Magiftratsämter in Gent bekleidete. Auf der Rückfeite befindet fiel) jedoch eine
Auffchrift, die bei der vor nicht allzulanger 3^it vorgenommenen Rentoilierung des
1 Das XIIII deutet nid)t auf den 14. des Namens, fondern gehört zum Familiennamen. Der
eigentümliche 3ufah wird von einem nicht fehr geiftreießen Rebus hergeleitet, in den die Familie
ihre Devife einkleidete, nämlich die 3abl XIIII in einem Fjopfenkranz; das ergab in der Äuflöfung;
Verdien in hoop (Veerlien in hop)- Die Überlieferung, der 3ufah XIIII ftelle eine Auszeichnung
Ludwigs XIV. dar, ift eine nicht zu kontrollierende Erfindung.
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die Möglichkeit eines andern Urhebers gedacht werden. Abraham Fjondius und Barent
Graat werden vorgefchlagen. Mit dem erften bliebe das Bild in Rotterdam; mit dem
zweiten würde fein Entftehungsort nach Amfterdam verlegt. Einen Fjinweis auf Am-
fterdam bildet das Klappen diefer Stadt auf der zufammengerollten Fahne.
Über Rotterdam hinaus gelangen wir nach Dordrecht, das wiederum Anlaß hat, auf
mehr als einen Maler ftolz zu fein, am meiften aber auf feinen Aelbert Cuyp. Vier
Bilder der Sammlung Janffen veranfchaulichen den weiten Entwicklungsweg, den diefer
fchon zu Lebzeiten hochangefehene Dordred)ter durchlaufen hat. Als Jüngling malte
er Landfchaften, bei denen ihm ganz offenbar Klerke Jan van Goyens aus der erften
Fjälfte der 30er Jahre vorfchwebten. Die achteckige Landfchaft mit den Mühlen (Abb. 14)
ift ein folches Frühwerk. Die eigentümlich blonde Farbenfkala kann er fid) allerdings
auch bei feinem Oheim Benjamin Cuyp angeeignet haben. Daneben fteht, durch das
Fehlen aller 3wifchenglieder ein beinahe unfaßlicher Gegenfatj, das Eisbild des reifen
Künftlers (Abb. 15), ein (Uerk von feltener Ausgeglichenheit und Vollendung. Intereffant
ift der Vergleich, zu dem Salomon van Ruysdaels Gemälde, das den gleichen Vorwurf
behandelt (Abb. 9), herausfordert. Klie luftlos erfdjeint hier der gewaltige Raum, wo
Cuyps Meifterfchaft uns die Atmofphäre vorzaubert, daß wir ße beinahe als eine ma-
terielle Subftanz empfinden. Auch als Porträtmaler tritt uns Cuyp in der Sammlung
entgegen, mit einem wohl um 1650 entftandenen Frauenbildnis von fd)lid)ter Auffaffung.
Die Schlichtheit, an fid) keine Qualität, wirkt hier in Verbindung mit der prachtvollen,
flüffigen Malerei als Vorzug, vor allem auch im Einblick auf Cuyps fpätere Bildniffe,
in denen er fleh im Sinne des 3eitgefchmacks fo viel mehr nur mit dem „äußern“
Menfcßen abgibt.
Bis hierher hielt fiel) Janffens Sammlerprogramm ftreng an die holländifchen Grenzen.
Einen Schritt aber hat er über diefe hmausgetan, und zwar in der von uns bereits
eingefchlagenen Richtung nach Süden, nach dem von Dordrecht aus nicht mehr fernen
Antwerpen. Eine Dorfhochzeit des Joos van Craesbeeck und ein fingender Bauer
von Ceniers fprengten vermöge der allgemein niederländifchen Geiftigkeit ihrer Vor-
würfe keineswegs den einheitlichen Rahmen. KIol)l aber tut dies ein Männerbildnis
von van Dyck mit feiner grandiofen Erfd)einung (Abb. 16). Alle FJoheit und Selbft-
fichcrheit, mit der van Dyck feine Modelle zu umgeben wußte, ift auch in diefem Por-
trät vereinigt; hingegen fehlt ihm noch jener blafiert abweifende 3ug, der des Künftlers
fpätere Schöpfungen kennzeichnet. Van Dyck in der vollen Entfaltung feiner Perfön-
lichkeit, van Dyck, der in Genua gewefen ift, aber feine Kunft noch nicht der zerfetzenden
Klirkung englifcher Fjofgunft ausgefeßt hat, muß das Meifterwerk gefeßaffen haben.
Klir kommen auf die Nähe des Jahres 1630 als feine vermutliche Entftehungszeit, die
Epoche, die etwa auch durch den Antonio de Caffis der Liechtenfteingalerie repräfentiert
wird. Der Dargeftellte gilt als ein Glied der Familie Vilain XIIII1, die im 17. Jahr-
hundert Magiftratsämter in Gent bekleidete. Auf der Rückfeite befindet fiel) jedoch eine
Auffchrift, die bei der vor nicht allzulanger 3^it vorgenommenen Rentoilierung des
1 Das XIIII deutet nid)t auf den 14. des Namens, fondern gehört zum Familiennamen. Der
eigentümliche 3ufah wird von einem nicht fehr geiftreießen Rebus hergeleitet, in den die Familie
ihre Devife einkleidete, nämlich die 3abl XIIII in einem Fjopfenkranz; das ergab in der Äuflöfung;
Verdien in hoop (Veerlien in hop)- Die Überlieferung, der 3ufah XIIII ftelle eine Auszeichnung
Ludwigs XIV. dar, ift eine nicht zu kontrollierende Erfindung.
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