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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Servaes, Franz: Moderne Bilder im Hagener Folkwang-Museum
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Moderne Bilder im ßagener Folkwang-Mufeum
Mit 12 Abbildungen Von FRANZ SERVAES

Wenn es noch) des Beweifes bedürfte, daß im Mufeumsleben nur die einzelne,
ftarke und unumfcßränkte Perfönlicßkeit zu wirkließen Fjocßleiftungen befäßigt
ift, fo würde man das Folkwang-Mufeum in Fragen i. KJ., die Gründung und
Pflegeftätte von Karl Ern ft Oftßaus, ßierfür als Beleg anfüßren. Baßnbrecßender
ßat im ganzen Bezirk des deutfeßen Reicßes keine zum Nutzen der Öffentlichkeit orga-
nifierte Kunftfammlung gewirkt als diefe private Veranftaltung, die ebenfofeßr aus
ßeller Einficßt und küßnem KJagemut, wie aus reinem und felbftlofem Entßufiasmus
entftanden ift. „Einen Stützpunkt künftlerifcßen Lebens im weftlicßen Induftriebezirk
zu feßaffen,“ war naeß Oftßaus’ eigenem Klorte das 3iel feiner Gründung. Er war
fieß der kulturellen Troftlofigkeit der Gegend, aus der er ftammte, vollbewußt. Er faß
die Fjäßlicßkeit, die ein faft einzig von Raucß- und Scßlotintereffen beßerrfeßter Be-
zirk, gedankenlos und barbarifcß, nur vom brutalen Geldverdienerftandpunkt geleitet,
über Stadt und Land ausbreitete. Er faß, wie gegenüber der Unfäßigkeit, aus mo-
dernen Geficßtspunkten und Gefüßlsregungen irgendwie Scßönßeit ins Leben zu pflan-
zen, die guten Traditionen verfunkener Jaßrßunderte vollkommen in Vergeffenßeit ge-
raten waren. Diefer im Protzengewande einßerfcßreitenden feelenlofen Unkultur als
Einzelner entgegenzutreten, war ein fo keckes Unterfangen, daß trotz der reießen
Mittel, die zur Verfügung ftanden, ein Scheitern folcßes Planes eine meßr als große
Klaßrfcßeinlicßkeit für fieß ßatte. Ein wunderfames 3ufammenwirken glücklicßfter
Eigenfcßaften, Lauterkeit, Befonnenßeit, Klarßeit, Unerfcßrockenßeit, 3aßigkeit, Liebes-
kraft, und ein im Glutfeuer geläuterter allerficßerfter Gefcßmack waren von nöten, um
diefes Klerk gelingen zu laffen. Es ift gelungen — meßr als das: es ift vorbildlich
geworden für die gefamte künftlerifcße Entwicklung Kleftfalens und der Rßeinlande
in den letzten fünfzeßn Jaßren. Menfcßenalterlang ßatte fieß der deutfeße KJeften, in
ftarrem Konfervatismus, jeder künftlerifcßen Entwicklung, die felbfttätig nach dem Ge-
bot unferer 3e>t fieß emporrang, widerfetzt. (Uenn er jetzt auf einmal füßrend ge-
worden ift, und zwar gerade auf dem Gebiete moderner und modernfter Kunftpflege,
fo datiert das im wefentlicßen von jenem 3ßitpunkte ab, wo das Fjagener Folkwang-
Mufeum dazu gelangt war, den Menfcßen die Äugen zu öffnen. Und wenn es aueß
nur wenige fein moeßten, die mutig in Oftßaus’ Fußftapfen traten, fo entfeffelten fie
docß, fowoßl im Mufeum wie in Privatfammlungen, eine frifeße Begeifterungsfäßig-
keit und rege Betätigungsluft, die allentßalben in jenen Gegenden unferer jungen Kunft
zugute kam.
Eitler Eßrgeiz, eine prunkende Bilderfammlung anzulegen, ßätte niemals diefes KJerk
vollbringen können. Dazu geßörte die Äbficßt und Fäßigkeit, voll im Leben zu wirken
und im Dienfte der Scßönßeit praktifeße Arbeit zu leiften. Erft allmäßlicß entfcßälte
fieß aus folcßer Äbficßt das eigentliche Programm der Arbeit, das um fo meßr fieß ver-
dichtete, je intenfiver die waßren 3eitbedürfniffe fieß füßlbar maeßten. 3unäcßft feßwebte
Oftßaus, der mit naturforfcßerlicßen Neigungen viel in Nordafrika ßerumreifte, die
Gründung eines Iflamifcßen Mufeums vor. Die teeßnifeß und gefcßmacklicß reife Kunft
des Orients follte den nordifeßen Fjeimatsgenoffen ungewoßnte neue Anregungen
bringen und ißrem fo feßr im argen liegenden Scßönßeitsfinne belebende Ricßtweifungen
geben. KJertvolle Erwerbungen, die bald den künftlerifcßen und gewerblichen Scßaffens-

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