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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Servaes, Franz: Moderne Bilder im Hagener Folkwang-Museum
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kreis Afrikas und Afiens bis in den fernften Often hinein heranzogen, bauten bald
feltfame und bunte Schäle zueinander, die in all ihrer großen Verfrfpedenartigkeit
doch) diefes Eine gemeinfam hatten, daß fie heutigen Menfcßen etwas fagen, und um
fo mehr, je mehr diefe felber im künftlerifcßen Ringkampf fteßen. 5at doch das Exo-
tifcße grade ßeute wieder und grade in Deutfchland eine merkwürdig werbende
Kraft gewonnen, eine noch) nicht ganz aufgeklärte geheimnisvolle Seelenverbindung
mit unferen eigenften Regungen und fügenden ddünfcßen. Vielleicht nirgends als in
Deutfchland ift Gauguin, der künftlerifche Prophet des auftralifchen Eahiti, fo tief und
inftinktiv verbanden worden und es ift äußerft bezeichnend für Ofthaus, daß das
Folkwang-Mufeum das erfte in Deutfchland war, das öüerke von Gauguin kaufte und
hierdurch bahnbrechend wirkte.
Fjieraus war dann zugleich der Kunft unferer 3^it gegenüber für die Fjagener Samm-
lung ein umriffenes Programm aufgeftellt. Mehr noch als durch den zwar fel)r fchönen
und lobenswerten, doch im höheren Sinne beinahe zufälligen Ankauf von Renoirs „Life“,
welches vor einem halben Menfchenalter in Berliner Sezeffionskreifen foviel Auffehen
erregte. Ein gewiffes Caj'ten war überhaupt im Anfänge unvermeidlich- Es konnte
fich zunächft nur darum handeln, fcßone Stücke guter Malerei zu erwerben, auch un-
abhängig von einer beftimmten Gefchmacksrichtung. So kommt es etwa, daß heute
ein Bild wie Böcklins „Pan im Kinderreigen“ ins Enfemble nicht mehr recht hinein-
paßl; und es war kaum ein 3ufall, ob auch eine fchmerzliche Entfdjließung, daß
Oftßaus, nicht bloß einem verlockenden Angebot folgend, fondern auch momentaner
Notlage Rechnung tragend, vor ein bis zwei Jahren ein fo herrliches Gemälde wie
Feuerbachs „Orpheus und Eurydike“ an die öüiener Moderne Galerie abtrat (wo es
hoffentlich nicht das Gelüfte der Fjerren Italiener erweckt). Von dem Gefichtspunkt
aus, der Ofthaus immer klarer zu leiten begann, find eben Böcklin fowohl wie auch
Feuerbach Meifter von retrofpektiver Richtung, die ins Lebendigfte der Gegenwart
nicht mehr mit unmittelbar zündender Schlagkraft einwirken. Auf impulfive Lebendig-
keit und Regfamkeit war aber Ofthaus künftlerifches Intereffe, wie wir fallen, vor
allem eingeftellt und diefe Abficht erforderte geradezu eine gewiffe Einfeitigkeit des
Programms. Darum brauchte diefe, wenn auch zuverfichtlicl) einem allerperfönlichften
Gerzenszuge folgend, doch äftljetifch keineswegs eine Verurteilung derjenigen Künftler
und Kunftwerke einzufchließen, die fie wohl oder übel ausfd)loß. Kein Leibi, kein
Liebermann, kein üt)de ift Iper zu finden. Von Crübner gibts, gleichfam als deut-
frfjes Gegenftück zu Renoirs „Life“, ein prächtiges Bildnis der „Dame in Grau“ vom
Jahre 1870. Auch Schuch ift nur einmal vertreten durch fein „Stilleben mit der Ente“.
Bis zu einem gewiffen Grade ftehen diefe CUerke vereinzelt da, doch fmdl fie immerhin
zugehörig. (Natürlich wäre auch ein Leibi „zugehörig“, freilich nur in allererfter Qua-
lität, die heute kaum noch zu befchaffen ift.)
Grundlegend für den Aufbau der modernen Bilderfammlung wirken aber, wie fid)
von felbft verfteht, die Franzofen. Gnd da war es denn wirklich ein ungemeiner
Glücksfall, daß von Manet ein fo finguläres Töerk wie „Die Granate“ in diefe Samm-
lung ihren ÜJeg fand. Kaum ftärker konnte dargetan werden, wie fehr der Abgott
der Impreffioniften über allen Schulbegriffen fteht: er zeigt in diefem Bilde Eigen-
fchaften und Ausdrucksmittel, an denen auch der glühendfte Expreffionift fich begeiftern
könnte. Geringfügiger find Millet (mit einer Schafherde) und Courbet (mit einem
Rehbock) vertreten; hervorragend hingegen Daumier mit einer machtvoll aufgebauten,
wenn auch faft frfjon zu fehr ins Cheaterwirkfame geratenen „Verfpottung Chrifti“.

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