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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 4
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Schmitz, Hermann: Bildteppiche: zur Geschichte der Gobelinwirkerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0184

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ficherlid) an mehreren anderen Orten l^ergeftellt worden find. Ihre Blütezeit ift
um 1700.
Die Bildwirkerei Frankreichs beginnt erft mit der Auflöfung der burgundifctjen
Fjerzogsmacht durch) Ludwig XI. in dem lebten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts. Mittel-
frankreich, namentlich die Eouraine wird auf .ein h^bes Jahrhundert hinaus das 3en-
trum der franzöfifchen Bildteppichkunft. F)ier, vielleicht in Eours felbft, entftand erftens
eine Reihe von Kirchenteppichen mit figürlichen Darftellungen, meift Rücklaken und
Antependien, von denen eine Anzahl auch nach Niederdeutfdßand ausgeführt wurden
(Altarbehang aus fjinhenburg im Mufeum in Prenzlau); zweitens ift dort vor allem
die Entftehung der Eeppidje mit Blumengrund, „ä mille fleurs“ zu fudjen, die durch
Macquet de Vaffelot und Falke zuerft lokalifiert worden find. Glanzftücke aus der
Blütezeit diefer Arbeiten, dem erften Viertel des 16. Jahrhunderts, befinden fiel) wiederum
in Amerika, fo in der Sammlung Blumenthal in New York und im Mufeum in Bofton.
Die Art \)at fid) übrigens, wenn auch ftark verbauert, bis in das Ende des 16. Jahr-
hunderts gehalten. Ein reiches Lager folcher Millefleursteppiche (ohne Figuren, nur
mit kleinen Eieren und öüappen) befißt das Gefchäft von Bernheimer in München.
Kläffend des Schreibens diefer 3eilen erwarb die Altkunft G. m. b. F>. einen befonders
fchönen Eouraineteppid) um 1520, das Ausladen von Vieh und Geflügel aus einigen
Segelfchiffen darftellend. In der Mitte des 16. Jahrhunderts tritt neben diefer national-
franzöfifchen Richtung der italienifche Fjod)renaiffanceftil mit der Errichtung der kgl.
Manufaktur von Fontainebleau auf. Qm 1600 beginnt die Blüte der Parifer Ateliers,
unter denen vier hervorragten. Das des Commans und de la Planche war vielleicht
das fruchtbarfte. Von de la Planche rühren die Eeppiche mit der Erziehung Lud-
wigs XIII. im Ritterfaal des Fjildesheimer Domes her, die V. C. ßabicht in den Monats-
heften veröffentlicht \)at. Olelche Vorfid)t beim Reinigen verftaubter und verblaßter
Eeppiche geboten ift, zeigt fiel) übrigens an diefer Folge deutlich. Ein vor wenigen
Jahren zur Probe gereinigtes Stück diefer Serie \)at ganz übel feßreiende Eöne ange-
nommen. Ein bezeichnendes Parifer Stück, drei Dichter darftellend in einer breiten für
die Parifer Bildteppiche charakteriftifchen Kartufchen- und Rollwerkborte ift auf der
leßten großen Auktion bei Lepke von Fjerrn Lippmann erfteigert worden (November
1919, im Katalog Nr. 1839, Nr. 438, als Italienifcl) bezeichnet). Es trägt das P und
die Lilie von Paris und die Marke eines Meifterwirkers M. F., von dem weitere Arbeiten
in Paris und öüien find. Das Stück gehört zu einer aus ÜJien ftammenden Folge von
im ganzen fed)s Eeppichen, die im Kunfthandel verftreut find. Beachtenswert ift der
Preis von 181000 Mark für ein derartig künftlerifd) und kunftgefchichtlicl) wertvolles
und feltenes QJerk, während der folgende Aubuffonteppich der Mitte des 18. Jahr-
hunderts, Bauern und Schäfer und eine Sdjaukelfzene nach Fjuets Stich, über 220000 Mark
brachte. Er gehört einer häufigen Gattung an, und würde von dem Kunftforfcher
neben dem Parifer Renaiffanceteppict) kaum beachtet werden. Im FJandel aber ift er
eine „gängige lüare“ wegen des Formates, der Darftellung und wegen feiner viel
leichteren Verwendbarkeit für das vornehme 3inimer in Verbindung mit Möbeln des
18. und 19. Jahrhunderts. Aus dem gleichen Grunde erreichten z. B. auch die Beauvais-
garnituren auf diefer Auktion folcße ftupenden Preife (bis über 600000 Mark). Dies
fei hier eingeflod)ten, da es, im Gegenfaß zu den übrigen Verhältniffen anzeigt, wie
fetjr auf dem Gebiete der Bildwirkerei der Maßftab des Kunftforfchers und der des
Kunfthändlers und -käufers voneinander abweichen können. Mit Ludwig XIV. beginnt
die Gefchichte der Parifer Gobelinmanufaktur, die eine hundertjährige, faft ununter-

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