Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0489
DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:Valentiner, Wilhelm Reinhold: Karl Schmidt-Rottluff
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Feiningers fpätere Generationen, [o wie jet$t den kleinen Kreis von Freunden des
Künftlers, zur Bewunderung hinreißen werden.
Der Kopf in der Hamburger Kunftßalle (Äbb.4) ift von dem rätfelvollen Geift der Sphinx,
von der feierlichen Ruße eines orientalifcßen Königsbildes erfüllt. Größte monumentale
Formung vereinigt fict) mit zwingender feelifcßer Gewalt, durd) die ein ünterton von
Schwermut zieht. Seltfame Farben: ein ftarkes Gelb im Gefleht, tiefes Blaugrün im
Haar und Hintergrund, das durch Rotbraun in den Schatten nur wenig gemildert wird,
fteigern den geheimnisvollen Eindruck.
Von geiftiger männlicher Kraft ift das Bildnis Feiningers befeelt (Äbb. 5). Der ftrenge
Ernft diefes Künftlers, der in feiner ftärker mechanifierten Änfd)auung ganz andere 3iele als
Schmidt-Rottluff verfolgt, aber fid) mit ihm in der großen koloriftifcßen Begabung trifft,
fpricßt aus dem Bildnis, wobei freilich der Ausdruck durch die machtvolle Formen-
fpraeße des Bildners faft ins tragifcß Gewaltfame gefteigert ift. Die Einheit der Linie
ift dureß ein eßarakteriftifeßes üdiederßolen konkaver Kurven in den Fingern, Hand-
flächen, Armen, Schultern bis hinauf zur tüangenlinie erzielt, die geiftige Einheit dureß
die Farbe, ein metaphyfifcß wirkendes Gelb im Geficßt, ein fernes Blau mit grünen
Flecken im Grund vollendet.
Wunderbar ift die Vereinigung von feßarfer Naturbeobacßtung mit großartiger, feelifcßer
Stimmung in dem außerordentlicßenBildnis derDame, die fieß dieHandfcßuße anzießt(Abb.6).
Äbb. 3. Karl Schmidt-Rottluff.
Boote im Hafen- 1913.
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