Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0595
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Heft 15
DOI article:Cohn-Wiener, Ernst: Willy Jaeckel
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öüilly Jaeckel. Seba[tian. 3weite Faffung. 1915.
erlebt wurde. Es find Erzählungen von äußerfter Ruße, einem ßeeligen Sicßverfenken
in Hlunder und Paffion, verklärt durch große Licßtkreife, in denen körperlos feierliche
Geftalten wandeln, huldigen, fiel) hingeben, mit ausdrucksvoll beruhigten Geften reden,
mit Gebärden, in denen jede Ergriffenheit Catfache werden will. Die Seelen Cßrifti, der
Jungfrau, der Äpoftel werden in ißren FJäuptern (faft möchte man Masken fagen) aus-
gefproeßen, ftrengen, ßieratifcß ftilifierten Ovalen mit karger Innenzeicßnung, die genau
das Gegenteil zu Meidners ekftatifcßen und nuancenreichen Propßetenköpfen find, und
fo feßr gel)t Jaeckel jet$t vom Körper- zum Seelenproblem, daß in den Gedanken
zur Scßöpfungsgefcßicßte das unfterblicße Ceil des Menfcßen, der „Ka“, deffen Abbild
er ift, wirkende Geftalt werden will.
Die Gefaßr diefes Sieges, der vom religiöfen Gefüßl zur tatfäcßlicßen Religion führt,
ift für jeden groß, der ißn gel)t. Denn jede ßat die Neigung fid) zum Dogma zu
kriftallifieren und als Dogma wird fie banal. Ift ße nicht meßr Andacht, fondern
Glauben, fo ßört ße auf, Sache des Gefühls zu fein, wird bewußt und damit doktrinär
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