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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 151-176 (1. Juli 1905 - 31. Juli 1905)
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Erstes Blatt

47. Jahrgang. — Nr. 15L






Samstag, 1. Kmn-1905.

^^cheint täglich, SonntagS auSgmovnnkn. PreiS mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstatlonen abgcholt 40 Pfg. Durch die Post
H bezogen vierteljährlich 1,85 Mk. ansschlietzlich Zustellgebühr.

an ^^"^reis: 30 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermätzigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen
Tagen Wird keine Vcrantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plackattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtisckien Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Deutsches Reich.

'die D Kabinettsorder des Kaisers ordnet an, daß
scix^^6en nnd S ä b e l s ch e i d e n dunkel ge°
Zifs^ — Die Felddienstordnung hat bei

^robn- (Jeuerwirkung der Maschinengewehre) eine
uzung erfahren.

^ Baden.

iiih ^ ^ ruh e, 30. Juni. Der Entwurf der A u s-
" 8 s v e r o r d n u ng für das Landtags-
rexx ^ Ietz ist in diesen Tagen den Städten, die meh-
ßern«. ^^^^uete zu wählen haben, zur gutachtlichen Aeu-
^Ugean Stadtrats über die Wahlkreiseinteilung

»uch Wie rnan hört, soll die Nerordnung, die

^Ubrn ^^.^.uiungen über das Wahlrecht der Handelskam-
^ondl/- und den Termin für die Vornahme der
deg, 8'wahlen festsetzt, Ende Juli verösfentlicht wer-

Bedai? ^ uh e, 30. Juni. Der Stadtrat fprach sein
ln^ übe^ Verbvt der Zi r ku s v o rst el -
^hlrei-n^ §ronleichnamstag aus, durch welches
hyrrni r Eiuheimische und Fremde am Besuche einer
Urch Schaustellung gehindert worden sind und wo-
den bUs Äirkusunternöhmen selbst empfindlicher Scha-
Unr xw^^öt wurde. Er beschloßi, Schritte einzuleiten,
djx . ^ simderung der landesherrlichen Verordnung betr.
^üzufpc ^ Feier der Sonn- und Festtage dahin her-
tagx ^ daß solche Darbietungen am Fronleichnams-
gefchrr ^ ichwie Dheater- (und Varist^-) Vorstellungen
werden. - !,

der Karlsruher Zeiturrg.

Sömgliiche

^"tvn^lUnstaltsnrzt

bun^ ^utsch m L

Hdhvrt der Großherzog haben
a. D, Geheima Hosrat Dr.
Karlsruhe zum' Gehermerat 3. Klasse er-

^Urde Entschlleßung 'des CvaugelischLN OLerkirchenrats
- tte ?vit dar eiinftweiMtzenl Versehung emer Revidenten-
^ r Behörde betrainte Buchha>Iter Hans Horcb -

Revi'denten ernannt.

Zolldirektion hat den Hauiptamtsasslstenten Franz
dchtslw - ^ u in' Wangen mit ider Bevwaltung des 6. Grenzauf-
m Erzinigen! 'betraut.

"oü' isruhe, 30. Jum. Die Höchsteu Herrschaften
ah oeute Vor-mittag ? Uhr 19 Mtnuten vou Baden
dxx b irafen um 9 Uhr hter ein. Am Bahnhos war
^roßherzog zur Begrüßung anwesend und sühr
dep) <ou Großhxr^.gssch.En Herrschaften zum Schloß, nach-
iiber ,^^lbe mit der Erbgrohherzogin Heut-e früh 6 Uhr
gekd, T^ride, Metz „ritz Straßburg aus England heim-
bjZ ^ Uiar. Ter GroMerzog empfing von 10 Uhr an
zilx »7 ^hr den Staatsminister Dr. Freiherrn v. Dusch
rgs ^.urtragserstattung und erteilte sodann dem Finanz-
äuhl Audienz. Hieraus meldeten sich eine An-

blitt^fiiiziere. Die Grotzherzogin begab sichi heute Vor-
eph ^ nach Blankenloch, um der Ein.wei.hung der neu
z Kleinkinderschule anzuwohnen. Nachmittags
iAroßherzog' die Vorträge des 'Generaladjutanten
^uls Llrtillerie vou Müller, des GeheimrLts Dr.

Freiherrn von Babo, des G'eheimerats Dr. Reinhard und
des Präsidenten Dr. Nicolai.

Der Mord in 8 7 vor dem Schwurgericht.

(Ansang siehe Zweites Matt.)

Der Vors itzende stellt m Fortsetzung des Verhörs des
Angeklagten dessen Wohnun'gAverhättnisse fest und kommt so
auf die 'Umstän'de zu sprechen, unter denen derselbe ein Dienst-
madchen Gecklc kennen gelcrnt hat. Als der Angeklagte in dem
Dekorationsgcschäft von Simon Hirsch in Arbeit stand, war er
auch bei der Ausführung von Umzügen tätig. Er kam so in 'das
Haus des Herrn Ferdinanid Hirsch und lsrnte dessen Dienst-
mädchen Kreszenz Geckle kennen, mit der er ein Verhältnis an-
knüpfte. Er unternahlm häusig Ausflüge mit derselben ünd
veran'laßte sie auch, mit ihm in Verkehr zu trtzten. Jn der
Fvl'ge kam die Zrau des Becker hlnter dieffeS Verhältnis und es
kam zu häuslichen 'Szenen. Die Frau rmhm ihre Kinder an
die Han'd, suchte die Geckle auf und ersuchte fte, das Vevhältnis
mit ihrem Manne abzubrechen. Als das Mädchen hierzu Miene
inachte, drang Wecker in sie ein, den Verkehr sortzu'setzen. Jn
ähnlicher Weise, wie in das Haus von Ferdinan'd Hirsch, kam
Becker gelegcntlich eines Umzuges auch in das Haus 8 7, 12,
als er den Umzug für die Familie Abraham Löwenberg be'sorgte.
Da er bei feinen Ausslügen mit der Geckle die Senges kennen
ge'lernt hatte, ersuchte cr die Familie Löwenberg, notwendige
Rcparaturen üurch ihn aussühren zu lassen und ihn durch die
Senges, die er kenne, benachrichtigen zu lassen, wann cr kom-
men solle. Bei Gelegenheit seincr Tätigkeit bei Lüwenberg habe
ihn die Scnges aufgefordert: „KomMen Sie 'doch herein, Herr
Becker, uud sehen Sie unsere Wohnung an!" Auf diese Weise
hatte er Kermtnis von der Wohnung erhalten. Der Senges
ha-be er auch öster Austräge für die Geckle gegeben, bei denen
es sich meist um Bestellungen zum Zusammentreffen handelte.
Er selbst habe auch bei einem gemeinsamem Ausflug mit der
Geckle und der ihr befreundeten Senges den Müller Wcin-ig
mitgebracht un'd ihm ^bedeutet, dic Senges 'wäre ein Mädchen
fiir ihn.

Vors.: Wärum sind Sie am 3. März nicht zur Arbeit ge-
gangen? ?lngekl.: Weil ich Schmcrzen im Kreuz hattc.
V o rs.: Waun sind Sie aufgestanden? Angekl.: Gegen 9
Uhr. Jch ging dann in die Wirtschast von Grotze. Vors.:
Dort ha'bcn Sie kein Geld ge'habk und aufschreiben lassen?
Der Angek'lagte gibt dies zu, auch daß sich in der Familie
Geld'man'gel geltend machte, södah Lie Frau >die Miete nicht be-
zahlen konntc. Vors.: 'Sie stnd beobachtet worden, wie Sie
am Tag vor der Tat nachmitta-gs mit einem Frauenzimmer, üas
die 'Senges Mwesen fei, an der Haustüre 8 '7, 12 stan'den. A n -
geklagtcr: Das würde nicht mit dem Weg stimmen, den ich
m'achen mußte von der Fabrik Lanz bis zu F-uhrunternehmer
Gräff, wo ich meinen Restlohn holte. — Der 'An-geklagte äußert
sich dann auf Wesragcn, wie er sich in 'der Lanzschen Fgbrik
bei Vorarbeiter Mein'dc'l die Lohnanweisung herausschreiben
ließ: das war um halb 2 Uhr. Beim Vcrlassen der Fübrik
sprach ich noch mit Portier Wörtche, der mir eine 'Stelle ver-
sprach. 'Jch bat ihn, meinen Namen auszus-chreiben und mir
Mittcilung zu machen, werm etwas frei werde. Als ich dann
die Fabrik verließ, kam an der 'Ecke der Gasfabrik und der Lin-
denhofstratze ein junger Mann auf mich zu, der fragte: „Na,
nix los?" Er hielt mich fur einen Ar'beitsucheiideii und
mein-te: „Vom 'Schaffen wird keiner reich, 's ist auch nicht nätig,
's gibt Biele, die nichts arbeiten" u. dgl. Dann fragte er, ob
ich nichts wisse zu einem Diebstahl. Da trgt mir meine Lage
vor Augen, ich duchte, da wärc was zu machcn, das muß man
sich überlegen. Wir gingen dann in die -nahe Wirtschast zum
Schaumlösfel, wo wir die 'Säche weiter besprachen. Wir hiel-
ten uns etwa 8 Minuten aus. Die Avei Glas Bier bezahüe
ich. Jch ging dann in größter Eile nach Hause, weil meine
Frau um 3 Uhr nach Heidelberg und Bammcnthal sahren
wollte, um zu sehen, -ob 'fie bet meinen oder 'ihren Eltern Geld
bekommen könne. Der Zng ging aber erst nm 'Uhr.

Oberstaatsanwalt Geiler aus Karlsruhe tritt eiü.

Vors.: Wie nannte ftch,denn der Fremde? An -gekl.: Ev
sagte, ich folle ihn nur Fritz nennen. Der An-geklagte gibt da-
rauf aüf Befrg-gen die bekannte genaue Perfonalbes-chreibnng.
Der Frem'de habe no-r'ddeutschen Dialekt gefprochen. Vors.r
Die Geschichte klingt so unwahrscheiiilich als etwäs von der
Well. Jch sage das einmal nnd werde es nicht mehrmals
fagen. Es ist Jhre Sache, sich mit i'hr abgnfin'den. Ob die
Hcrren Geschwo-renen das glauben, was Sie da erzählen, das
steht dghin. Der 'Angeklagte schildert dann, wie der
Fremde ihn am andern Tage besucht habe. Vors.: 'Er -hat
Jhre Wohnung gefun'den, öhne je-mand fragen zu müssen. Er
war doch fremd. Angekl.: Ja, 'das weitz ich nicht, ob er so
fremid war. Vor s.: Wer wohnt noch anf ,Jhrem Gang? A n-
gekl.: Frau Backsisch. V ors.: Hat er geklingelt? >Angekl.:
Ja, er hat geklingelt nnd ich habe ihm- aufgemacht. Vors.:
Wie lange war er da? Angekl.: eine Stnnde. Vors.r
Un'd was' ha'ben Sie gesprochen? Angekl.: Jch fagte ihm,
datz bei der 'Witwe Hirsch etwas zu machen sei, dg ich die Woh--
nung 'genau kenne. Jch zergliederte ihm 'die Säche und er fand
sie gnt. Wenn Fran Hirsch in 'die Shnagoge ginge, wollten
wir die Sache vnsführen. Vors.: -Wutzten Sie denn, datz
Frau Hirsch in 'die Shnagoge gehe? Angek'l.: Jch wollte
mich vorher be'i der Sengcs erkunldigen. Vor s.: Wo ist Lem-
mert denn hin? An-gekl.: Jch weih nicht. Wors.: Das ist
kurios, wenn man so etwas vor hat. -Angekl.: Lem-mert
fragte mich, o'b ich nicht einen Spitzhammer habe. Jch sagte:
nein. Jch wutzte, was ein Spitzham-mer ist von -meiner Be-
schästigung bei Lucan (Brückenbaugeschäst) her, Lemmert sagte
dann, er werde dann ctwas mitbringen, das ihm schon gute
Dienste geleistet habc. Wir machten aus, dah wir uns am
Marktplatz treffen wollten. Vors.: Der Märktplatz ist doch an
Markttagen voller Menschen. Angekl.: Wir bestellten uns
au dic Ecke von Wanger nnd besprachen dann noch einmal den
Plan. Jch sollte die Sengcs ablenken, während er -den Schreib-
tisch crbrechen sollte. Vors.: Wutzten Sie denn, Lah im
Schreibtisch Geld war? Angekl.: Jch dachte es mir. Den
Angeklagte schildert dann näher den Plan. Er wollte zuerst
in die Wohnnng gehen. Lemmert sollte unauffällig folgen.
Er wollte dann die Tür des Glasäbschlusses nicht schliehen,
sondern nur anlehnen, un'd später Gelegenheit suchen, die Tür
des W-ohnzimimers zu üffnen, damit sich Lemmert dort ver-
stecken könne, bis 'die GeTegenheit zum Erbrechcn des SchreiL-
tischcs fich gebe. 'Auf!Befrägcn holl dann der Angeklagte nach,
Laß er Tags vorher nach dem Parkrin'g gegangen sei und dort
um 9 Uhr abends die Senges vor dem Saus von Seiler Fingado
getroffen ha-be. Er -ha-be bei dieser Gelegenheit dic Senges
gefragt, ob ihre Frau am andcrn Tage in die Synagoge gehe.
Sie habe idas 'bejaht und er 'habe dann gesagt, er wolle kommen
un>d ihr etwas erzählen von 'üer Geckle. Dann wendet sich
der Angeklagte wietder den Ereigniffen ,des Mordtages selbst zu.
Nachdem er seine Frau um 8 Uhr srüh von der Bähn abgeholl,
sci er zwkschen A,9 Uhr und 9 Uhr von zu Hans weg. Am Ecke
von W-anger ha'be er Lemmert getroffen, 'der ihm ein Beil ge-
zeiyt habe, das er zwischen den Hosenträgern trug. Er selbst
habe äber auch ein Beil von daheim mitgenomMen, >das habe
er aber gm iMarktplatz in einen ,Banernwagen geworfen.

Vors.: Das werden Jhnen die Geschworenen wohl kaum
glauben.

Angekl. (sortfährend): Die Stratze 3 7 bis Q 8 hätten
ste dann eine Zeit lang 'von der Plakatsäule >des Luisenrings
beobächtet. Als die Senges 'dann auf die Stratze fam, 'habe en
sich vergewissert, datz Frau Hirsch in die Syna-goge gehe. Lem-
mert habe dann eine Zeit lang an der Ecke bei 8 6 gewartet»
währen'd er am Parkring geständen. habe. Dann sei er aus das
Haus zu und häbe von 'der Tür aus 'dtzm Lemmert einen Wink
gegeben, ihm zu salgen. Die Senges habe ihm aus seirr
Klingeln geösfnet, habe stch aber dan-n sofort nmgewendet nnd
sei in die 'Küche mit den Wortcn: sie habe viel Arbeit.

Vors.: Das klingt aber sehr einfültig und unverständig-
O'hne sich üm die Türe zu kümmern, soll 'dias Mädchen cinfach
Kehrt -gemacht haben und in die Küche gelaufen sein.

Dex

Zweites Orgelkonzert

(Karl Straube — Olga Klupp-Fischcr.)

„ surchtbare Ausichräi zn Anfantz, ider in jedem Hörer
Hirn anfwühlenld Nachklantz, gab es Keich jener
Ung „ O'der dein Jnfernoeingang zu verstehcn, datz die Hoss-

tmr 'mssen sci: wir rüsten nns znr Höllen'wanderung.

" ' - -' --- - - --- -- -

schrieb über dicse Symlph'ostische P'hantasie nnd
Vimß-rMtzeregt dnrch Dantcs Jnserno". Dos kann einen
-siiy, wen Teuter verfühven, den Gang der Szenen und ihrer
^ "'nngG^;^ oder gar etwas vo« den verwickelten Grup-


r'-» nnd Schichtnngen Dantes in' der Musik Wie'derfin-
daS sti serne. Es ist sicher unschädilich, in dem
Menden getrvgenen MittelsaHe der Phwntasie die Szene
Kwg nnd Paolo zu empstnden (znmal nach dcm. Bor-
uder in der ini-mer z'ielglläNbiger klingenden
den Weg hinäns ins Freie, znm Länte-
ssEr S« entdecken —, ebens-o sicher tst, datz für den Mu-
''chlechE>j^,8tzofseribärte SttMmiuNigsschane-r vom Begrifse Hölle
'ri 3" stammt. Fmi äußercn-phaintastischen Sinn: der
U >j^ ^ Verzweifl-ung, 'da Henlen nnd Zähnekläppern ist;

^ider nnr zn ost reälen Sinin: die zerschürfte,

. ere

'n,

die 'denkbar kühnste Musik; ich schreibe

jedes

<^'t"Ävfäst: denkbar kühnste Mnsik?' Mit Tnsnähme des
Notjh- Pianostelle erscheinenden 'Sechzehnteltr.iolen-

si I"nd 'ich in dcn beiden slankierenden Vcrzweistuntzs-
den ^.siüne tz^stalt, eZ ist ein bewußtloses Fortstürzen über

der Verdamniten mit nnr gcfühlsmäßitzem Ein-
^irri^,,. pää, der Erscheinnngen. Flächen un-d Farben, nicht
Ss>s biese Musik. Und 'welche nnheim-lich« Kraft strömt
Das Herzklopfeni wollte nicht weichen: keine
Ldetz^^nriM-n und sprachen da mehr, sondcrn töncnde

' -öch sehe mit FreNden, datz ich diese Mnsik nicht ob-

jektiv auslege'n kann. Soll jeder selbev idamit fertig werden;
sie ist nicht zum Genietzen nach „Erläuterungen." da.

Für idie folgeNde Tripelfuge Mbt es wieber Nur 'das ein-
zige Wort kolossal. Wir drehen don Ausdvnck hundert Mal
her-um und sagen schlietzlich 'doch: 'die Eindr-ingLichkeit des
Schanens nnd Lie Kunst des Bäuens ist seit Bäch Nicht erlebt
worden. 'Alles überstei'gt znm Beispiel 'de-r B-eginn des Ji-
näled, wo zur Vereiniguntz des 1. und 2. Themas (Diskant
und Batz) b-eide Themen tzleichzeiKtz in 'den Mittelstimmen
hinzntreten, odsr auch die Schlnßverve mst i'hren in Rhhthmus
uNd Vorwärtsdrantz än' die 'Fnge der Beethövenvar-iattoneN
(op. 86) gemähnen'den -Sechze'hniteln oder 'der Kontvapunkt
zum 2. Thema oder — nsw.!

Die Choralphantasie „'Wachet auf, rust -uns idie Stimnie"
ergreist mit gleichöv Stärke. Doch sowohl der 'dankwürdigs
Einsühvunysanffatz, der 'das Werk ansführlich klarlegte, als
die Gedrungcnheit und Uebersicht der For'm, 'die sich aus den
festeni Chorälzeilen nnd den Textworten evgibt, ensparen mir,
viele Worte zu machen. Hieri stehe es wieder: den Gehvlt der
uNsterblichen Dichtuny hat seit Bach in Tönen keiner so ge-
packt, äls Reger.

Nun aber ist es Zeit, 'des Mannös zn gedenken. 'der diese
Schöpsuntzen ans 'döm toten Papier znm Weben brachte. Da
ist nun 'des Staunen-s kein 'Ende. Wer jemals einen Blick
nnv in däs schwärze -Geäste nNd! -Gesteder eines' „echt-en R-etzer"
geworfen hät, wird eine Ahnnng haben, was Herr Karl
Straube schoN technisch, zu bewül-ttgen hatte in langen un-
erinudlichen Vorarbeiten, bis er derart pers-önlich an denr
Werke» an der Schöpfung als solcher, sich beteiligte, daß man
fast -svgen' kann, er hat es vollendet, er hät es ans seinem (des
Werkes) Geist heraus nach anßen möylich gemacht. Wer nicht
Jahre lany in Äeser Musik lebt, bei' 'dem mag es ausgeschlossen
sein, daß er äus Werken wie 'den! gsstrigeN! die Jdee, 'die <ÄN-
heit in sich anfnimmt —- und Reger selbst zeigt den Weg nicht.
Schon was Phrasierung angeht: die wenigen iM günstigsten

Falle alle Zeilen anstvetenden Taststriche lassen nns hilstoS

u'nd wir stvuern durch die Fluten 'de'r Viernndsechzigstel nnd
ihrer Aba-rten ein rnjderloses Schiff. Herr Stvaube hat jedes
Detäil mit 'dem subtilsten iJeinisinn ansgelöst und baut aus
ihnen die große Einheit. Hier ist einmal die Phvase -vom Nach--
schaffeN recht am Ort. Er kann hierin nicht erreicht werdcnp
zuma'l ihm alle Raffinements und verstecktesten Möglichkeiten
d'er Retztster nnd Schiwellnntzen als Mittel 'dtenen. Wie es
in den ungezählten, so gar nicht aiusdringlichen kleinen Cres-
cendis 'lebte nnd pnlsierte, wie die Fngenitimmeii einen blühen--
den Orgänismus schiufen voll Dinrchsichtigkeit und Kvaft!

Das gilt alles, auch, von den Vorträgen Äer 'beiden Bach--
schen Prälndien und Fngen in A-m'olli nNd D-'dnir. Hier mn-
tete, besvnders in den PrälNdien, das Detailschattieren znerst
neu an, doch wird niemänd sagen können, der 'Flntz und der
Zug sei gestört iworden. Herr Straube hat eben einen beson-
deren Sinn stir Anläge nNd Entwicklung einer Steigerung;
er arbeitet hitzr weniger mit -Kontrasten der Farben, als threr
Herausentwicklnng. Mnsterhast in' oiesem Sinn war die Ent-
wicklung nach Nuancen und Dhnamik in >der gottes- nnd wnn-,
dervollen A-moll-Fnge. Da wär „nichtsi vevlindert nttd nichts
verkritzelt, nichts verzierlicht nn'd nichts verkritzelt", sondern
die Welt „wie Albrecht Düver sie hät geseheni, chr sestes Leben
und Mä-Nnlichkeit, ihre instere Kriast nnd Ständigkeit". «ie
war cin deutsches Meisterwerk! Und tvas hat er gar aus der
D-dur-Fuye gemacht; ja, in diesem Virtuosensinne läßt
man- sie gerne ausbeuteN; das spruldelte nnr so von Witz nnd
Läune. Da schüttelte sich das Herz vor Lachen und warf
die Läst von eh-edem heru-nter. Die Griechen hatten doch recht
mit dem Satyrspiel!

Die Sängerin, Frau Olga Klupp-Fischer (Karls--
ruhe) hat leider nvch stark mit den Ansatzschwierigk-etten zu
kämpsen. Namentlich. im evsten Lied Reyers stürten manche
Schlacken zn Beginn einer Phräse, so glatt sich dev Ton dänn
im Verlauf der Atmnngsperiode gestaltete. Eine etwas stache

Die heutige Nummer umfaßt drei Vlätter zusammen 14 Seiten.
 
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