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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 151-176 (1. Juli 1905 - 31. Juli 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16474#0065

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Petersburg, 8. Juli. Der Kaiser empfing
^ne Wordnurvg, darunter das Semstwomitglied üss
Gouvernements Orel, Nariskin, eine Anznhl Kaufleute,
stdlige, Bauern, Altgläubige und andere, die eine Adresse
uberreichten, um den Kaiser der Ergebenheit der
'3 roßen Masse des russischen Volkes Zu
dersichern, welche die Fortsührung des Kr i e-
6 es wolle und auf altrussischer Grundlage eine Volks-
d^retung ersträbe. Der Kaiser dankte ihnen sür die
Anhänglichkeit an die alte Tradition; ein Staat könnc
nur stark und sest sein, wenn er die alte Tradition treu
bemahre. Die Russen selbst hätten in diesem Punkte ge-
'undigt und vielleicht habe Gott sie deshalb bestrast. Der
^rüser schloß: „Jch bin sicher, daß Sie alle nnr helfen
^rrden, den Frre'den und die Ruhe im Lande wiederher-
SUstellen und niir dadurch einen Dienst erweisen, den ich
rn allen Unterianen erwarte."

. Ddxssg g. Juli. Gestcrn um 1 Uhr nachmittags,
^ die einberufenen Res ervisten von der Station KiewI
"ch Tscherkassi geschickt werden sollten, erschienen anf dem
"hnhof revolutionäre Agitatoren, die unter den Soldaten
Egierungsfeindliche Proklamationen verteilten und sie auf-
wrdcrten, gegen ihre Absendung nach dem Kriegsschauplatz
Protestieren. Auf Befehl eines Offiziers, der das Trei-
der Agitatoren bemerkt hatte, stürzten sich die Soldaten
Revolutionäre und fingen an, sie erbarmnngslos zu
llylagen. 6 Agenten wurden halb tot nach dem städtischen
Hospital gebracht.

London, 8. Juli. Vom Kriegsschauplatz wird
geineldet, daß die russische Armee unter General Linjewitsch
. ollständig demoralisicrt ist. Die Polen und Judcn
er Arnixx im Anfiuhr und machen den Oberbefehlshabern
zu schaffen.

^>e Zerlitr 5ckoal oj Lsngurg«.

Ilsiiplsti'ASS« 84, 1 Ireppe.

Jnstitut zum Zwecke des Stu-
diums fremder Sprachen, für
Erwachsene, Herren u. Damen,
unter Oberleitung deS Herrn
Professors

N. v. LvrUlr.

bolcksnv LsckaMvL rmk cker ksrlscr Vv1t»L88lvIlLi»x.
Englisch, Jtalienisch, Rnsstsch. Spantsch,
rarich fstr Äusländer: nnr Lehrer der betreffendin Ratio».
°",?"sation Korr esp ondenz Literatur
^ "Eber 230 Zweigschulen. Prospekte gratis u. franko.

Neueste Nachrichten.

0- Juli. Bei der heutigen Kaiserregatta um
" Wanderpreis Kaiser Wilhelm I. siegte die Fraukfurter
A brmania". Der Preis war ursprünglich dem Mainzer
des ^berem zuerkannt worden, ging aber auf Protest scitens
^ Aoankfurter Vereins an diesen über.

^ P'llingen, 9. Juili. Die Großherzoglichen
brxschaften sind von dem Aufenthalt im Wald-
lst n dessen Umgebung sshr befriedigt. Am 6. er-
v/ dieselben den Besuch des Fürsten und der Fürstin
»p!! ftürstenbevg, welcher anderen Tages in Donaueschin-
g.-. erwidert wnrde. Gestern wurde da-s Kindersolbad
rrbo-,^, besncht. Heute wohnten die Höchsten Herr-

Ä^on deni Gottesdienst in der evangel. Stadtkirche bei.

Av ^ ersolgte die Abreise nach Konstanz bezw. St.
-"corrh

die^^P' 9. Juli (Frankf. Ztg.). Die Fricdensidee und
wg ^°^l°arität dcr internationalen Reaktion war das The-
hem °A*?ber der sozialdemokratische Abg. Richard Fischer
G ^ Mittag in der Hasenheide vor 4000 Genossen und
büx ° . "kn sprach. Vereinzelt sah man auch Angehörige
Bers^^^ Parteien, wie Naumann und Gerlach. Die
BEjs ^"l^ung verlief ruhig und kargte im übrigen weder mit
Gew ' uiit unparlamcntarischen Zwischenrufen wie: Pfui,
"^Uheit.

find 0. Juli. Nach einem Telegramm aus Windhuk

gefav" Gefechten bei Keidorus vom 26. bis 28. Juni

Horn^' Huuptmann Ludwig Pichler, Assistenzarzt Dr. Karl
Hulnin ^lzefcldwebel Ernst Sonntag, Sergeant AndreaS
bej ^ .E. — Jm Verfolgungs-Gefecht nach dcn Gefechten
Stoesi °*us am 1. Juli gefallen: Gefreiter Friedrich
Dkor, s' ^eiter Oito Buse. — Auf Patrouille süolich der
>>u-Berge am 3. Juli gefallcn: Reiter Karl Piplack.
^ons ^-Juli. Es verlautet, derOrt der M.arokko-
«r"?^uz werde wahrscheinlich Tanger sein.'
schxst^lS, 9. Juli. Die neue Zusammenkunft zwi-
Und Fürsten Radolin und Rouvier dauerte eine Stnnde
in bxx Winuten. Ministerpräsident Ruvier wird morgen
Und ^uininer die Note, welche die zwischen Deutschland
guna ,°unkreich in der Marokko-Angelegenheit erfolgte Eini-
Sein c tigen wird, mitteilen.

dnpg "llopol, 9. Juli. Die im Auslande verbreitete Rtel-
behrt"^ Selbstmord deS Vizeadmirals Krieger ent-
heute ni'^r Begründung. Vizeadmiral Krieger wird
"llt seinem Geschwader hier erwartet.

Der Krieg i« Ostafien.

^lcus« beui soeben erschienenen Marinejahrbuch „Nau-
anitljz, 1905, dessen Jnhalt stch fast durchweg auf

Dtittxjs, ^nst beglaubigte Angaben stützt, wird die
den w kemacht, daß Zar Nikolaus II. persönlich, gegen
und russischen Autoritäten und gegcn den Wunsch

Roschn.s^bu der Nation Ausrüstung und Entsendung der
schgft ^?ue"skyschen Flotte durchgesetzt hat. Von der Mann-
^ ^ estand, als die russische Flotte auslief, nur der

K

siebente Teil aus Seeleuten, die Jngenicure waren zmii Teil
noch nnerprobte Anfänger, die Leute on den Gcschützen ohne
Erfahrung, endlich die gesamnite Diannschaft, die Offizicre
mit eingeschloffen, in hohem Grade nervös. Nach dieser
Feststellung kann man sich nicht mehr wundern, daß die
Flotte im japanischen Meer cinen so ruhmlosen vollständigen
Untergang gefundeii hat.

PeterSbnrg, 8. Jnli. General Liapnnow tele-
graphiert von Sachalin unterm 7. d.: Um 9 Uhr morgens
näherte sich ein japanisches Geschwader dem Dorse
Chipiiau, 20 Km. südwestlich von Korsakowsk, und eröffnete
das Feuer auf die Küste. — E!n zweites Telegramm vom
7. d. nieldet: Um 2 Uhr nachmittogS näherte sich ein japa-
nisches Geschwader drm Dorfe Meree zwischen Ch'pisau nnd
Korsakowsk anf 151rm mid eröffnete dus Feuer aus Torpcdo-
booten. Dann begann die Landung vou 15 Schiffen aus.
Um 3 Uhr nachmittags nähertcn sich fünizehn Torpedoboote
Korsakowsk. Die russische Batterie eröffnete das Fener.
Die Torpedoboote beschossen die Strandbatterie von Korsa-
kowsk, wurden aber durch das Feuer der Russen gezwungen,
die Beschießung einzustellen, und sich zurückzuzieheii. Der
Kommandant der russischcn Abteilung leistete den übrigen
feindlichen Operationen so lange wie möglich Widerstand,
gab aber daun den Besehl, die Küstengeschütze in die Luft
zu sprengen, »nd alle Regierungsgebäude in Brund zu setzen.
Dann zog cr sich mit seiner Abteilung nach Norden znrück.
Während der Beschießung wurden vier Bewohner des Postens
getötct. Ein Matrose wird vermißt.

Zum Aufstand in Südwestafrika.

BerIin, 8. Juli. Amtlich wird aus Windhuk
gemeldet: Die Bande Morengas flüchtete nach dem
Gefechte bei Narus am 7. Jum zuerst südlich, dann teil-
weise nördwestltch. HauPtmann Sieber mit 3H^ Kom-
panieu uüd vier Geschützen verfolgte den Feind und stellte
fest, daß Morenga in der Gegend des Auob sei. Corne-
lius, der sich in der Gegend von Gochas am Fischslusse
sestgesetzt hatte, sammelte dort über 200 Mann. Die
S-chwievigkeiten des dortigen Geländes sind außerordent-
lich groß. Am 7. Juli unternahm! Major Gräser, nach-
dem eine Wteilung unter Leutnant v. Haeseler ini
Rücken der Gegner stanb, mit je anderthalb Kompagnien
unter dew Hauptleuten Pichler und v. Zwehl den Angriff
auf die feindliche Stellung. Sie wurde durch PichIer
g e st ü r m t. Cornelius floh nnter erheblichen Verlusten
nach Westen, bis zur DuNkelheit verfolgt. Gefallen sind
2 Ofsiziere, 2 Mann; verwundet 1 Osfizier, 11 Mann,
Major Gräser setzt die Verfolgung sort.

Hamburg, 8. Iuli. Am 29. Juli geht ein neuer
Transport von 17 Offizieren, 300 Mann und 500
Pserden nach Teutsch-Südwestafrika.

Jnternationale Sozialistenzusammenkunft in
Konstanz.

Konstanz, 9. Juli. Die iuternationale Zusammen-
kunft der Sozialdemokraten hier hatte ganz
u n g eh e u r e M en s ch e n m e n g e n hierher geWhrt,
Etwa 10—12 000 waren anweseNd. 14 Extrazüge und
drei Extraschiffe brachten ans allen Landesteilen Ge-
nossen und Genossrnnen. Sp-eziell die Schweiz stellte ein
großes Kontingent. Der Festplatz b-eim historischen
Husenstein war schon srüh sehr belebt und der Verkehr in
der ganzen Stadt ein enormer. Grotze polizeiliche und
militärische Vorbereitungen zum Schutze der öfteutlichen
Ordnung waren getrosfen. Jn der Kaserne stand ein
Bataillon bereit, jeder Sol'dat hatte 25 scharfe Patro-
ncn. Miüags 1 fthr erfolgte der Föstzug. durch einige
Straßen der Stadt. Es beteiligten sich etwa 2000 Per-
sonen mit 60 Fahnen. Das Bezirksamt 'hafte das Tra-
gen roter Fahnen verboten, das 'dadurch unigangen
wur'de, daß man einige weiße Schleifen an die Fahnen
hcstete. Die Behörde war durch den Geh. Reg.-Rat Groos
vertreten. Eine große Störung brachte 'das ReÄierver-
bot der auständisckien PartgifWrer. So wurde eine
Erklärung von den Rednern verlangt, daß sie. ntcht über
deutsche Politik sprechen sollten. Dies' wurde, jedoch ver-
weigert. Von dem Redeverbot wurde der schon für den
Vormittag bestellte ftalienische Depuitierts Caprivi aus
Rom> betroffen, der dieses seinen Landsleuten unter Ent-
rüstungsrusen mitteilte. Nach dem Festzug spräch Be-
bel, der die scharfen Mastnahnren mihbilligte und dann
auf die Jauräsfrage zu sprechen kam. Mit großer Lei-
denschaft ging er gegen Billow vor, der, wie er sagte, die
ganze Kulturwelt blamiert habe. Er habe von dem, was
er wollte, das gerade Gegenteil erreicht und das Ansehcn
der Soziäldemokratie gestärkt un'd gefördert. Für die
Agitation der Sozialdemokratie sei das Verbot Bülows
bezüglich des Austretens Jauräs wirksamer, als wenn
dieser gesprochen hätte. Er haLe der Sozialdemokrttie
das Wasser mehr als schesselweise auf ihre Mühle gelie-
sert. Die ausländischen Genossen, welche heute hier an-
wesend sind, werden einen netten Begrisf von- der deut-
schen Freiheft bekommen-, wenn sie von dem Redeverbot
hören. Wir werden es uns noch schr überlegen, ob
wir nickst 5 Minuten weiter gchen, um 'die Redner in der
Schweiz spreckjen zu lassen (Der Festplatz liegt unmittel-
bar an der schweizerischen Grenze). Jm wefteren Verlauf
der Rede wies Bebel auf das Konstanzer Conzil hin. Als
Hus aus dem Scheiterhaufeu' stand, sagte er: o s-anetä sim-
plicitas, das kann man auch nach Berlin rufen. Mirst
Bismarck war ein ariderer Kerl als Wllow, so kann die-
ser Bülow nie werden. Bebel besprach dann noch die
Marokko-Frage. Das blutige Schauspiel in Ost-Asien sei

ein Kinderspiel gegen einen eventuellen Krieg zwischen
Frankreich und Deutschland. Die Revolution in Rußland
müsse auch -ein Menetekel für West-Europa sein. Mit
einem Appell zur gewerkschastlichen Organisation und
mit einem Hoch auf die internationale Sozialdemokratie
schloß die Rede. Dann wurde mit großer Einmütigkeil
beschlossen, die ausländischen Redner in der Schweiz
sprechen zu lassen. Kurz-e Zeit daraus fand die Versamm-
-lnng in Kreuzlingen auf Schweizerboden ihre Fortsetzung.
Dort sprach als erster Nationalrat GreuIich - Zürich.
Er sprach sich m sehr Ieidensck)astlicher Art gegen das
R'e'deverhot aus. Dann sprach Doktor Adler-Wien
über die sozialdemokratischen- Jdeale. Er sagte u. a.:
Die österreichische Regierung sei schon wenig klug, aber
n-och weniger k-lug sei die 'deutsche, die den Sozialdemo-
kraten solchen Agstationsstoff geliesert habe. Beide Red-
ner schlossen mit einem Hoch auf die internationale So--
ziclldemokratie. Nach den Reden in der Schweiz kehrte
man nach Konstanz zurück. Bebel' wollte in Konstanz
nochmals sprechen, jedoch wurde die Versammlung von
der Konstanzer Böhörde aufgelhoben, weil, nachdem die
Versammlung in die Schweiz verlsgt, diesel-be in Konstanz
als ausgelöst betrachtet worden war und eine neue Ver-
sammlung 24 Stunden vorher angemeldet werden mnß.
Jnsolgedessen unterblieb die Rede Bebels. Um s/28 Uhr
löste sich die Versamnllung auf.

runlloltgksekle 8totte
r lS9 ttauMrL88v 159 unl! keete setu' bülig

Ueder L Lsngeneclcert

) dlsuo llsrron8toifo, Wv8tvn- Uastvrkartsll
! 8totke, V/L8vti8!ofkv, flanellv steüen ru vionsten.

SpezialtelMme i)er „tzeidelliergek ZeitW."

.4. Swinemünde, 9. Juli. Der Kaiser ist heute
Vcrmittag 11 Uhr an Bord der „Hohenzollern" hier ein-
getroffen. Um 12 Uhr mittags tra-f der ReichskanZIei:
Fürst Bülow von Verlin hier ein und begab sich. an Bord
der „Hohenzollern", um dem,Kaiser vor Antritt sÄner
Seereise Vortrag zu halten. Nach 12 Uhr wurde der
neue Gouverneur von Kamerun, Graf Zech, empfangen.

? London, 10. Juli. Mchrere hvndert Soldaten
sind ivährend der letzten drei Tage infolge der uner -
träglichen Hitze erkrankt, viele schweben in To-
dcsgefahr. Auch aus Norditalien werden Zahlrxiche Hitz-
schläge mit tötlichem Ausgang gemeldet.

I> Madxid, 10. Juli. Me Hitze in Andalusien ist
unbeschreiblich. Hunderte von Personen sind am
Sonnenstich erkrankt oder gestorben. Jn Lissabon
herrscht ebenfalls tropische Hitze, die zahlreiche Opfer sor-
d»rt.

Veranttvortlich für den redaktionellen Teil F. Montua, für den
Jnseratenteil P. Volz, beide in Heidelberg.

Wjtteruugsbeobachtungen der „tzeibelberger Zeitung

am 10. Juli 1905, morgens 7 Uhr'

Wärme-
Grad
nach Cels.

stirbeii !

ster I

WLrmegrad
'ett aefiern

Winds

richtung

Himmel

Luftdruck

Ntederlchlng

ft- 21.0

Den l

-j-19.4

>. Juli t

-4 30.5

^süber

O

Zonnensche

wlklr.

in.

754.7



Mutmaßliches Wctter am 11. und 12. Juln

Uclbcr gang Grotzbritannicn, dem növdl-ichen Drittel von
Frankreich und fast dcm- gangen, Dentschen Reich mit Ansnahme
von Ostpreußcn licgt nunnichr ein Hochüruck von 765—767
Mlmtr. Fni ei-ncr Umgcbung des Weißen- Mceres -behaupte.t sich
der seit-hcrige Lu-stwinbe-l von- 745 Mlllm-tr. Ein sekun-däres Mi»
nstnnm' von je 760 Mllmtr. zei-gt sich über Portugal un-d West»
s-pa>nien, sawie dem thrrhcnischen Mcer. Wei vorherrsche-n-d
növdlichen- bis Lstlichen W-in-den und weiterhin stetgen-der Tem-
peratur ist sür Dienstag und Mi' ttw 0 ch fast ausnahms-
los trockenes nn-d heiteres Wetter ber nnr sehr vereingelter Ge-
witterneigung in Anssicht zn nehnren.

dGnLn w Väliitzll-Grttzl) vawM-LtztttzlltAMn K LSV'.

vvutsvL«, IVivusr unck ?Lrl8vr t'nbrlkalv._'OsIspllon 104V.
 
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