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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 151-176 (1. Juli 1905 - 31. Juli 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16474#0204

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schaft fast ia ganz Deutfchland ein leühaftcs Echo gefunden. Uu-
ter den rezitierten Gedichten dieses 2. Programmteiles gesielen
autzer den schon erwähnten „Mädchenlicdern", „Entfagung",
„Älfo auch Du", „Heute Wend in idenr Garten", „Erranernng"
nnd die beiden von Bertels „Veilchengrund" und „Rolokomas-
kenball".

X Von der Universität. Professor Dr. Albrecht Diete-
r i ch veröffentlicht soeben (bei Teubner in Lcipzig) ein Buch
„Mutter Erde. Ein Versuch über Volksreligion". Er chat über
das gleiche Thema im vorigen Herbst auf dem internationalen
religio.iswissenschaftlichen Kongretz in Basel gesprochen.

— Aus der Studentenschaft. Die hiesige Areie Sru-
dentenschaft war in den lehten Tagen verschiedentlich an-
gegriffeni worden, weil sie eigene Waffen anzuschasfen beabsich-
tigt und damit versucht, die nichtinkorporierten Studenten vrm
dem Belegzwang bei einer schlagenden Korporation zu befreicn
Man hat das wieder einmal zum Anlatz genmnmen, über die
Gesehwidrigkeit, Rückständigkeit, Unkultur üfw. der Mensur
loszuziehen. Jn diesem Zusammenhang dürfte die Ansicht sehr
interessieren, welche der hiesige Universitätsprediger, Geh.
Kirchenrat Professor O. Heinrich Bassermann, — der
Dirvktor des badischen protestantischen Predigerseminars — vor
kurzem öffentlich vertreten hat. Jn seiner Hodegetik: „Wie stu-
diert man evangelische Theologie?" (Stuttgart 1905, W. Violet)
sagt Geheimrat Bassermann wörtlich: „Jch sehe nicht ein, wa-
rum nicht auch er (der Theologe) bei etwaigen Händeln, woran
er gar nicht selbst schuld zu sein braucht, die akademische Wcise,
sie auszutragen, mitmachen solltc. Eine Paukerei ist noch
kein Duell, und ist männlicher, als das Sichzurück-
ziehen hintör „Prinzipien" und immerhin besser als
der „Holz ko mme nt"." (Seite 45).

—*— Holzkommcnt. Die insolge ihres Benehmens hier vor
einigen Semestern als sarbentragende K. C.-Verbindung „Ba-
dcnia" suspendierte Korporation fristet ihr Dasein hier jctzt als
„Bavaria" und seiert z. Zt. i-hr Stiftungsfcst. Der bei dicser
Gelegenheit immer in erhöhtem Matze gcpflegte Alkoholgenutz
veranlaßte die Kommilitonen in der Nacht von Mittwoch auf
Donnerstag in einer hiesigen Wirtfchaft zu Ausschreitungen
gegen andere Studenten, bci denen der Knüppel cine nicht un-
bedeutende Rolle spielte. Loffentlich bleibcn auch die diszipli-
narifchcn Folgcn für die Herren nicht aus.

(II) Personalien. Für -den neuerrichtcten Lehrstuhl des
österreichischcn Staats- und Verwaltungsrats an der Univer-
sität Jnnsbruck ist der Statthaltereibeamte und Privatdo-
zent an der deutschen Universität in Prag, Tr. Max Kulisch,
vorgeschlagen worden. Dr. Kulisch ist cin Schüler von Hofrat
Prof. Dr. Jellinek und in hiefigen Kreisen durch feinen mehr-
semestrigen Aufenthalt in bester Erinnerung. Vor kurzem
hat er den ersten Band seines „Oesterreichischen Gewerbrechts"
erscheinen lassen.

— Aus Japan schreibt ein Deutscher einem hiesigen Freunde:

„Jn Japan herrscht natürlich eitel Freude über den großen
Seefieg. Die Rufsen haben sich schmählich benom'men. Das
fühlt man erst recht, wenn man als Angchöriger derfelben Rafse
unter den Gelbdn lebt. Wekanntlich hat ein ruffifcher Admiral

5 Schiffe an -die Japaner -Libergeben. Diese sind mit Aus-
naihme eines einzigen fast unbeschädigt. Vier wurden bereits
in die japanifche Marine eingereiht. Die Japaner könrwn
natürlich nicht genug Worte über die Feigheir und Erbärnilich-
kcit der Russen finden. Sie dehnen abcr diosts Urteil auf alle
europäischen Nationen aus und erklären sie sür feige Kerle, die
geschwind reißaus nehmen oder sich crgeben. Das Verhalten
-der Russen in dibfer Seeschlacht hat dem Vcrhalten der Euro-
päer in japanifchen Uugen einen furchtbarcn Etoß verjetzt. Die
übrigen europäischen Völker können sich dafür bci d«n groß-
fprecherifchen, säbelrasselnden Russen -bedanken Fn Rußiand
fchcint nicht nur „etwas faul" zu fein. Moralisch steht ssapa.r
ficherlich über Rußland, e-benso intellektuell. Durch diese beiden
Vorzüge hat Japan über das niedriger stehcnde Volk gesiegt.
Viele Europäer sagten, als die Nachricht von der Niederlagen
und demi schmählichen Verhalten der Russcn nach Tokw kam. sie
fchämten sich, der weißcn Rasse anzugehören." Der Bricf ist
aus Tokio vom 19. Juni datiert.

** Eine nationale Feier auf dem Schlotz wird a-m Sonntag,
deu 3. September, zur 35. Wie-derkehr des 'Sedanstages geplant,
ähnlich, wie folche Feiev.r fchon in früheren Jahren hier, sowie
auf dem Auerbacher Schloß, in Worms nnd in 'Vdenkobk-.i! abze-
hälten wurden. Man rechnet auf die Teilnahme national ge-
finnter Männer nicht nur aus Baden, sondern auch aus der
bayerifchen Pfalz und aus Hefsen.

— Polizeibericht. Verhaftet wurden zwei Taglöhner
und ein Schueider wegen Bettelns, ein Schlofser wegen Land-
ftreicherei, ein Dienstmädchen.wegen UnierschlaMng und ein
Mechaniker, der von einer auswärtigen Behörde zwecks Straf-
vollzngs verfolgt wurde. Zur Anzeige kamen zwei Taglöh-
ner, die sich im Stadtteil Handfchühsheim einer Körpevver-
letznng schuldig machten, und vier weitere Personen wegen
Ruhestörung und Unfugs.

— Schöffengerichtssitzung vom 27. Juli. Vor^sitzender: Ober-
amtsrichtbr Seitz. Adam Gund in Haft, Johann Granzer von
hier und Johannes Ungerer in Haft sind wegen Körperver-
-letzung, Widerstands, Beleidigung und Ruhestörung angeklagt,
es erhielten Grund 2 Monate 1 Woche Gefängnis und 1 Woche
Haft, G.ranzer 2 Monate GefänWis und Ungerer eine Gefamt-
ftrafe von 4 Wochen 4 Tagen Gefängnis un-d 3 Tagcn Haft;
Georg Friedcl von Schlierbach erhielt wegen Körperverletzung

6 Wochen Gefängnis; Gg. Valentin We-ber von Handschuhsheim
wegen desgleichen 40 Mark Geldstrafe oder 8 Tage Gefängnis;
Joh. Herm. Wernz in Haft wegen Diebstahls 5 Wochen Ge-
fängnis; Jofef Reichle in Haft wcgen Diebstahls nnd Unter-
fchlagung 4 Wochen und 4 Tage Gefängnis; Bru-no Stützbr
von hier wegen Sachbeschädigung 25 Mark Geldstrafe oder 5
Tage Gefängnis; Jakob Lambrecht in Hast wegen Diebftahls 2
Wochen Gefängnis; Emil Brecht in- Haft wegen desgleichen 2
Wochen Gefänynis.

* Ladenburk. 27. Juli. (Die hiesige Realschule) wurde
in dem jetzt zu Euse geheuden Schuljahr von 171 Schüleru be-
snLt; davon tratm im Lauf: des Jahres 18 aus. — Die Höhere
Töchterschule mitKnab envorschule zählteim Ganzen 116
Zöglinge. Von ibnen traten im Laufe des Jahres 11 aus. Der
Lehrplan dieser Schule beabsichtigt, den Mädchen vom vollendeten
6. bis 14. bczw 15. Lebensjabre eine möglichst in sich abgeichlossene
Bildung zu geben, die sie befädigt, woblausgerüstet ins Leben zu
trcten oder mit Anssicht anf Erfolg auf andere Unterrichtsanstalten
überzngehen. Zugleich werden in di« drei unteren Zabrgänge znr be-
sonderen Vorbereitung für das hlesige Nealprogymnasinm auch
Knaben anfgenommen. Dewgemäß schließt sich der Lehrplan in
den drei unteren Schnljahrcn mehr dem der erweiterten Volks-
schnle, in den folgenden dem der bad. Höh. Mädchenschulen vom
Jahre 1892 an.

Mannheim, 27. Jirli. (N o ch i n de r Sch w ebe.) Wie der
„Volksst." von mehreren, als gnt tnformiert zu betrachteniden
Stellen mitgeteilt wird, entspricht die Nachricht, -as bayerifche
Berkehrsministerium häbe das Gesuch um die Konzessionierung
der erektrischen Straßenbahn Mannheim - Dürkheim
äbfchlägig befchieden, nicht den Tatsachen. Es- sei vielmehr in
dieser Sache noch kein Beschetd ergangen.

Karlsruhe, 27. Jüli. (M äü che nf ch u le.) Einen weite-
ren fehr bemerkenswerten Fortschritt aüf dem Gebiet der lMäd-
chenibildung vollzieht mit Beginn des Schuljahrs (12. Septem-
ber) die hiestge städtifche Schulvsrwaltuntz dnrch Angliederung
einer F o r t Li l dnn g s kkaf s e an die höhere Mädchenfchule,
ideren Lehrplan sich kurz äls „E inführung'indie Kul-
tur des 19. I a h r h u n de r t s" charakterifieren läßt. Der
Unterricht soll 17 Pflichtstunden umfassen, 5 weitere nach Wahl.
Als Lehrgegcnftände sind borgefehen: Dxutschc Literatur, befon-
ders des 19. Jahrhuüderts (5 Stunden), Gefchichte (Staaten-
entwicklung nnd Bürgerkun'de, 3 Stunden), kunstgefchichtliche
Be-lehrungcn-, anknüpfemd an Befnch von Bauwerkcn und Karls-
ruher Mufeen, sowie Einführung in die Elernente -der Pshcho-
logie (3 Stunüen), Naturwissenfchasten (>Biologie, Anthropolo-
gie, Phystk, 4 Stuniden), sowie Fremidsprachen, unter besonderer
Werücksichtigung der Sprachfertigkeit und der Lektüre moderner
Literatür (je 2 oder 3 Stunden). Das Honorar für den Besuch
der Vorträge 'beträgt für das Schuljahr nur 81 Mark. Auffäl»
'lig an dem sonst fo vielfeitigen Lehrplan ist nur LaS Fehlen von
Philasophie (emschließlich Religion), sowie von Nationalökono-
mie; 'beidcs Gebiete, die in den letzten Jahrcn gerade nnter
den gebi'ldeten Franen außergewöhnliches Jnteresse und Ver-
ständnis gefunden haben.

X Aus dem Oberland, 27. Jnli. (He rbftan s s i cht'e n.)
Wenn man in der Gegend von Offenburg das Auge hin'schweifen
läßt über die vielen Hügel, „wo die Traube reift im Sonnen-
glanz", fo ruht der Mick des Beschauers voll Wohlgefallen auf
den mit vieler Li'cbe nnd Hingebuug gepflcgten Reben und auf
den Lereits fehr grohen Beeren. Man hort nnt Vergnngen, datz
die Rebbauern mit dem jetzigen Stand der Reben fehr zufrieden
find. Wenn die BlattfaMrankheit, die leider hestig auftritt uüd
Idie cnergifch bckämpft wird, nicht weiter vordringt, so hofft man
auf einen Herbst, wie feit Jahren nicht mehr. Den Rebleuten,
die anfgehen rn ider Sorge um emen guten Tropfen fnr ihre
Mitmenschen, wäre ein Vollherbst, oder wenigftens ein drei-
visrtel Hebbst, fehr zu gönücn. Anfangs September hofst man,
werm die 'Entwicklung fo weiter fchreitet, herbsteni zu könnem.

-s- Konstanz, 27. Juli. (Entglei st.) Bon hier wird be-
richtet: Als der Schnbllzug, der um 12.17 Uhr hier abgeht, zu-
fam'mengestellt wnrde, cnttzleiste beim Bahnübergang zum Gon-
delhafen die Mafchine. Diefelbe wurde quer über das Ge'leise
gestellt nnd fperrte die Einfahrt. Die Reisenden mußten beim
Jnselhotel ein- und anssteigen.

Handel und Verkehr.

Mannheim, 26. Juli, Overrbemilche Bank —. B 109.25 G.'
Rhein. Creditbank —B. 144.90 G. Rbe?n. Hypotbekenban!
—-— B 203.50 K. Brauerei Kleinlein, Heidelberq —.— B.
200.— G. Schroedl'sche Broi'cre! —B., —.— G. Portland-
Zementroerk Heidelberq 135 50 B-, 135.— G-

Börsen-Bericht vom 27. Juli 1905.

(Berli n.)

(F r a n k f u r t.)

8°/» dentsche Reichs-rnl. 90.20
8'/-°/«DentscheRe>chsanl. 101.25
8°/« Prenß. Consols 90.80
8'/-°/» Prenß. Consols 101.40
3'/-°/o abgesi. Baden 100.—
4°/» Russische Staatsanl. 88.50
4°/» Ilnqar. Staatsrente 96.90
4°/« äußere Arqent. 1897 90.50
5°/. lnnere Mexikaner 99 90
Rhein. Kreditbank-Aktien 144.80
Oberrhein. Bank-Aktien 109.50
Heidelbq. Zement Aktien 133.50
Alla. Elektr.-Ges.-Aftien 231.90
Oesierr. Kredit-Akti-n 207.90
Oestr-Staatsbahn-Aktien 145.10
Oesterr. Südbahn-Aktlen 18.25
4"/« Heidslb erger v/ 1901100.21
t°/o Mannbeimer v 1901 100.40
(London.)

4°/„ Javaner 88°/.

Goerz Shares 2'°/,,

Geduld Sbares 6"/,«

Great Fingall Shares 7'/,g
Jvanhoe Shares 7°/.

Baltimore u. Obio Shares 116'/.
Canada Pacifix Shares 1569,

4'/-°/« Cbinesen 96.80

Diskonta Komm.-Aktien 190.40
Deutsche Bank-Aktien 240.30
Berl. Hand.-Ges.-Aktien 171.50
Darmst. Bank-Aktien 145.20
Dresdener Bank-Aktien 159.20
Nat.-Bank für D.-Äktien 129.40
Schaaffhaut. Bankv.-Akt. 148.50
Bochumer Guß-Aktien 254.20
DortmunderUnion C.-Akt. 97.75
Gelsenk. Berqw.-.Aktien 236.10
Harvener-Aktien 222.60

Hiberma-Aktien - —

Kölner Bergwcrk-Aktlen 445.50
Lanrr-Aktien 26t.70

Privat-Diskont 2'///,

Reichsbank-Diskont 3°/„

Keldsorten.

20 Franks-Stücke —.—

Dollars in Gold 4.19

Enal. Sovereigns 20.39—43
Oesterr- Noten 85.10—20
Russische Noten 215.—

Amerikanische Noten 4.18'/»—10
Enqlische Noten 20.41'/»—45'/,

Wasserstandsnachrichte

N e ck a r.

Heidelberg. 28, 1.06 — 0.03 m
Mannheim, 97.,3.68 — 0.00 m
Heilbronn, 27.,(0.32 — 0.00 m

Rhein-

Lantcrburg 27., 4 43 ft- 0.10 m
Maxau, 27., 4.48 -s- 0.10 m
Mannheim, 27., 3 74 — 0.00 m

den Bergen' eingefchilofsen. Wir stehen in der Station im Eigex
(3975 Meter), auf dev Oftflanke sehen wir das Wetterhorn
(3708 Meter) und au diefes aüschliehend die ganze mächtige
Bevgkette: kleines Schreckhorü (3497), großes Schreckhorn
(4080), Lauteraarhörner (4043), Strahlegghörner (3488),
Neines Fieschechorn (3905), großes Fiefcherhorn (4005;,
Fiefchergrat mit Walcherhorni (3705) uüd cndlich das untere
Mönchsjoch (3630), das sich rechts, also westlich von der sta-
tion „Eismeer", an 'die Südfeite des Eigermassivs anlehnt
nwd fo das Bergkarufsel abschließt. Zwischen diefen Fürsten
des HochgebrrtzS oder ihnen vvrgeilagert liegen die weniger be-
deutenden und doch so bebannten Höhen: Bergli (3299), Zä-
fenkerghorn usw. Uüd von all «diefen Bertzen hangen wiederum
Gletscher herab; wöhl an die 20 sind von 'der Station aus
zu zählen und heben stch deutlich voü dem dunNen, nackteu,
baumi- und graslofen' Felfen ab, deren Silhouette der blaue
Himmel mit fcharfen Strichen zeichnet.

Hochbefrieditzt verlafsen wir Lie Station, mit der festen
Ueberzeutzung, daß Daufends und Wbertanseüde hier eine
Stunde innever Erhebu'ng finden werden, -die wie Andachts-
ftimmung ihre Seele 'weiht. Und sje alle wöhl werden bcim
Schjetdeü in stiller Darckbarkeit des grohen' Mannes gcidenien,
der das gewaltige Werk der Juntzfraubvhn, begvündet und sich
damit für «lle Zeiten ein DenkmeÄ errichtet hat, dauernder als
Erz.

Kleme Zeitung.

— Stuttgart, 27. Juli. Die Derletzuugen des P r i u-
zen Ernst von S a ch s e n - W -e i m a r bei dem Auto-
mobilunfall sind leichter Art; er hat nur eimge
Quetfchungen erlitten. Der Prinz hofft in kurzer Zeit
wieder hergestellt zu sein. — Das Automobilunglück d-S
Prinzen Ernft von Sachfen--Weimar ist bei der Eisen-
bahnhaltestelle Engelsbrand bei Neuenburg erfolgt. Tem
Prinzen wurde die erste Hilfe vom Oberamtmann" in
Neuenburg geleistet. Es wurbe dann ein Wagen' von
Wildbad geholt, mit dem der Prinz nach Ludwigsburg
weiierbefördert wurde.

— Lage, 26. Juli. Jm 'sögen. Diesseits-Prozeß erklärte der
Abfcnder des „Diesseits"-Telegramms, Prof. Kekule von Stra-
donitz: Jch ersah aus deu Zeitungen, daß an den lippischen
LanÄag d'ie Vorlage 78 gekommen sei, -wonach die Frage auch
dem Reichstag vorge'legt werden foll. Jch erblickte >dariri die
Gefahr einer Verfchlepp-ung und auch, daß der Reichstag erklä-
ren könnte, die Sache ist bereits enffchieden und bsdürfe keines
weiteren Schiedsfpruches. Dies veranlaßte mich, an den Pri-
vatkläger, den mir befreundeten Kommerzienrat Hoffman.r, die
bckannte Depefche zu richten. Jch hielt ^s für notwendig,

an Len Pri-Vatkläger die Depefche zu richten, znmal mir be-
kannt war, datz letzterer auf meinem Standpunkt stand.
bemerke abcr ausdrücklich, daß ich in der Depefche lediglich mei-
ner Privatanficht Ausdrnck gegeben habe. Jch hatte weder von
irgend einer Seite in Bevlin odcr Dückcbnrg den- Anftrag, die
Depesche zu fenden. Jch fchrieb zunächst: „Als besondere Ge-
fahr wird angefehcn". Diefen Text Lndertc ich, 'da ich befürch-
tete, es könnte daraus gefolgert werden, ich hätte von irgevo
einer Seite ei.ren- Auftrag gehabt. Jch ichrieb deshalb: „Als
befondere Gefahr wird von mir angesehen." Ilin nnn ein Wort
zu sparen-, strich ich die Worte „von mir" dnrch und erfetzte dieie
durch das Wort „diesfeits". Verteidiger Justizrat Dr. Wal-
lach: Sie 'behaupten alfo, leditzlich um 5 Psg. zn fparen, habcn
Sie anstatt „von mir" „diesseits" gcschriebcn? — Zcuge: Jv-
wohl. (Wegen des Wortes „diesseits" hat ma.> Kekule als Azen-
ten der Schaumbnrger angesehen nnd Herrn Hoffmann ist von
dem jeht angeklagten Redaktenr der Vorwurf gemacht, daß et
mit den Gegnern der Lippe'schen Staatsregier mg konspirwre.)
Zengje fiigt dann hinzu: Er habe an dem ganzen Thro.rfolge-
strcit in der Hauptsache ein wissenfchaftliches Jnteresse. Er ser
allerdinys juristifcher Berater 'des Rechtsbeistandes des Fürsten
von SchanmbnrT-Lippe im Thronfolgestreit. Er erhalte al^
Schaumburg-Lippe'scher Kammerherr keinerlci Beföldung. En
habe von 1896 bis 1902 unentgeltlich gearbeitet. Ende 1902
häufte sich abcr die Arbeit derart, daß eine Entfchädigung ver-
einbart wnrde.

— Lage, 27. Juli. Jm „Tiesseits".Prozeß wuroe
nach Lstüudiger Beratuug der Angeklagte Neumann we-
gen Beleidigung in sechs Fällen zu 550 Mark G e l d-
strafe und zwei Wochen Gefängnis verur-
t e i l t.

Selbstmorde in Preußen.

Nahezu 35 000 Personcn haben, wie di'e in Heft 189 der
Preußischen Stattstik enthaltenen Veröffcntlichungen beweifNi'
in Len letzten fünf Jahren i-n Prenßen ihr Leben durch Selbst-
mord beendet. Auf das letzte Berichtsjahr allein fielen 7470
Opfer, und zwar 5878 Männer und 1692 Frauen. Die Zahl
dieser ibeklage-nswerten Fälle ist nicht nur absolut in den letzten
Jahrcn stetig gesttegen, sondern hat auch relativ cine Zunahnü
erfahren; denn während 1899 auf je 100 000 Einwohner nur
19 Selbstmorde entfielen, wurden in de.r bciden folgcndcn jc "0
und in den beiden 'letzten je 21 diefer beklagenslverten VorkomM-
nisse beobachtct. Auf die beiden Gefchlechter verteilen fich -dre
Selbftmvrde i-n der Weife, datz annähernd vier Fünftel' aus
dos männ-liche kommen, während aus das weiblichc etwas mehr
als cin Fünftel fällt. Jn diesem Verhältnis treten im Laufe
>der Ja-Hre nur geringe Schwankungen ein; seine Eökläru.ig fin-
dct es vielleicht in dem Umstande, daß die Kraft -der Män-net
durch den wirff'chaftlichen Kampf -doch.im großen und ganzen vic-
-mehr in Anfpruch genommen und anfgebraucht wird als vie
der Frauen. Wenn bisher immcr Von Wännern nnd Fraueu
gefprochen worden ist, fo sollte damtt lediglich >das GeschleM
der Unglück'lichen -Lezeichnet werden, die in einer büsen Stuüde
Hand an- sich gelegt -haben; denn die jüngsten Selbstmorde sino
weder das eine -noch das andcre, sondern — Kin'der. Jn
Fällen, von üenen je einer sich in Schleficn und in Hessen-Nafsa"
ereiMete, endeten bereits Knabcn von nnter zehn Jahren stl''
ber ihr Leben; ihnen geseüten sich 58 Geschlcchtsgenofsen votz
zehn bis fünfzehn Jahrcn und neun im gleichcn ki-ndlicken 20-
ter ftchende Mädchen zu. Die absolut größte Zahl (1176 uuo
L88) stellte bei beiden Gefchlechtern das Alter von 50—b»
Jahren. .

Jn 35 Fällen wurde Sblbftmord verü-bt untcr gleichzeittg^
Tötung anderer Perfonen; 48 Lobensmüde gingen gleichzeitc3
mit andern in -den Tod. Jn eincr größern Zahl der vcrzdichu^
ten Fälle ist auch der Verdacht der Tötung durch frenide Hatz
nicht gänzlich ausgefchlossen. Die eigcntümlichc Erscheinuug.
daß die mcisten Sel'bftmorde auf den Frühling, die weiiiE/,.
aus die letzten Monate 'des Jahres cntfallen, zeigen auch
Zahlcn für 1903 aufs neue, da aus den Frühling 2144, deu
Sommer 1972, -den Herbst 1487 und den Winter 1774 Töffiugco
entfielen. Den Gründcn diescr sehr interessantcn ErfcheinuU3
an dieser Stelle nachgufpürcn, würde indessen zu weit füh^"'
Von Jnteresse ist auch ein Blick auf die Mittel, womit üie Ber/
zweiflu.igstat ausgeführt wird. Etwas mehr als ncun Zehust
aller Männer (90,2 Prozent) und über ein Fünfteh (82,3

zent) aller -durch eigene Hand geftorbener Frauen enideten

ihc

Lebcn durch Erhängcn, Ertränken oder Erschicßen. Der Stul)
aus dcr Höhe war bei den Francn virhältnismäßig mehr a ^
dreimal so häufig zu 'beobachten, als bei den Männern (3,8
gen 1,1 Prozent. Die Frage nach den Beweggründen der uufiu
gen Tat weiß die Stattstik naturqemäß nur sehr lückenhaft.5
beantwortcn, sind doch oft die nächsten Ilngehörigen hierüber r
Ungcwissen. So darf es denn nicht überrafchen, daß von ciM
Biertel aller Männer und etwa 18 Prozent der Frauen 9
Grun-d znr Tat überhaupt nicht zn ermitteln war; es wird
außerdem noch niancher d-er andercn Fälle in einer falfchen R
'brik gcbucht worden fein. Trotz diefen in der Natur der
licgenden Einfchränkung ist es interessant, daß von dcn B/u ^
nern rund ein Vieriel 24,7 Prozent) und von den Fraucn na^
zu die Hälfte (44,7 Prozent) Selbstmord i'm Zustande
Geisteskrankbeit vcrübten. Weitere 13 Prozent
wciblichen und 11,2 Prozent beim männlichcn Geschlecht wav-^.
auf körperliche Leiden, 6 nnd 11,5 Prozent auf Kummer ah.^
Art zurückzufiihren. Zahlreich vertrete.r als Grund des/S9iw^
mordes find dann beim weiblichen Gefchlecht die Leidenscha"

(5 Prozent), beim männ'liche-n die verschicdenen Laster (8,7 .g
zent). Aus Eiferfucht oder unglücklicher Liebe endctcn
Männer und 78 Frauen, zufamMcn also 197 Personcn ihl "
ben.

Die revolutionären Vorflänge in Rußlav^

Breslau, 27. Juli. Nach einer Melduug
Kattowitzer Zeitung aus Warschau foll der Generalg ^
verneur Maximowitfch aus Warschau geflüchtet '
da er mit dem Tode bedroht worden ist. H

di' L"

Moskau, 27. Juli. Als iu Jaroslaw
onstadt bestimmten Reserve-Matrofen sich
Bahnhofe einfan-den, nahm der Ll'ommandant der

Jaroslaw, Oberst Popow, eine Besichtigung der

.MlO''

fchaften vor und machte einem von diesen Vorwnrle- ^ -

III3

Matrose antwortete dem Obersten in frecher Weise ^
verweigerte den Gehorsam. Daranf verfetzte ihw
Oberst mit der Fauft einen Schlag ins Gesicht- ^
Mißhandlung empörte die Reservisten.

.«... L..

21 Matroi^

stürzten sich aus den Kommandanten und l ^ ^ -

gen auf ihn ein, bis er blutüberströmt zufam ^
brach. Die Meuterer wurden festgenommen und l A-tz
starker militärischer Eskorte nach Kronstadt gebraast-
werden sämtlich vor ein Kriegsgericht gestellt.

Odessa, 27. Jnli. Große Aüfregung

ive


eine Proklamation des Generalgouverneurs, i"
die Juden beschnldigt werden, die llrheber »--
rühen zu sein. Qhne Juden hätte es keine „Pote"
Affäre gegeben. Weiter heißt es, datz der Genera
 
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