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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 230-255 (2. Oktober 1905 - 31. Oktober 1905)
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fung eines Mlt der Wahrnehmung der Gemeinschaftsge-
schäfte zu betrauÄldsn- auf föderativer Basts beruhenden
Wsträhsrgäbd ch e r"l ä'f's'e n und in der Hauptsache nur
die Herbeiführung einer gemeinsamen Güterwagen-
benützung, etwa nach Art des preußischen Staats-
bahnwagenverbandes, in Aussicht genommen worden.
Mit der Vorbereitung der hierwegen zu treffenden Ver-
einbarungen sollen zwei Ausschüsse, ein administrativer
und ein technischer, betraut werdeu. Das Ergebnis dieser
Verhandlungen ist auch insofern von Bedeutung, als die
Badische Staatsbahnvertvaltung, ebenso wie die Würt-
tembergische, die Annahme der Personentarifreform, ins-
besondere also auch der 4. Klasse, von dem Zustandekom-
men der Betriebsmittelgemeinschaft auf der bisher in
Aussicht genommenen Grundlage abhängig gemacht hat.
Das heißt also, daß die Tarifreform nicht kommen wird,
da die Betriebsmittelgemeinschaft inbezug auf die Per-
sonenwagen und die Lokomotiven nicht zustande kommt.
— Der Württembergische „Staatsanzei-
g e r" berichtet in dem gleichen Sinne, wie die „Karlsr.
Zeitung". Danach ist die Gütergemeinschaft in der Art
gedacht, daß zwar eine gegenseitige Benützung des Güter-
wagenparks ohne Einzelabrechnung und unter tunlicher
Vermeidung der Leerläufe stattfinden, daß dagegen die
Verwaltung ihren eigenen Wagenpack beschaffen, erneu-
ern und unterhalten soll, letzteres mit Ausnahme voa
Beschädigungen, wodurch die Lauffähigkeit eines Wa-
gens odsr seine Benützbarkeit beeinträchtigt wird und die
von der Verwaltung, in deren Bahnbereich die Beschädi-
gungen eintreten oder entdeckt werden, auf eigene Kosten
zu beseitigen wären. Diejenigen Verwaltungen, die den
gemeinschaftlichen Wagenpark mit einer höheren, als der
nach ihrem eigenen Wagenpark treffenden Quote in An-
fpruch nehmen, sollen an die Gemeinschaft für jeden zu
wenig vorgehaltenen Wagen eine Pauschalsumme ver-
güten, die an die Verwaltungen verteilt würde, die mehc
Wagen vorhalten, als sie durchschnittlich in Anspruch
nehmen. Die Neubefchaffung der Güterwagen soll, un-
beschadet der Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse, nach
einheitlichen Musterzeichnungen erfolgen. Für die Wahr-
nehmung der Geschäfte der Gemeinschaft soll eine der
beteiligten Verwaltungen als geschäftsfllhrende Verwal-
tung bestimmt werden.

— Das Kgl. G e n e r a l k o m m a n d o des 14.
Armeekorps hat an das Großh. Ministerium des Jnnern
-aus Anlaß der diesjährigen Herbstübungen das nach-
stehende Schreiben gerichtet:

Karlsruhe, den 8. Oktober 1905.

Nach Meldung der unterstellten Divisionen haben die Trup-
Pen während der dicsjährigen Herbstübungen im Großherzog-
tum Baden überall bei den Quartierwirten die freundlichste
Aufnahme gefunden. Es ist dies um so dankbarer anzuerken-
nen, als viele Gemeinden sehr lange und stark mit Einquar-
tierung belegt werden mußten.

Auch im Verkehr mit den beteiligten Zivilbehörden in Ma-
növerangclcgenheiten haben die militärischen Dienststellen durch-
weg bereitwilliges Entgegenkommen gefunden.

Dem Großh. Ministerium möchte ich nicht verfehlen, hier-
von init dem Ausdrucke meines verbindlichsten Dankes sehr er-
gebenst Kenntnis zu geben.

Der Kommandierende General:
gez.: von B o ck.

— Dcm Antrage betreffend Anerkennung der Reife-
zeugnisfe des M ä d ch e n g y m n a s i u m s zu
Karlsruhe als Nachweis der in der ärztlichen
Prüfungsordnung geforderten wissenschaftlichen Vorbil-
dung wurde vom Bundesrat die Zustimmung
erteilt.

Aus der Karlsruher ZeituKK.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Abteilungsvorstand bei der Generaldirektion der Staatseisen-
bahnen, Oberregierungsrat Max Herrmann, die Erlaubnis
zur Annahme und zum Tragen des ihm verliehenen Königlich
Preußischen Kronenordens dritter Klasse, dem Oberpostsekretär
Kraft in Heidelberg für den Königlich Preußischen Roten
Adlerorden vierter Klasse, dem Landeskommissär für die Kreise
Konstanz, Villingen und Waldshut, Geheimen Oberregierungs-
rat Dr. Karl Krems in Konstanz, für das Komturkreuz zwei-
ter Klasse des Köuiglich Sächsischen Albrechtsordens, dem Hof-
apotheker Dr. Hugo Glaßner in Heidelberg für das ihm von
deni Fürsten von Monienegro berliehene Offizierkreuz des
Tschernagorischen Unabhängigkeitsordens erteilt und die Post-
jekretäre Karl Hennenbergcr aus Freistett und August
Einwächter aus Weriheim zu Oberpostkassenbuchhaltern
bei der Obcrpostkasse in Karlsruhe ernannt.

Dem Postassistenten Wilhelm Schleihauf in Frei-
burg ist dcr Titel Telcgraphensekretär verliehen worden.

Buchhalter Friedrich Hummel bei der Evang. Pflege
Schöuau in Heidelberg wurde behufs Versehung einer Reviden-
tenstelle zur Oberrevision des Evangel. Oberkirchenrats verseht.

Zur Landtaqswahlbeweflung.

* Heide.lberg, 16. Okt. Gestern fand noch eine ganze
Reihe von Wahlversammlungen des liberalen Blockes hier und
in der Umgegend statt. Jm Stadtteil Handschuhsheim
Hielt am Nachmittag Prof. Rohrhurst eine solche ab, die
sehr stark besucht war und den besten Verlauf nahm. Außer
dem Kandidaten sclbst, der sehr wirkungsvoll sprach, ergriffen
moch von nationalliberaler Seite die Herren Steingötter,
Thurecht und Heinzelmann, sowie der Führer der
Jungliberalen, Herr Dorn, das Wort, außerdem von den
Blockparteien Prof. R ö s ch für die Nationalsozialen und Herr
Gerard - Mannheim für die Freisinnigen. Abends schloß
sich daran eine ebensogut verlaufene Versammlung in der Rose
in Neuenheim.

Prof. Quenzer benutzte den letzten Sonntag vor der
Wahl, um in Wilhelmsfeld und Altenbach Ver-
sammlungen abzuhalten. Damit ist er auf die Zahl 30 ge-
kommen. Kaum ein Kandidat im Land dürfte eine solche nach-
drückliche und unermüdliche Agitationstätigkeit entfaltet haben
wie er. Beide Versammlungen waren verhältnismätzig gut be-
sucht, und die Ausführungen des Herrn Redners, dem Herr
Oberlehrer Herrigel mit schönen, wirkungsvollen Worten
zur Seite stand, dürften in den Orten weitergetragen werden
und die Gemüter anregen. Jn Altenbach war einige Opposition

fatzt) ist wohl geeignet, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sie
hinzulcnken.

von Zentrumsleuten und Sozialdemokraten. Jm allgemeinen
beschränkte sie sich auf Zwischenrufe. Ein Sozialdemokrat er-
griff zweimal das Wort, doch der Sinn seiner ungeordneten
Ausführungen war sehr schwer zu verstehen. Viel Beifall bei
allen Parteien saud der Kandidat, als er mit groher Entschie-
denheit forderte, daß die Mitzhandlungen beim Militär auf-
hören.

Jn Wieblingen sprach gestern Herr Grieser in sehr
zahlreicher Versammlung mit bestem " Erfolg. Später trat,
bon der Jagd kommend, noch Prof. O st h o f f in den Saal und
empfahl die Wahl des liberalen Blockkandidaten.

Kirchheim, 14. Okt. Jn einer öffentlichen Wahlver-
sammlung entwickelte heute Abend der Kändidat der natio-
n a l l i b er.a l e n Partei, Herr Oberlehrer Grieser von
hier, sein Programm. Jn der Versammlung waren etwa 280
Wähler anwesend, Katholiken und Protestanten, auch einige
Zentrumsmänner und etwa 10 Sozialdemokraten. Die Aus-
führungen des Kandidaten und insbesondere seine entschiedene
Stellungnahme iu Eisenbahnfragen, seine Darstellung dcr Lage
der kleinen Beamten und Eisenbahnarbeiter fanden ebenso die
Zustimmung der Versammlung, wie seine Zusage, im Jnteresse
der religiösen Tolcranz für die Beibehaltung der gemischten
Schule einzutreten und bei der Steuerreform den Abzug aller
Schulden zu verlangen. Hierauf ergriff zu ungefähr einstün-
diger Rede das Wort Herr Rechtsanwalt Dr. Bauer aus
Heidelberg, welcher zunächst unsere auswärtige Politik im An-
schluß an die neuesten französischen Enthüllungen und einige
Reichsfragen, wie die Fleischteuerung behandelte. Das folgende
Kapitel der Rede war dem „Zukunftsstaate des Zentrums" ge-
widmet; es wurde gezeigt, wie es um Andersgläubige und um
nichtultramontane Katholiken iu diesem Staate bestellt sein
müsse, wenn einmal mit den Mitteln „regiert" werde, die in
dem Wahlkampf Verwendung finden. Mit Erregung wurde
von der Versammlung der Hinweis darauf hingenommen, daß
es jetzt schon ein vielgebrauchtes „Gebetbuch für die katholische
Männerwelt" gebe mit einem Kapitel: „W en wähle ich?"
Redner forderte alle nicht ultramontan gesinnten Wähler auf,
mit aller Energie zu verhindern, daß das Zentrum mit seinen
Mitläufern bei uns die Macht erhalte, denn das Gefährliche sei,
! daß die Zwangsmittel des Zentrums ihm gestatten würden,
diese einmal gewonnene Macht festzuhalten und es vielleicht erst
unseren Kindeskindern möglich sein werde, die Last abzuschüt-
teln, wenn sie durch Schaden klug geworden scien; von diesem
Schaden aber müßten sie durch uns bewahrt bleiben. Der
Sozialdemokratie gegenüber betonte Redner die tiefe Kluft,
welche sie von den Liberalen trenne, wegen ihrer Stellung zu Fürst
und Vaterland und unserer Gesellschaftsordnung, sowie wegen
ihrer einseitigen Jnteressenvertretung, die der liberale Gedanke
nicht ertragen könne. Trotz ihres Aussehens und Auftretens
aber hielt Redner die Sozialdemokratie für weniger gefährlich
als das Zentrum, sie sei wenigstens offen und sage, wo sie
hinauswolle, während das Zentrum angeblich nur den Schutz
der — niemals gefährdeten oder gestörten — Religionsaus-
übung und „einige Klöster" wolle, tatsächlich aber eine Unter-
drückung des Staates zum Ziele habe. Die Sozialdemokraten
sagten sich auch unter sich gehörig die Meinung, die Masse des
Zentrums aber gehe in stummem Gehorsam und gesenkten
Blickes hinter seinen Führcrn und Geistlichen her. Wenn die
Sozialdemokratie zur Macht gelangen und einmal das Zünglein
an der Wage zu bilden hätte, werde es mit derselben bald zu
Ende sein^ würde sie z. B. an maßgebender Stelle das Budget
für unser Heer verwcigern und das Volk dann zu entscheiden
haben, so würden die Sozialdemokraten nicht mit einem Drittel
ihrer Sitzesin das Parlament zurückkehren. Deshalb habe er
die feste Hoffnung, daß eine ernste Entscheidung die Mehrheit
der jetzigen kfozialdemokratischen Wähler zu den bürgerlichen
Parteien zurückführen werde. Mit dem Zentrum aber sei eine
Verständigung ausgeschlossen. Redner empfahl zum Schluh
noch eingehend den nationalliberalen Kandidaten. Herr Be-
zirkstierarzt Väth aus Heidelberg wandte sich in einer länge-
ren Ansprache noch an die Landwirte, bcsprach ihre Jnteressen
auf dem Ge^jete der Viehzucht und dcr Produktenverwertung
und forderte sie zum Anschluß an die nationalliberale Partei
auf, die schon so vieles für die Landwirtschaft getan habe und
auch weiter tun werde. Eindringlich warnte Nedner die Land-
wirtc davor, zu glauben, datz sie mit einer einseitigen Jn-
teressenvertretung etwas ausrichten könnten. Das Wohl der
Landwirtschaft könne nur durch einen Kandidaten gefördert
werden, der einer großen Partei angehöre, wie es die
nationalliberale sei. Es sprachen ferner noch Herr Bürger-
meister Kaltschmidt, welcher zum Eintreten für den in
Kirchheim seit 25 Jahren bekannten und angesehenen Kandi-
daten aufforderte. Herr Grieser beantwortete noch aus der
Versammlung an ihn gestellte Fragen, und hiermit hatten ditz
oft mit lebhaftem Beifall begleiteten Reden ihr Ende ge-
funden.

Aus Baden, 14. Okt. Jm Bezirkt Karlsruhe-
Land stellte das Zentrum Herrn Revisor Trenkle in
Karlsruhe als Zählkandidaten auf. — Jm Bezirk Kehl hat
das Zentrum lt. „Bad. Bcob." Wahlenthaltung proklamiert.

Aus Sradt und Land-

Heidelberq, 16 Oktober.

^ Automobilomnibus. Am Samstag Nachmittag machte
Herr Direktor W i ck mit vier Vertretern der Presse eine Fahrt
mit dem neuen Automobilomnibus. Kurz nach 3 Uhr fuhr man
vom Bismarckplatz ab; die Fahrt ging nach Neckargemünd und
von dort über Kleingemünd auf dcr rechten Seite des Neckars
nach Heidelberg zurück. Sie nahm etwas mehr als eine Stunde
in Anspruch und verlief zu vollster Zufriedenheit der Reisenden.
Man sitzt auf den grünen Plüschpolstern des schönen Wagens,
der in seinem Aussehen den Wagen der clektrischen Straßen-
bahn ähnelt, sehr bequem. Die Erschüttcrung ist kaum so groß
wie bei einer Eisenbahnfahrt. Sehr bemerkenswert ist, wie
der vorzüglich konstruierte Wagen willig jedcm Hebeldruck des
Chauffeurs folgt, wie er sich durch gekrümmte Gassen schlängelt
und behutsam enge Passagen überwindet. Man hat das Ge-
fühl, als sei er ein lebendiges Wesen. Eine Anzahl von Fuhr-
werken wurde überholt, mit anderen begegnete man sich. Die
Pferde scheinen an die Autos schon gewöhnt zu sein; nur bei
einem herrschaftlichen Fuhrwerk gebrauchten die Jnsassen die
Vorsicht, das Pferd beim Kopf zu halten, als der Omnibus
vorüberfuhr, und auch bei einem Aröeitsfuhrwerk wurden die
Pferde etwas ängstlich. Der Chauffeur crwies sich als vor-
sichtig, geschickt und zuverlässig. Man hofft, daß öer zweite
Wagen noch im Laufe dieser Woche zur Ablieferung gelangt,
und dann kann unter Umständen der regelmäßige Verkehr schon
am nächsten Sonntag beginnen. Der für dic Fahrt nach Schlier-
bach bestimmte Wagen wird mit der vollen Stunde vom Karlstor
abfahren und mit der halbeN Stunde die Rückfahrt von Schlier-
bach antreten. Der Fahrpreis wird bis zum Jägerhaus 10
Pfennig, bis Schlierbach 15 Pfg. betragen und damit billiger
sein, als btzi ärgend einem andern Unternehmen dieser Art in
Deutschland. Der Kirchheimer Wagen wird in der Nähe dcs
Bahnhofs feinen Stand haben. Der Preis für die Fahrt nach
Kirchheim wird auch nur 15 Pfg. betragen. Wir wollen nur
wünschen, daß das Publikum von diesem neuen, schönen und
billigen Verkehrsmittel einen recht ausgiebigen Gebrauch macht.

X Ncckarschiffahrt. Die Räumungsarbeiten an der einge-
stürzten Brücke der Nebenbahn werden morgen Mittag 1 Uhr'
beendet sein, sodaß von diesem Zeitpunkt ab die Schiffe Kie
Stelle wieder pässieren können.

Ii. Harmonie-Gesellschaft. Der sehr gut besuchte Familicn-
Abend der Harmonie-Gesellschaft am letzten Samstag verlief in
gewohnt „harmonischer" Weise. Wenn man bedenkt, wie schwer
es meist ist, zu Anfang dcr Vergnügungszeit die Kräfte zuM
Füllen eines Programmes zusammen zu bekommen, so mußte
man über die abwechslungsreiche Menge des Gebotenen crstaunt
sein. Es war alles da: trefflich eingeübte Männerchöre, ein
prächtiges Doppelquartett, ein reizendes humoristisches Duett,
in dem zwei Damen der jungen „Ehe Freud und Leid" schil-
dern, Einzellieder für Bariton, heitere Vorträge, sowie schließ-
lich ein Schwank „Die Naturheilmethode", der, von altbewähr-
ten und neu gcwonnenen Kräften ganz vorzüglich dargestellt,
große Heiterkeit hervorries. Ein Tänzchen, an dem sich eine
sehr grotze Anzahl von Paaren beteiligte, beschloh den wohl-
gelungenen Abend.

-I- Russisches. Jn dem Fabrikort Marki bei Warschau, wo
sich die große Spinnerei der Gesellschaft Briggs-Posselt be-
findet, wurde am 14. d. M. gegen die Villa des Herrn Posselt
eine Bombe geschleudert. An dem Attentat beteiligten sich etwa
12 Personen. Ein Teil des Gebäudes wurde stark beschädigt,
die Köchin und ein Gärtner wurden getötet. Die flichenden
Attentäter, die von der Polizei verfolgt wurden, gaben Rc-
volverschüsse ab und töteten drei Polizisten. Kosackcn halten
jetzt Marki besetzt, wo unlängst ein wochenlanger Strcik von
10 000 Arbeitern durchgeführt wurde. — Die Familie Posselt
stammr bekanntlich aus Heidelberg. Nach dem Onkel des in
Rußland lebenden Fabrikanten Herrn Posselt ist unsere
Posseltslust benannt. Manche Heidelberger werden sich noch
entsinnen, wie Herr Posselt hier im Museum vor eiuigen
Jahren seine silberne Hochzeit feierte. Unserm kaufmännischen
Verein hat Herr Posselt sich als grohmütiger Gönner erwiesen.
Mit großem Bedauern wird man hier vernehmen, daß die un-
ruhigen Zeiten in Rußland auch ihn in Mitleidenschaft gezogen
haben. Hoffentlich bleibt er und die Mitglieder seiner Familie
persönlich unversehrt.

X Aus dcr katholischcn Gcmeinde. Herr Erzbischof Nör-
ber ist am Samstag Abend 6.40 Uhr hier eingetroffen und
von den Vertretern dcr katholischen Gemcinde festlich eingeholt
und nach der Jesuitenkirche geleitet worden, wo er an die dort
bersammelte Gemeinde eine Ansprache hielt. Darnach begab
sich der Erzbischof in das Pfarrhaus. Gestern erteilte er einer
großen Anzahl von Kindern die Firmung und heute nahm ec
die Einweihung dcr neuen Raphaelskirche im Stadtteil Neuen-
heim vor.

!! Aufgcgriffen wurde gestern ein Volksschüler von Mann-
heim. Derselbe wurde ins Pfründnerhaus verbracht und wirö
jedenfalls einer Zwangserziehungsanstalt übergeben wcrden.

— Polizeibericht. Verhaftet wurde ein Taglöhner we-
gen Entwendung von Nahrungsmitteln, ein Student und ein
Handelsmann wegen fortgesetzter Ruhestörung, ein Taglöhner
und ein Küfer wegen Bettelei, ein Taglöhner wegen Ueber-
tretung der Gewerbeordnung und Landstreicherei, ein Bäcker
wegen Fähnenflucht und ein Arbeiter wegen Bettelns und
Ruhestörung. Zur Anzeige kamen 12 Personen wegen Ruhe-
störung und Unfugs.

Tauberbischofsheim, 14. Okt. (Eine Hundertjäsi-
riger.) Frau Weinhändler Josefine Rincker Witwe, Mii-
begründerin und langjährige Präsidentin des hiesigen Frauer -
vereins, feiert am 16. Oktober den 100. Geburtstag.

Maimheim, 14. Okt. (Der Großherzog von Sach-
sen-Weimar) traf gestern Nachmittag in Begleitung se -
nes Adjutanten Freiherrn von Fritsch per Automobil hier ein,
um seinen bei der Rheinischen Gasmotorenfabrik Benz u. Co-
in Auftrag gegebenen Wagen, sowie die Fabrik zu besichtigen-
Heute früh fuhr der Großherzog zum Besuch des Erbgrotz-
herzogs von Badqn im Automobil nach Badenweiler.

Offcnburq, 15. Okt. (W e ch s e l f ä l s ch u n g e n.) Deo
Jnhaber des Kolonialwarengeschäfts G e b r. Müller in
Appenweier, der Kaufmann und Bezirksrat Gustav Müller, ist
dem „Ort. Bote" nach Verübung von Wechselfälschungen iw
Betrage von 35 000 Mk. geflohen. Müller befand sich schon se»t
längerer Zeit in schwierigen geschäftlichen Verhältnifscn und
hat die Wechselfälschungen offenbar begangen, um den drohen-
den (inzwischen eingetretenen) Konkurs abzuwenden odet
hinauszuschieben.

Konstanz, 14. Okt. (Revision.) Der zu lebensläng-
lichem Zuchthaus verurteilte Hausburfche Brückel erklärte,
die Strafe nicht anzunehmen.

ThesLer- mch KmrstNachrichten.

4- Brahms-Abcnd. Jn dem 1. Musikabend des^HerrN
Friedrich Walter Porges wird sich neben der in der Schweii
rühmlichst bekannten Altistin Frau Minna Neumann-Weidele
aus Zürich auch die Pianistin Frl. Mina Tobler, eine Schülerin
K. Ansorge^s, dem hiesigen Publikum zum erstenmal vorstellem
— Herr Porges hat kiirzlich außer der Ciaconna von Baw
die Violin-Sonate op. 78 von Brahms, die hier zum Vortrag
kommt, in einem Konzert in Berlin gespielt. Die „Vossisckis
Zeitung" schreibt in ihrer Kritik: Das tiefergreifende, meistens
so verhaltene und stille Pathos der Brahmsschen Sonate wurde
autzerordentlich feinfühlig u. stilvoll von Herrn Porges wicder-
gegeben; ebenso die Ciaconna.

London, 14. Okt. Der berühmte Schauspieler Sir HenrY
Jrving ist heute Nacht in Bradford nach der Theatervorstel-
lung einem Herzschlag erlegen. Er stand im 68. Lc-
bensjahre. Um die Aufführung Shakespeares hat er sich be-
sonders verdient gemacht.

Die Unterzeichnunfl des Friedensvertrags
zwisiien Rußland und Japan.

Paris, 14. Oktober. Wie die „Agence Havas" mel-
det, hat der Kaiser von Rußland heute, nachdem er
den Friedensvertrag unterzeichnet hatte,
den russischen Botschafter in Paris beauftragt, der fran-
zösischen Regierung davon Mitteilung zu machen mit der
Bitte, die japanische Regierung davon in Kenntnis ä"
setzen.

P a r i s, 14. Oktober. Nachdem der russische Gö-
schäftsträger Nekljudow dem Minister Rouvier Mlt-
teilung von der Unterzeichnung des Friedensvertrags
geniacht hatte, gab Rouvier sosort dem Vertreter Frank-
reichs in Tokio telegraphisch entsprechende Weisnng.

W a s h i n g t o n, 14. Oktober. Heute früh ist bfey
ein Telegramm eingegangen, das anzeigt, daß die Kaiser
von Rußland und Japan die ihnen zugestellten
Friedensvertragsurkunden unterzeiÄ-
neten und damit den Krieg offiziell beendet haben.

Cholera.

B e r l i n, 14. Oktober. Nach dem „Staatsanzeiger'
sind vom 13. bis 14. Oktober mittags im preutzischeu
Staat zwei choleraverdächtige Erkrankun-
g e n, ein Todesfall an Cholera, und zwar bei eineM
Zimmerlehrling im Kreise Elbing und bei ungarischen
Feldarbeitern im Cholemlazarett bei O r a n i e n b n r (!,.
 
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