Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 230-255 (2. Oktober 1905 - 31. Oktober 1905)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16474#0854

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
glänzende Sieg der beiden Kandidaten Wilckens und
Rohrhurst, der in einem der Bezirke nahe an die
Zweidrittelmehrheit heranreichte, verkündigt es laut, daß
Heidelberg liberal ist und bleibt. GlänzeNd ist auch der
Sieg von Pros. Quenzer in Heidelberg-Eberbach. Er
zeigt, was durch unermüdliche und energische Arbeit er-
reicht werden kann. Der Block-Kandidat Grieser in
Heidelberg-Land kommt in eine Stichwahl, deren Aus-
gang heute noch nicht zu übersehen ist. Soviel ist sicher,
daß das Zentrum sich mit allcn seinen Wählern hinter
die Kandidatur Mampel stellen und alles daran setzen
wird, diesen ihren sehr genehmen Kandidaten, der im
ersten Wahlgang am schlechtesten abgeschnitten hat, zum
Siege zu verhelfen. Die drohende und heute noch nicht
abgewendete Gefahr einer Zentrumsmehrheit oder einer
ultramontan-konservativen Mehrheit hat den Liberalis-
mus angestachelt und eine Energie der Abwehr entwickelt,
die unsern Gegnern eine sehr große Enttäuschung be-
reitet hat. Der ganze Kamps der Liberalen ging gegen
die ultramontane Gefahr. Sie hat den Block hervorge-
bracht, sie hat die Liberalen aufgerüttelt und sie zu bisher
im Wahlkampf bei ihnen unerhörten Anstrengungen an-
gespornt. Jn dem Geist, in dem der Kampf be-
gonnen wurde, muß er auch zuEnde geführt
werden. Vom Zentrum haben wir bei der Stich-
wahl heute weniger als je zu erwarten. Die Parole
muß auch bei den Stichwahlen lauten: Gegen das
Zentrum, das uns den Todesstoß versetzen will!

Deutsches Reich.

" Badeu.

Baden-Baden, 18. Okt. Trotz der entschiede-
nen Aufforderung der Zentralleitung der freisinni -
gen Partei in Karlsruhe an die freisinnigen Gesin-
nungsgenossen, in hiesiger Stadt, für den Kandidaten
Dr. Gönner einzutreten, hat der freisinnige Verein
gestern Abend beschlossen, sich in dem Wahlkampf „neu-
tral" zu verhalten. Der Verein hat also die Wahl-
parole der Oberleitung abgelehnt und sich in W i d e r-
spruch mit den liberalen Abmachungen ge-
setzt. Die „Straßb. Post" bemerkt dazu: Was man
schon längst hier gewußt hat, daß nämlich die hiesige
freisinnige Partei in ihrer Mehrheit eine Filiale der
Zentrumspartei ist, hat sich mit dem gestrigen Beschluß
bewahrheitet. Diese Tatsache muß doch offen festgestellt
werden.

Karlsruhe, 19. Okt. Die Einnahmen der bad.
Bahnen beliefen sich im Monat September auf
7 805 270 Mark d. h. 186 450 Mark mehr als im glei-
chen Monat des Vorjahres. Die Gesamtmehreinnahme in
den Monaten Januar—Oktober beträgt 2 485 950 Mark.

Preußen.

Berlin, 19. Okt. Der „Staatsanzeiger" meldet:
Die vom Handelsminister Moeller nachge-
suchte Entlassung aus seinem Amte ist unter Be-
lassung des Titels und Ranges als Staatsminister und
unter Verleihung des erblichen Adels erteilt wor-
den. Der Oberpräsident der Provinz Westpreußen D el-
brück ist zum Staats- und Handelsminister, Regie-
rungspräsident v. Iagow in Marienwerder zum Ober-
präfidenten der Provinz Westpreußen ernannt worden.

Aus -er KarLsruher Zeituuß.

Karlsruhe, 19. Okt. Der Großherzog von
Sachsen begab sich heute früh mit Automobil von Baden
nach Karlsruhe zur Jagd im Wildpark. Die Großher-
zogin fuhr heute Vormittag 9 Uhr 48 Minuten von Ba-
den ebenfalls zu kurzem Aufenthalt nach Karlsruhe. Die
Rückkehr Jhrer Königlichen Hoheiten nach Baden er-
folgte im Laufe des Nachmittags.

AusLsnd.

Frankreich.

Paris, 19. Okt. Der Papst hat an den Erz-
bischof von Paris, Kardinal Richard, folgendes
Schreiben gerichtet: „Teurer Sohn! Die ernsten Er°
eignisse, die sich in Frankreich abspielen und die höchsten
Jnteressen der Religion bedrohen, sind Gegenstand unse-
rer beständigen Sorge. Jn gegenwärtiger Stunde, trotz
aller unserer Bemühungen, von der Kirche Frankreichs
das Unheil fernzuhalten, das heute unvermeidlich er-
scheint, beharrt man dabei, niit Eifer an der Zerstörung
der heiligen und ruhmreichen Ueberlieserung Eures edlen
und innigeliebten Landes zu arbeiten. Wir werden zu
geeigneter Zeit und Gelegenheit unsere Gedan-
ken darüber kundgeben urtd der Geistlichkeit und den
Gläubigen Frankreichs die Weisungen erteilen, hie
hie schmerzliche Lage der Dinge erfovdert, von der alle
ehrbaren und aufgeklärten Geister zugeben, daß sie nicht
unser Werk ist und daß wir sür sie in keiner Weise ver-
antwortlich sind; inzwischen aber fühlen wir, um ohne
Furcht den wachseNden Schwierigkeiten einer nahen Zu-
kunft die Stirne bieten zu können, sehr lebhaft das Be-
dürfnis, für uns sowohl wie für euch die Erleuchtung und
den Beistand, den Gott allein verleihen kann, anzurufen.
Wenn der Herr in seinem unendlichen Erbarmen uns
einläd, unsere Zuflucht zu ihm zu nehmen, wenn es sich
um unsere persönlichen Bedürfnisse handelt, mit wie viel
mehr Recht dtirfen wir seine Hilfe in den Nöten des öf-
fentlichen Lebens und in dem feierlichen Augenblick an-
rufen, wo die Religion und das VaterlaNd in Gefahr
sind." Der Papst gibt dann seinem Wunsch Ausdruck, die
Bischöfe möchten in allen Diözesen öffentliche Gebete an-
ordnen, „um die Gnade des göttlichen Erbarmers auf
Euer VaterlaNd herabzuflehen, sowie seinen ganz beson-
deren Schutz für die Kirche angesichts der Prüfungen zu
erbitten, die sie in gegenwärtiger Stunde bedrohen."

Dieses Schreiben ist die erste unmittelbare Kundgebung
des Papstes Pius X. über die Trennung von Kirche und
Staat. Bemerkenswert ist die Erklärung des Papstes, er
selbst werde zur gegebenen Stunde dem Klerus und den
Gläubigen Frankreichs die der Lage entsprechenden Wei-
sungen geben. Die Frage, deren Lösung mit Spannung
erwartet wird, geht nun dahin, ob er ihnen die ruhige
Annahme des Gesetzes durch Bildung der darin vorge-
sehenen Kultusvereinigung empfehlen oder einen pas-
siven Widerstand dagegen durch die Bildung von Psarr-
vereinen, mit deren Nichtanmcldung das Gesetz ignoriert
werden wird, in die Wege leiten wird.

Rußland.

Petersburg, 19. Okt. Hier wurde ein k a i s e r-
liches Manisest vcröffentlicht, das den Frieden
zwischen Rußland und Japan verkündet. Es heißt
darin: Der für alle so schmerzliche Kampf ist beendet.
Der Osten unseres Landes wird sich in dem Frieden und
in guter Nachbarschaft mit dem nunmehr zu unserem
Freunde gewordenen japanischen Reich von neuem ent-
wickeln. Jndem wir unseren Untertanen von der Wie-
derherstellung des Friedens Mitteilung machen, sind wir
sicher, daß sie ihre Gebete mit den unsrigen vereinen wer-
den, daß Gott seinen Segen geben möge zu unserer
großen Arbeit mit den von dem Volke erwählten Män-
nern zur Vervollkommnung des inneren
Gedeihens Rußlands. Nikolaus. — Der Kaiser
hat den vom Kriegsschauplatz eingetroffenen deutschen
Offizieren, die den Operationen der Mantschurei-
armee beigewohnt haben, Ordensauszeichnun-
gen verliehen, und zwar dem Oberstleutnant Lauenstein
den St. Wladimirorden 1. Klasse mit Schwertern, dem
Major Frhrn. v. Tettau den St. Annenorden 2. Klasse
mit Schwertern und deni Chefarzt des evangelischen
Feldlazaretts, Stabsarzt Schaefer, den St. Stanislaus-
orden 2. Klasse mit Schwertern.

Aus StadL KKd

Hei>>elberg, 20 Oktober.

** Nach beendigter Wahl versammelten sich im Gartcnsaal
der „Harmonie" liberale Männer aller Schattierungen
so zahlreich, daß viele in qualvoller Enge stehend sich behelfen
mußten, noch mehr aber mangels eines Plätzchens umkehrten.
Die 4 Kandidaten von Heidelbcrg und den beiden benachbarten
ländlichen Wahlbezirken warcn anwesend, ebenso Vertreter der
mit den Nat.-Liberalen verbündcten Parteien. Der über Er-
warten glänzende Sicg der Kandidaten des Blocks, Prof. Rohr-
hurst und Oberbürgermeister Dr. Wilckens in der Stadt Heidel-
berg war alsbald durch Sonderblätter bekannt geworden; er
rief ungeheuren Jubel hervor, der sich noch steigerte, als auch
des wackeren Prof. Quenzers Sieg verkündet werden konnte.
Oberbürgermeister Dr. Wilckens gab der Freude über den
glänzcnden Sieg Ausdruck, durch den sich Heidelberg als die alte
Hochburg des Liberalismus bcwährt habe. Er dankte allen, die
zu dem Siege beigetragen, besonders auch den Angehörigen der
übrigen Blockparteien, denen sich nach seiner Ansicht auch die
gemäßigt Konservativen angeschlossen hätten. Das verspreche
gute Aussichten für die Stichwahlen im Lande. Heidelbergs
Bürgerschaft könne stolz auf den heutigen Tag sein; er widmete
ihr ein dreifaches Hoch.

Auch Prof. Rohrhurst dankte in freudig bewegten Wor-
ten allen, die zu dem erfreulichen Ergebnis beigetragen, be-
sonders den Freunden aus anderen Parteilagern, sowie den
Männern, die im Wahlkampf agitatorifch mitgewirkt. Habe er
sich nur mit Zögern entschlossen, die Kandidatur noch einmal
anzunehmen, so freue er sich jetzt doch, daß er es getan, nachdem
ihm die Wähler auch bei direkter Wahl in so glänzender Weise
ihr Vertrauen kundgegeben hätten. Er steht in dem Ausgang
der Wahl einen Protcst der Bevölkerung, auch eines Teiles der
katholischen Mitbürger, gegen das Gebahren der Zentrums-
partei im Wahlkampf unü besonders gegen die häßlichen Aus- >
fälle des Waldmichels. Zugleich namens Dr. Wilckens ver-
fpricht er, auch in Zukunft dem Ziele treu, das sich die liberale
Partei gesteckt, zu wirken.

Als weiterer Redner feierte Prof. Quenzer dcn Wahl-
sieg, der dem likeralen Gedanken, dem direkten Wahlrecht und
dem Block zu verdanken sei. Auf die Zukunft des Liberalismus
in Baden und Deutschland leerte er fei Glas. Jn ähnlichem
Sinne sprach sich Pros. Osthoff aus, der dem Führer der
badischen Nationalliberalen, Oberbürgermeister Dr. Wilckens,
ein Hoch darbrachte.

Herr Bezirkstierarzt Väth feierte den Kandidaten für Hei-
delberg-Land, Herrn Grieser, der das Möglichste geleistet
habe. Zum zweiten Wahlgang werde man ihn aufs nachdrück-
lichste unterstützen, da jetzt manche agitatorische Kraft frei ge-
worden sei. Er brachte ein Hoch auf Herrn Grieser aus. Prof.
Rohrhurst verlas dann das inzwischen eingegangenc Tele-
gramm der „Heidelberger Zeitnng", wonach in Meßkirch der
Blockkandidat gesiegt und das Renegatentum seinen Lohn em-
pfangen habe. Hauptlehrer MaIsch brachte ein Hoch auf den
Feldherrn der Partei, Herrn Oberbürgermeister Dr. Wil -
ckens, aus. Herr Grieser führte aus, daß er im Jnteresse
der Partei in einem heißumstrittenen Bezirk kandidiert habe
und auf seine alten Tage noch in den Wahlkampf gezogen sei.
Er dankte seinen Mithelfern im Wahlkampf, namentlich den
Herren Dr. Bauer und Väth, und bittet um Ünterstützung auch
für die Stichwahl. Er hoffe auf das Durchdringen des libera-
len Geistes im Bczirk. Oberbürgermeister Dr. WiIckens
dankt für das Hoch des Herrn Osthoff und die freundlichen
Worte des Herrn Malsch. Jm Anschluß an dessen Ausführun-
gen sprach er seine Freudc darüber aus, daß die Jugend wieder
Jnteresfe für die nationalliberale Partei gefatzt habe. Einen
eigentlichen Gegensatz zwischen Alt und Jung gebe es nicht;
die Jungen sehen, daß fie nur als Glieder einer großen Partei
wirkcn können, und die Partei werde ihnen gerecht und freue
sich über sie. Redner führt dann aus, daß der Sprung ins
Dunkle mit dem direkten Wahlrecht nicht so gefährlich gewesen
sei. Die Partei hätte schon früher das Kautelensuchen aufgeben
und sich dem reinen direkten Wahlrecht zuwenden sollen. Wie
die direkte Wahl, so sei auch das Blockbündnis zu begrützen. Die
Nationalliberalen würden danach streben, mit den andern Libe-
ralen in Hauptpunkten auch programmatisch einig zu werden;
das werde gut sein, nicht nur für den Liberalismus in Baden,
sondern auch für den im Reich. Redner schloß mit einem Hoch
auf den Liberalismus, den badischen wie den deutschen.

Zum Schluh wandte sich Herr Karl Ueberle noch an die
Versammlung und forderte zum fleißigen Eintritt in den na-
tionalliberalen Verein auf. Es war lange nach Mitternacht,
als die Reihen der Versammlung nach dem so animiert ver-
laufenen Abend sich zu lichten begannen.

— Das Zentrum versammelte sich gestern Abend im
„Tannhäuser". Wo aber blieb die Freude über den Todesstoß,
den der Liberalismus nach der Ankündigung des Herrn Diez
am 1ö. Oktober erhalten sollte? Die Stimmung war sehr ge-

drückt. Viel wurde über den „Waldmichel" raisonniert, welcher
der Zentrumssache sehr geschadet habe.

-j- Eine Neuerung im Fernsprechbetrieb. Jm Fernverkchr
können — zunächst versuchsweise — Gespräche, die sich zwischen
denselben Teilnehmern täglich oder werktäglich zu derselbeN
Zeit wiederholen sollen, ein für allemal bei dem Fernsprechaint
(Rohrbacherftrahe) angemeldet werden, als gewöhnliche oder als
dringende. Diesen Gesprächen steht ein Vorrang bei der Her-
stellung der Verbindungen gegenüber anderen Gesprächen glei-
cher Gattung, die vor der angegebenen Zeit angemeldet werden,
nicht zu. Wünscht der anmeldende Teilnehmer ausnahmsweise
statt des gewöhnlichen Gesprächs ein dringendes oder statt des
dringenden ein gewöhnliches Gespräch zu führen, so hat er dies
an dem betreffenden Tage dem Amte besonders mitzuteilen.

— Schneefall. Der bereits aus anderen Gegenden gemeldete
Schneefall ist nun auch bei uns eingetreten. Heute früh waren
die Höhen des Königstuhles bei einer Temperatur von 0 Grad
mit 3 Zentimeter hohem Schnee bedeckt, während in der Stadt
nach zwei schönen Tagen wieder traurig der Regen hernieder-
rieselt. Die noch so schöne Belaubung des Bergwaldes dürfte
nun mit einem Schlage schwinden.

X Altes Türgcstell. Nach dem Abbruch des evangel. Pfarr-
hauses in der Hauptstraße zeigt sich in der Außenwand deK dern
Herrn Konditor Krall gehörigen Nachbarhauses ein altes stei-
nernes Türgestell mit Rundbogen. Auf dem Bogen befindei
sich die Jahreszahl 1S63. Das Türgestell steht anscheinend noch
auf seinem ursprünglichen Platz, denn über ihm befindet sich
die steinerne Einfassung für eine dazu gehörige Lichtöffnung.

— Zusammenstotz. Als gestern abend um halb 10 Uhr auf
der Bergheimerstraße ein Bierfuhrwerk der Brauerei Klein-
lein in den Hof einfahren wollte, wurde dasselbe von einew
Wagen der elektrischen Straßenbahn von hinten erfaht und
umgeworfen. Der Wagen der Brauerei wurde beschädigt und
der vordere Perron des Strahenbahnwagens eingedrückt.

— Polizeibcricht. Verhaftet wurden ein Schreiner, der
wegen Körperverletzung ausgeschrieben war, zwei Taglöhner
und ein Zeichner wegen Diebstahls, ein Steinhauer wegen Bet-
telns. Zur Anzeige kamen 2 Studenten wegen Ruhe-
störung, Widerstands und Beleidigung, ein Taglöhner wegcN
Diebstahls und ein hiesiger Kohlenhändler wegen Ruheftörung
und Trunkenheit.

Mannheim, 19. Okt. (Vom Rathaus.) Nach Schluv
der Gemeinderatswahlen besteht der Stadtrat aus 9 National-
liberalcn, 4 Freisinnigen, 3 Demokraten, 4 SozialdemokrateN
unü 3 Zentrumsleuten. Jm Bürgerausschuß sitzen 33 Liberale,
32 Sozialdemokraten, 17 Demokraten, 9 Freisinnige, 4 ZentruM,
1 Nationalsozialer.

Karlsruhc, 19. Okt. (Eingemeindungsgedanke.)
Anläßlich der mit der Gemeinde Rüppurr gepflogenen Unter-
handlungen wegen Abtretung eines Teiles des Rüppurrer
Waldes zur Erweiterung dcs städtischen Wasserwerks ist voN
dem Gcmeinderat die Vereinigung Rüppurrs mit der Stadt-
gemeinde Karlsruhe angeregt worden. Der Stadtrat erklärte
fich geneigt, der Eingemeindung Rüppurrs näher zu treten und
beschloß, entsprechcnde Unterhandlungen aufzunehmen.

Karlsruhe, 19. Okt. (Einwohnerzahl.) Am 1. O>-
tober d. I. betrug die Einwohnerzahl hiesiger Stadt 107 006.

Karlsruhe, 19. Okt. (Der bad. Frauenverein) hisd
hat die Bekämpfung der Säuglingssterblichkei>
in sein Programm aufgenommen und dabei mit der Abgabe
einer gesunden Kindermilch um mäßigen Preis oder unentgelt-
lich zunächst begonnen. Die Rachfrage nach dieser Milch ist eine
so autzerordentlich große, daß der Monatsaufwand des Frauen-
vcreins sich auf nahczu 1000 Mk. belief. Die freiwilligen Gn-
ben konnten dazu nicht ausreichen und so hat man mit einein
Kinderhilfstag, wie er sich in anderen Sfädten bewährt hat, die
Geldmittel beizubringen versucht. Das Konzert, das die KarN-
mersängerin Frau Höck-Lechner letzten Sonntag gegeben hab
war so gut besucht, daß es am nächsten Sonntag wiederholt wej-
den wird. Es lieferte einen Rcinertrag von etwa 800 Mk. D>r
Sammlung der Damen und Kinder, die in allen Familien der
Stadt am letzten Montag vorgenommen wurde, ergab cineN
Betrag von etwas über 12 000 Mk. Da immer noch nachträg-
liche Gaben eingehen, so wird man mit einem Gesamtertrag voN
13 000 Mk. rechnen können.

Waldshnt, 19. Okt. (Die Strafe angenoinmen.)
Der zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilte Hausburschb
Brückel hat die Strafe nun doch angenommen.

Thiengen, 17. Okt. (Angst vor dem Heiraten-)
Jn unserem Städtchcn sollte am Sonntag Vormittag 10 Uw
eine Trauung stattfinden. Alles war zur Hochzeit vor-
bereitet. Jn der „Krone" hatte man ein tadelloses Essen be-
stellt, und das ganze Städtchen war zur Nachfeier cingeladeN-
Da fand die Festesfreude ein jähes Ende durch die den Ort wir
ein Lauffeuer durcheilende Nachricht: Der Bräutigam i"
verschwunden! Leider war es wirklich so. Nachdem den
junge Mann erst am frühen Morgen erklärt hatte, er heirate
nicht, man könne mit ihm machen, was man wolle, war er nin
dem Achtuhrzug nach Waldshut abgcdampft. Der Fall wird
noch ein gerichtliches Nachspiel haben, da sich die Angehörigcck
der Braut, denen die Vorbereitungen zur Hochzeit große Aus-
gaben verursachten (die Ausstattung der Braut war schon aul
dem Wege nach dem neuen Heim), nicht so ohne weiteres z^-
frieden gebcn werden. Auch eine andere, weniger unangcnehinp
Tatsachc hatte die vereitelte Hochzeit im Gefolge: Feinschmecker
konnten abends in der „Krone" Geflügel und anderc gute Lecker-
bissen für billiges Geld essen.

Kleine Zeitung.

— Braunschweig, 18. Okt. Wie schon kurz berichtet, hat h>^
der 18jährige Bankhauslehrling Brunke die b e i d e n T ö ch t e
des Kaufmanns Haars mit deren Einverständnis erschos -
s en. Sich dann selbst zu töten, fehlte ihm der Mut, und er
ftellte sich der Polizei. Der „Tag" berichtet über die Bluttat
folgende Einzelheiten: Die beiden Töchter des Kaufmanns
Haars, Alma und Martha, hübsche, stattliche Mädchen, hatten
vor einem halben Jahr einen Klavierlehrer gesucht. Der Ban>-
lehrling Brunke bewarb sich um diese Stunden und wurde von
den Eltern als Lehrer angenommcn. Zwischen ihm und der
jüngeren Tochter Martha entwickelte sich bald ein Liebesverhält-
nis. Der Klavierunterricht wurde in Brunkes Wohnung er-
teilt. Der junge Mann hatte mehrere Theaterstücke geschrieben,
deren Aufnahme aber von zahlreichen Theatern abgelehnt wor-
den war. Darüber nicdergeschlagen, teilte er seinen Kunnner
seiner Geliebten mit; beide befchlossen, gemeinsam in dem D>w
zu gehen. Jnzwischen hatte die ältere Tochter, Alma Haar^«
von ihrem Verlobten in Rußland die Nachricht bekommen, dav
er sie nicht heiraten könne. Acht Tage darauf erklärte auch st^'
mit der Schwester und deren Geliebten gemeinsam stcrben m
wollen. Am vergangenen Sonntag sollte die Tat ausgeführ>
werden, Brunke sollte zuerst die beiden Mädchen und dann strd
selbst erschießen. Am Nachmittag fpeisten alle drei in einew
Restaurant und besuchten dann eine Variete-Vorstel^ung.
beiden Mädchen bezahlten die Zeche. Durch den reichlich
nossenen Wein waren die drei Selbstmordkandidaten in frcudig
Stiinmung gekommcn, und so gaben sie den Entschluß vorläusw
auf. Beim Abschiednchmen aber gaben sie sich alle drei de-'
Ehrenwort, den Plan am Dienstag Abend zur Ausführung ?
bringen. Brunke erhielt von den Schwestern 40 Mk. und kam ^
dafür einen amerikanischen Revolver. Dienstag Abend 8 If^
kamen Alma und Martha Haars in Brunkes Wohnung.
junge Mann hatte seine alte Mutter ins Theater geschickt ui>
einen Mitbewohner ebenfalls zu entfernen verstankeu. §r g>^'
 
Annotationen