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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 23
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0909

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Ausheilungen

Waay ift vertreten mit zwei Bildern: „Bei I)u~
guenin Lugano“ und „Metropol-Fjotel London“
von einer derartigen wahnfinnigen Kitfchigkeit,
daß man bloß ftaunt, daß folcße kolorierte Poft-
kartenbiider überhaupt noch ernft genommen und
ausgeftellt werden. Mit wenigen Ausnahmen
fcßwebt diefe Ausftellung zwifcßen dem un-
artikulierten Geftammel von Kunftbabys und dem
fenilen Gefafel von Kunftgreifen mit hochgradiger
Arterienverkalkung und hämorrhoiden. Der ein-
zige von wirklicher Bedeutung ift Fokko Mees.
Armer Mees, der fich in diefe Gefellfchaft ver-
irrt hat.
3u gleicher 3eit findet in demfelben Mufeum
eine Ausftellung von Lodewijk Schelfhout
ftatt. Schelfhout, der zuerft in der Art des van
Gogh malte, dann ein Schüler des Cezanne wurde,
endlich bei Matiffe und den Kubiften landete,
malte jeljt ä la Derain. Er zeigte feine lebten
Bilder, die er gelegentlich einer Reife nach Corfica
malte. Sie haben einen unverkennbaren Reiz
durch das famtene Braun in der Farbengebung
und durch den geometrifd) empfundenen Aufbau.
Über Schelfhout berichtet ein illuftrierter Auffatj
in einem der nächften hefte.
In der „Maatschappij voor beeidende
Künsten“ findet die „Jaarbeurs voor Kunst-
nijverheid“ ftatt. Ob man fich hier ein richtiges
Bild machen kann von dem Niveau des hollän-
difchen Kunftgewerbes? Id) glaube kaum. Schon
aus der einfachen Catfache, daß Künftler wie
de Bazel, Berlage fehlen. Die Ausftellung bringt
nichts Erfchütterndes, hie und da fogar ausge-
fprochene Gefcßmacklofigkeiten wie den Kamin
von Vosmaer. Über die Möbel von Roobol, die
mehr durch ein gequältes Anders-fein-wollen als
durch einfache gefällige Linien imponieren, füllte
man eigentlich nur urteilen, wenn man fie in
dem Milieu fehen könnte, wofür fie gefchaffen
wurden. In dem alten herrfchaftlichen haus des
Amfterdamer Six fahen fie ganz toll aus. Bt.
Barcelona
befitjt in den Galeries Dalmau einen Kunft-
falon mit großzügigem Programm und von durch-
aus moderner Prägung, der erftklaffige Antiqui-
täten, zeitgenöffifche Malerei, ältere und neuere
Bücher über Kunft und anderes feinen Befuchern
darbietet. Kürzlich hat diefer Salon eine Aus-
ftellung moderner franzöfifcher Kunft veranftaltet
und bei diefer Gelegenheit einen reich illuftrierten
Katalog mit einerVorrede vonMauriceRaynal
herausgegeben, hier findet man Wiedergaben
von zahlreichen Hauptwerken des jungen Frank-
reich u. a. von Braque, Croß, Dufy, Derain, Friesz,
herbin, Laprade, Marie Laurencin, Leger, Marquet,

Matiffe, Meginger, Picaffo, Rouffel, Signac, Val-
loton und Vlaminck.
Genf
Während der Völkerbundsfiljungen wird vom
23. Dezember 1920 bis zum 27. Januar 1921 im
BätimentElectoral eine große internationale
Ausftellung von moderner Kunft ftattfinden. Vor-
ftand der Ausftellungsleitung ift Marcel Bouraine,
Schriftführer Leon Durand. Man beabfichtigt,
die Kunftwerke fpäter auch in anderen Groß-
ftädten wie London, Paris, Brüffel und fogar
München zu zeigen.
Hamburg
Der ümfang des radierten Werkes von Fritj
Schaefler, der bei Maria Kunde ausftellt, ift
überrafchend groß. In den religiöfen Blättern
von 1918, die fich mit dem Chema Chriftus be-
fchäftigen, ift die Form vorwiegend auf fpärlich
belichtete Dunkelheiten eingeftellt. Aber das
Licht fpielt in Schaeflers Schaffen eine immer
größere Rolle, und die landfchaftlichen Blätter,
aus denen eine große Senfibilität und eine Fjeckel
verwandte Note fpricht, find ganz von Licht
durchflutet. In der geiftigen Durchdringung der
Natur ift alles Chaotifch-Fragwürdige über-
wunden. Den Fjolzfcfmitten eignet die fichere
Verteilung in der Fläche, das Ausgeglichene der
handfchrift und das fdbeinbar Mühelofe des Ent-
ftehens der Radierungen lange nicht in dem Maße.
Aus wenigen leuchtenden Farben bauen fich die
Aquarelle auf: Ein 3U9 zu rein abftrakten Bil-
dungen mit jener traumhaft unwirklichen Note,
die bei Klee entzückt, macht fich immer ftärker
geltend.
Wilhelm Morgners Bilder im Kunftver-
ein aus den Jahren 1910 und 1911 (Kartoffel-
ernte, Holzfäller, das violette Pferd, Holzarbeiter
und mehrere andere) verraten eine außerordent-
lich ftarke Abhängigkeit von van Gogh. Doch
mechanifiert Morgner van Goghs Farblinie und
bringt einen peinlichen kunftgewerblichen 3U9
in feine Bilder, öm 1912 macht er fich von
feinem Vorbild frei, er wird farbiger, ftrebt zu
einer Symphonie von Blau und Rot und hat in
einzelnen Selbftbildniffen einen ergreifenden
Klang. Wenn man fiel) aber vergegenwärtigt,
welch gefchloffene Form und perfönliche Note
die Künftler der einftigen „Brücke“, die Heckel,
Kirchner und Schmidt-Rottluff, in jenen Jahren
bereits gefunden hatten, fo empfindet man das
Chaotifche in Morgners Schaffen doppelt ftark.
Bei Commeter ift Heinrich Stegemann,
ein junger Hamburger, mit einer Reihe von Bil-
dern und Fjolzfcfmitten vertreten. Gute farbige

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