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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Zur Ausstellung "Handwerkskunst im Zeitalter der Maschine" in der Städtischen Kunsthalle Mannheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0033

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N D S C H A U

ZUR AUSSTELLUNG „HANDWERKSKUNST IM ZEITALTER DER
MASCHINE"

in der Städtischen Kunsthalle Mannheim

Der Leiter der Mannheimer Kunsthalle, Dr. Hart-
laub, hat eine Ausstellung kunsthandwerklicher Er-
zeugnisse veranstaltet. Nach der Absicht dieser
Ausstellung zu fragen, ist um so berechtigter, als
man von ihrem Veranstalter weiß, daß er einen sehr
feinen Sinn für das hat, was im Augenblick notwen-
dig ist und was zur Klärung und Darstellung drängt.
Und es ist bekannt, daß Hartlaub in der Prägung
von Begriffen für neue Dinge ein sehr glückliches
Geschick besitzt, man braucht nur auf den von ihm
sozusagen erfundenen Ausdruck „neue Sachlichkeit"
hinzuweisen. Er hatte auch dieser Ausstellung
während der Vorbereitung einen Namen gegeben,
der seiner Begriffsfindung neue Ehre machte: „Das
ewige Handwerk".

Wer die Reden der Mannheimer Tagung des Werk-
bundes im Sommer 1927 gehört hat, mußte aus die-
ser Begriffsprägung eine volle Anerkennung dessen
heraushören, was Dr. Meusch damals ausgeführt hat,
daß das Handwerk zu denjenigen Dingen in der Ge-
schichte gehört, die durch andere Erscheinungen mit
gleichem Ziel nicht verdrängt werden. Wenn Meusch,
gestützt auf Sombart, diese Ewigkeit des Hand-
werks nach der wirtschaftlichen Seite hin nachge-
wiesen hat, so schien es, daß Hartlaub eine Ewig-
keit auch den Werten der Gestaltung beimißt, denn
wirtschaftliche Existenz besagt noch nicht, daß
auch handwerkliche Werte der Gestaltung erkannt,
anerkannt und gepflegt werden müssen. Es mag
auch Leute geben, die diese Ausstellung als höchst
unzeitgemäß ansehen, und ein mir befreundeter
junger Schweizer Schriftsteller hat diese Ausstel-
lung sogar als einen „Schuß in den Rücken" der
neuen, die Werte der Industrie bejahenden, Bewe-
gung bezeichnet.

Sicherlich interessieren Hartlaub, der stärker in
der bildenden Kunst verwurzelt ist, die Werte, die
aus der Individualität kommen, mehr als die Werte,
die notwendiges Ergebnis der wirtschaftlichen und
industriellen Struktur sind. Man konnte daher vor-
aussehen, daß diese Ausstellung mehr das zeigen
sollte, was aus dem künstlerischen Gefühl des Ein-
zelnen heraus entsteht.

Man konnte auf die Ausstellung gespannt sein.
Wird sie Werte deutlich zeigen können, die mehr als
Überbleibsel aus alten Zeiten sind und die nicht
nur als Schulungsobjekte zu werten sind? Oder wird
die Ausstellung erweisen, daß das Handwerk von
der Zeit und ihrem Formwillen einstweilen auf die

Seite gestellt ist? Dann mußte es überraschen, daß
der Titel der Ausstellung geändert wurde, so daß sie
nunmehr heißt „Handwerkskunst im Zeitalter der
Maschine". Das bedeutete, daß die Ausstellung sich
auf das Künstlerische im Handwerk beschränken
mußte und wollte. Aber zugleich offenbarte die
Titeländerung, daß hier nur registriert werden sollte,
was an Handwerkskunst heute vorhanden ist, ohne
daß sie den Charakter einer Mahnung oder des
Nachdrucks haben sollte, wie der ursprüngliche Titel
verhieß.

Hartlaub betont in seiner Einleitung zu dem Führer
durch die Ausstellung, in der er selbst sagt, daß der
Name „Das ewige Handwerk" ein „Notruf, vielleicht
eine Mahnung" sein sollte, daß er an ewige Werte
im Handwerk glaubt. Er sagt aber auch: „Der Ruf
ist ein Glaubensbekenntnis, nicht weniger und nicht
mehr. Heute, da der alte handwerkliche Geschmack
noch in schwerster Auseinandersetzung mit der jun-
gen Ästhetik der Apparatur liegt, da noch vieles sich
umstellt und wandelt, vieles zugrunde geht, lassen
sich die Umrisse jener Handwerkskunst, die sich be-
haupten oder sich neu herausbilden wird, durch eine
Ausstellung noch nicht deutlich machen. Darum
wurde schließlich auf das sehr pathetische Wort
vom ,Ewigen Handwerk' als Titel und Inhaltsbezeich-
nung unserer Schau verzichtet und wird es nur in
diesem Ausstellungskommentare zur Erörterung
gestellt."

Nach dem zu urteilen, was diesen Sätzen voraus-
geht, nämlich Hinweise auf Stilnachahmung, Zier-
formen und die straffe und knappe Eleganz der Ma-
schinenarbeit, muß man auf den Gedanken kommen,
daß Hartlaub sehr stark an formale und stilistische
Werte denkt. Wenn er glaubt, daß das Kunsthand-
werk heute keine Formensprache hat, so ist damit
noch nicht gesagt, daß es nicht Werte besitzt, die
sich trotzdem darstellen lassen. In den ersten Ab-
schnitten seiner Einleitung spricht er von dem Be-
dürfnis nach handwerklichen Werten, die auch heute
noch bestehen. Und diese Bedürfnisse zielen,
glaube ich, nicht nach formal-stilistischen Werten,
sondern nach einer ganz bestimmten Art von Quali-
tät, die nicht in der besonderen Art der Formen-
sprache, sondern in der Materialdarstellung erkennt-
lich ist und nur dem „feinfühlenden" Auge sich ent-
schleiert, das heißt, sehr oft in engster Verbindung
mit dem Tastsinn. Man kann sich denken, daß ein
und dasselbe Streifenmuster einmal mit der Ma-

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