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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Schwab, A.: Runschau in Politik und Bauwirtschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0046

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RUNDSCHAU IN BAUPOLITIK UND BAUWIRTSCHAFT

Finanzierung des künftigen
Wohnungsbaus.

Das Reichsarbeitsministerium arbeitet bekannt-
lich eine umfangreiche Denkschrift vor, in der ein
Plan für den Wohnungsbau auf mehrere Jahre vor-
aus aufgestellt werden soll. Über die sachliche
Seite wurde hier schon berichtet. Die Finanzfrage,
das Rhodos, wo gesprungen werden muß, liegt noch
im Dunklen. Man will erst die kommende Reichs-
tagsberatung über die Gebäude-Entschuldungs-
steuer abwarten. Optimisten könnten meinen, es
wäre besser, wenn die Regierung das täte, was ihr
Name sagt, und das würde hier bedeuten, daß sie
die Führung übernimmt und erklärt, was sie für das
Richtige hält. Denn ob das der Reichstag besser
wissen wird, — es wäre wohl übertriebener Optimis-
mus, das zu glauben. Vielmehr liegt gerade hier der
Hase im Pfeffer, da ein Plan für eine Reihe von
Jahren keinen Sinn hat ohne eine sichere Finanzie-
rung für eine Reihe von Jahren. Das aber würde be-
deuten, daß der Reichstag sich selbst für eine Reihe
von Jahren ausschalten müßte, anstatt nach süßer
Gewohnheit von Jahr zu Jahr das Budget zu bewil-
ligen. Hier liegen Programmforderungen der politi-
schen Demokratie im Streit mit praktischen Forde-
rungen des sozialen Lebens, und es kann also nicht
unsere, sondern muß vielmehr Aufgabe der Freunde
demokratischer Grundsätze sein, den Weg zu fin-
den, auf dem sich die unbestreitbaren sachlichen
Notwendigkeiten — nämlich die langfristige Siche-
rung ausreichenden Kleinwohnungsbaues in plan-
mäßiger Arbeit — durchsetzen lassen.

Eine Andeutung, wie man sich in Regierungs-
kreisen die Sache vorstellt, findet man in einem
Aufsatz von Ministerialrat Dr. Wölz in Nr. 49 der
„Deutschen Wirtschaftszeitung". Die Wiederherstel-
lung des privaten Anlagekapitals sei viel langsamer,
als man sich Anfang 1927 vorstellte. Ohne öffent-
liche Mittel sei noch lange nicht auszukommen.
Technische Verbillligung sei im Erfolg noch für Jahre
unsicher. (Hier machen wir ein Fragezeichen.) Die
Dringlichkeit des Bedarfs an den einzelnen Stand-
orten sei planmäßig abzuschätzen. Die heutigen
Neubaumieten seien schon vielfach zu hoch. Aus-
landsgeld sei nur mit großer Vorsicht in die Rech-
nung einzusetzen. Überhaupt seien Anleihen, die ja
zu billigeren Zinsen weitergegeben werden müssen
als die öffentliche Hand sie bekommt, die also stän-
dig wachsenden Zuschußbedarf zur Zinsverbilligung
bedeuten, nur als Zusatzmittel angebracht. Mit
Rücksicht auf den später abnehmenden Neubedarf
an Wohnungen sei eine planmäßige Verteilung des
jetzigen Überbedarfs auf längere Zeit im Interesse
des Baugewerbes unerläßlich.

Leider fehlen vorläufig noch Berechnungen der
Beträge. Auch fehlt, was uns besonders wichtig
scheint, eine Erklärung darüber, ob auch künftig
die Hauszinssteuer zu einem großen Teil für Zwecke
des allgemeinen Finanzwesens draufgehen soll,
oder ob nicht endlich auf dieses bequeme Polster
aller Finanzminister im Interesse klarer, wenn auch
etwas härterer Verhältnisse verzichtet werden soll.

B a u w i r t s c h a f t und hohe Politik im
Ausland.

Zweimal in den letzten Wochen wurde die allge-
mein-europäische Krise des Wohnungsbaus ein
hochpolitischer Faktor. In Österreich war die
Frage der Zwangsmieten beinahe Anlaß einer Re-
gierungs- wenn nicht einer Staatskrise. Obstruk-
tion im Mietenausschuß des Parlaments, Plan einer
Volksbefragung, Protest der Hausbesitzerverbände.
Schließlich wurde ein Kompromiß gefunden. In
Frankreich ähnliches: unter den zahlreichen Kri-
sengerüchten spielte der Plan des Justizministers
Barthou, den Index für die Mieten, die bis 1932
ebenfalls unter Zwang stehen sollen, zu erhöhen,
eine wesentliche Rolle. Die sachliche Lösung steht
hier noch aus. In beiden Fällen sieht man, daß das
Problem nicht aus der Welt geschafft ist, so wenig
wie in Deutschland.

Ein neues Städtebaugesetz.

Im Preußischen Volkswohlfahrtsministerium wird
gegenwärtig ein neues Städtebaugesetz vorbereitet,
nachdem das alte, das der vorige Landtag nicht
mehr erledigte, wenig Gnade vor den Augen der
Öffentlichkeit gefunden hatte. Es werden Sachver-
ständige gehört; es würde sehr interessieren, nach
welchen Gesichtspunkten sie ausgewählt werden?

Schwierige Wirtschaftslage des
Handwerks.

Nach einem Bericht des Reichsverbandes des
deutschen Handwerks hat die Gesamtlage im Monat
Dezember unter dem Druck der zunehmenden allge-
meinen Konjunkturverschlechterung das normale
Niveau nicht erreicht. Der Arbeitskampf im rhei-
nisch-westfälischen Industriebezirk sowie in der
zweiten Hälfte des Monats der Rückgang der Bau-
tätigkeit wurde durch einen wenig befriedigenden
Umfang des Weihnachtsgeschäfts nicht genügend
ausgeglichen. In den ländlichen Bezirken ist anhal-
tende Zurückhaltung in der Erteilung von Aufträgen
festzustellen. Infolge dieser Lage hat auch das
Borg-Unwesen weiter um sich gegriffen, und beson-
ders die Landwirtschaft ist mit ihren Zahlungen
stark im Rückstand. Auch die Beschaffung von Be-
triebsmitteln durch Kredit ist noch immer schwierig.

Stadtplanung auch für London.

Der Londoner Architekt und Städtebauer Alfred
C. Bossom forderte in einem Vortrag den Erlaß
eines Zonengesetzes für Groß-London. Die dau-
ernde Umwandlung von Wohnhäusern in Geschäfts-
häuser habe eine ernste Lage geschaffen, der die
City-Leute baldigst abhelfen müßten. Ein Zonenplan
soll bestimmen, welche Stadtteile künftig überwie-
gend für Geschäftszwecke, welche für Wohnzwecke
freizugeben seien. Die Industrie müsse dezentrali-
siert und z. T. in Gelände außerhalb der Grafschaft
London verlegt werden, unter Schaffung von Garten-
städten in der Nähe der Betriebe. Der Verkehr
müsse im Zusammenhang mit diesem Plan aus-
gebaut werden. A. Schwab
 
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