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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Riezler, Walter: Organisierte Lichtreklame
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Rundschau in der Bauwirtschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0287

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Nun ist es aber nicht etwa so, daß eine Stadt-
verwaltung nur die Wahl hat, ob sie die Lichtreklame
radikal verbieten (oder doch auf einfache beleuch-
tete Aufschriften beschränken) oder aber wild
wuchern lassen will. Sie kann zwar keine Diktatur
ausüben, sich jedoch wohl der Mittel der Zensur
bedienen, um auf diese Weise das Stadtbild zu
schützen. Sie kann z. B. die Anwendung von Licht-
reklame auf solche Straßen beschränken, an denen
entweder architektonisch nichts zu verderben ist
oder die gleich mit Rücksicht auf die Möglichkeiten
der Lichtreklame neu gestaltet werden. (Bei dem
Münchener Wettbewerb hatte man sich deshalb auf
die Straßen um den Bahnhofsplatz beschränkt, weil
diese architektonisch ohne Charakter sind.) Bei
einer solchen Beschränkung besteht allerdings die
Gefahr, daß dann andere Straßen, die als architek-
tonisch wertvoll gelten, und dabei doch Geschäfts-
straßen sind (wie etwa in München die Neuhauser.
Kaufinger und Theatiner Straße usw., überhaupt die
ganze Altstadt) ein wenig als Geschäftsstraße ent-
wertet werden, weil den dort ansässigen Firmen
keine so eindringliche Kundenwerbung erlaubt ist.
Eine solche Schädigung hätte aber unter Umständen
allgemein wirtschaftlich üble Folgen. Man wird also
doch besser versuchen, ob es nicht auch möglich

ist, eine Form der Lichtreklame zu finden, die wirk-
sam ist und doch die architektonischen Werte nicht
zerstört. Dies scheint mir durchaus möglich zu sein.
Freilich wird man dabei auf gewisse Effekte verzich-
ten müssen, etwa Dachaufbauten zu vermeiden
haben, aber es gibt genug andere Möglichkeiten, die
wirkungsvoll sind und die eine alte edle Architektur
nicht mehr schädigen, als es schon ohnehin durch die
Einbeziehung dieser Straßen in die prosaische Un-
ruhe des modernen Geschäftslebens geschieht. Und
steht dann plötzlich in dem phantastischen Licht-
chaos einer solchen Straße dunkel und wie schla-
fend eine alte Kirche oder ein Palast, so ist die
Wirkung dieser Bauten nur um so stärker und ge-
heimnisvoller. Aber freilich, ohne Bevormundung
wird man dabei nicht auskommen, und diese Bevor-
mundung wird um so wirkvoller sein, wenn sie sich
nicht auf Verbote beschränkt, sondern positiv bera-
tend arbeitet, — was wiederum voraussetzt, daß das
Stadtbauamt mit einem Fachmann für Lichtreklame
zusammenarbeitet und sich immer dessen bewußt
ist, daß die wirtschaftlichen Gesetze der Reklame
unter allen Umständen berücksichtigt werden müs-
sen, daß also keinem einzelnen zugemutet werden
darf, sich mit seiner Lichtreklame einem größeren
Zusammenhang unterzuordnen. W. Riezler

RUNDSCHAU IN DER BAUWlRTSCHAFT

Zur Tagung der Reichsforschungs-
gesellschaft.

Das beherrschende Ereignis des Monats April war
die Berliner Technische Tagung der Reichsfor-
schungsgesellschaft. Für die Berichterstattung im
engeren Sinne darf wohl auf die Tages- und eigent-
liche Fachpresse, für Einzelheiten auf die ausführ-
lichen Drucksachen der Rfg. selbst verwiesen wer-
den. In diesem Rahmen kann es sich nur um Grund-
sätzliches und um einige besonders wichtige Punkte
handeln.

Der Deutsche Werkbund und manche seiner be-
kanntesten Mitglieder waren selbst an der Veran-
staltung beteiligt. Trotzdem darf wohl ausge-
sprochen werden, daß die Tagung bei vielen Teil-
nehmern ein Gefühl des Unbefriedigtseins hinter-
lassen hat, und daß dieses Gefühl recht gut zu be-
greifen ist. Das lag nicht an der Organisation der
Tagung selbst, die vielmehr im Ganzen recht gut
funktionierte. Auch kann man nicht sagen, daß zu
wenig, sondern eher daß zu viel geboten wurde an
sachlichem, meist sehr gründlich vorbereitetem
Stoff, übrig blieb dennoch ein Gefühl, wie es etwa
der unbefangene Besucher nach dem Anhören einer
Reichstagssitzung hat. Der Mangel liegt sicher tie-
fer, liegt weiter zurück, nämlich wahrscheinlich

schon in den Anfängen des organisatorischen Aus-
baus der Gesellschaft vor zwei bis drei Jahren.

Was hätte die Rfg. werden können, werden sollen?
Sie ist geboren aus der Not, aus der Wohnungsnot,
genauer gesagt, aus der Differenz zwischen dem
Lohnniveau, das die deutsche Volkswirtschaft der
Nachkriegszeit tragen kann, und dem Niveau der
Mietspreise, das sich aus der Verteuerung des Bau-
ens durch Kapitalmangel und gestiegenen Bauindex
an sich, bei freier Wirtschaft, ergeben müßte. Die
Errichtung der Rfg. galt dem Willen, von der Seite
der Baukosten her diese verhängnisvolle Differenz
zu verringern, und zu diesem Zweck sachlich und
wissenschaftlich alle Mittel und Wege zu prüfen,
die zum gewollten Ergebnis beitragen konnten.

Von diesem Programm des Ursprungs war auch
auf der vergangenen Tagung vielfach die Rede, am
klarsten vielleicht in dem Gropiusschen Referat am
ersten Abend. Aber was man vermißte, war die
klare, souveräne und im Notfall rücksichtslos ein-
seitige Führung des Ganzen, die auf ein solches
Ziel unbeirrt hinsteuert. Anstatt des Willens zur Tat
spürte man überall den Willen zur Detailforschung,
und es ist sehr bezeichnend, daß Frau M. E. Lüders
in einem Presse-Artikel zur Tagung die Aufgabe
nicht anders glaubte zusammenfassen zu können als

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