Lebhafte Frühjahrsbausaison.
Trotz dieser Sorgen hat die Tätigkeit am Bau-
markt zunächst, nach der Verzögerung um 6 bis
8 Wochen infolge der Kälte, recht lebhaft einge-
setzt. Die Zahl der erwerbslosen Bauarbeiter ist
von 73 v. H. im März auf 28 v. H. im April zurück-
gegangen. Mauersteine wurden flott abgesetzt,
allerdings meist aus sehr erheblichen Lagerbestän-
den. Auch der Zementversand hat sich rasch ge-
hoben, wenn er auch hinter dem Vorjahr noch zu-
rückblieb. Baukalk wurde in manchen Gegenden so
dringend abgerufen, daß Verladungsschwierigkeiten
eintraten. Dagegen ist die Nachfrage nach Bau-
eisen und Bauholz nicht so lebhaft wie erwartet
worden war. — Der wichtigste Zweig der Bautätig-
keit ist der Wohnungsbau; hier allerdings ist eben
infolge der Verschärfung der Lage am Kapitalmarkt
sehr zweifelhaft, ob die zahlreichen zur Genehmi-
gung eingereichten und begonnenen Projekte auch
tatsächlich weiter durchgeführt werden können. Da
der Baukostenindex schon etwas höher geworden
ist und noch weitere Erhöhungen drohen, so besteht
die Möglichkeit, daß aus der diesjährigen Bautätig-
keit eine Anzahl von „Bauleichen" zurückbleiben. —
Der Industriebau ist mit Aufträgen sehr zurückhal-
tend; auch hier wirkt natürlich die Geldklemme, zu-
sammen mit der allgemeinen Unsicherheit über die
weitere Konjunkturentwicklung.
Bauen als Saisongewerbe.
In der sozialpolitischen Diskussion der letzten
Zeit spielt die Frage einer Reform der Arbeitslosen-
versicherung eine erhebliche Rolle. Einer der um-
strittensten Punkte dabei ist die Behandlung der
Saisongewerbe, für die noch immer das Baugewerbe
typisch ist. Ohne zu den sozialpolitischen Streit-
fragen im einzelnen Stellung zu nehmen, kann immer-
hin gesagt werden, daß der Saisoncharakter der
überlieferten Bauweisen auch allgemeinwirtschaft-
lich einen Stein des Anstoßes bildet. Wenn bei uns
etwas von planmäßiger aufbauender Wirtschafts-
politik vorhanden wäre, so würden die zuständigen
Regierungsstellen mit allen Mitteln dafür sorgen,
daß die Versuche zu einer Umstellung auf indu-
strielle Fabrikation von Bauteilen, durch die die Ab-
hängigkeit vom Wetter weitgehend eingeschränkt
werden kann, in großem Maßstabe ausgebaut wer-
den. Damit wäre dann auch ein erheblicher Teil des
sozialpolitischen Problems vorbauend grundsätzlich
gelöst und man könnte sich auf Erleichterungsmaß-
nahmen für die Ubergangszeit beschränken.
Deutsche Wohnungsnot.
Als Heft 7 der Schriften des Deutschen Vereins
für Wohnungsreform ist vor kurzem ein sehr inter-
essantes Buch erschienen, in dem der Geschäfts-
führer des Vereins, Bruno Schwan, zusammen mit
verschiedenen Mitarbeitern, Wohnungsnot und Woh-
nungselend in Deutschland dokumentarisch schil-
dert. Eine Fülle von Bildern und zahllose ganz kon-
krete Einzelheiten ergeben zusammen einen Appell
an das soziale Gewissen, dessen Gewalt sich nie-
mand entziehen kann, der das Buch auch nur durch-
blättert. Wie angesichts der grauenvollen Tat-
sachen, die hier dokumentarisch belegt sind, der
Haus- und Grundbesitzerverband die Verantwortlich-
keit für seine erneute Forderung auf völlige Frei-
gabe der Wohnungswirtschaft tragen will, das mag
der Verbandsleitung gerne überlassen bleiben.
A. Schwab
BUCHBESPRECHUNGEN
„GROSSMACHT DER PRESSE" IN STEIN
Das Bautagebuch des Ullsteindruckereigebäudes in Tempelhof
Unter dem Titel „Ein Industriebau" ist im
Bauweltverlag ein Werk über das von Eugen
G. S c h m o h I erbaute Ullsteindruckhaus in Tempel-
hof erschienen, das die ganze Geschichte des
Baues „Von der Fundierung bis zur Voll-
endung" darlegt, ein Bautagebuch, das durch die
strenge Sachlichkeit des Berichtes einen großen
Wert als geschichtliches Dokument über den Einzel-
fall, dem es gewidmet ist, hinaus besitzt. Der große
technische und organisatorische Apparat, der zur
Aufführung eines solchen Riesenbaus gehört, wird
durchsichtig in seinem Lauf wie in seinen Stockun-
gen und Hemmungen, man wird über Irrtümer und
Fehler der Bauleitung ebenso offen unterrichtet wie
über Meinungsgegensätze zwischen Architekt und
Ingenieur, sieht zudem im Bildteil den werdenden
Bau, das vom Ingenieur entwickelte konstruktive
Gerüst und die vom Künstler-Architekten bestimmte
Enderscheinung vergleichbar vor sich, kann sich
überall selbständig ein Urteil bilden, ohne von den
Berichterstattern gegängelt zu werden. Diese sind
für „Architektur und Planung des Baues" Imma-
nuel Braun, einer der architektonischen Mitarbei-
ter, — Schmohl selbst sollte die Vollendung seines
Baues nicht erleben — und für den Abschnitt über
die „Konstruktion und ihre Ausführung" Otto
Zucker, einer der beratenden Ingenieure.
Das Buch als Ganzes stellt einen neuen Publi-
kationstyp dar, der bei dem Schwinden unseres
Interesses für ein bloß bildmäßiges Erfassen der
Architektur, der steigenden Anteilnahme an ihren
zwecklichen und konstruktiven Voraussetzungen
eine große Zukunft hat. Die Anwendung dieser
gleichsam morphologischen Betrachtungsart auf das
Ullsteindruckhaus zeitigt allerdings ein merkwürdi-
ges Resultat. Denn der Bau Schmohls ist kein
moderner, funktionell entwickelter Organismus, der
eine solche Betrachtung aushielte, sondern ein Aus-
läufer der historizierenden Baukunst des 19. Jahr-
hunderts, romantische Phantasie über das Thema
298
Trotz dieser Sorgen hat die Tätigkeit am Bau-
markt zunächst, nach der Verzögerung um 6 bis
8 Wochen infolge der Kälte, recht lebhaft einge-
setzt. Die Zahl der erwerbslosen Bauarbeiter ist
von 73 v. H. im März auf 28 v. H. im April zurück-
gegangen. Mauersteine wurden flott abgesetzt,
allerdings meist aus sehr erheblichen Lagerbestän-
den. Auch der Zementversand hat sich rasch ge-
hoben, wenn er auch hinter dem Vorjahr noch zu-
rückblieb. Baukalk wurde in manchen Gegenden so
dringend abgerufen, daß Verladungsschwierigkeiten
eintraten. Dagegen ist die Nachfrage nach Bau-
eisen und Bauholz nicht so lebhaft wie erwartet
worden war. — Der wichtigste Zweig der Bautätig-
keit ist der Wohnungsbau; hier allerdings ist eben
infolge der Verschärfung der Lage am Kapitalmarkt
sehr zweifelhaft, ob die zahlreichen zur Genehmi-
gung eingereichten und begonnenen Projekte auch
tatsächlich weiter durchgeführt werden können. Da
der Baukostenindex schon etwas höher geworden
ist und noch weitere Erhöhungen drohen, so besteht
die Möglichkeit, daß aus der diesjährigen Bautätig-
keit eine Anzahl von „Bauleichen" zurückbleiben. —
Der Industriebau ist mit Aufträgen sehr zurückhal-
tend; auch hier wirkt natürlich die Geldklemme, zu-
sammen mit der allgemeinen Unsicherheit über die
weitere Konjunkturentwicklung.
Bauen als Saisongewerbe.
In der sozialpolitischen Diskussion der letzten
Zeit spielt die Frage einer Reform der Arbeitslosen-
versicherung eine erhebliche Rolle. Einer der um-
strittensten Punkte dabei ist die Behandlung der
Saisongewerbe, für die noch immer das Baugewerbe
typisch ist. Ohne zu den sozialpolitischen Streit-
fragen im einzelnen Stellung zu nehmen, kann immer-
hin gesagt werden, daß der Saisoncharakter der
überlieferten Bauweisen auch allgemeinwirtschaft-
lich einen Stein des Anstoßes bildet. Wenn bei uns
etwas von planmäßiger aufbauender Wirtschafts-
politik vorhanden wäre, so würden die zuständigen
Regierungsstellen mit allen Mitteln dafür sorgen,
daß die Versuche zu einer Umstellung auf indu-
strielle Fabrikation von Bauteilen, durch die die Ab-
hängigkeit vom Wetter weitgehend eingeschränkt
werden kann, in großem Maßstabe ausgebaut wer-
den. Damit wäre dann auch ein erheblicher Teil des
sozialpolitischen Problems vorbauend grundsätzlich
gelöst und man könnte sich auf Erleichterungsmaß-
nahmen für die Ubergangszeit beschränken.
Deutsche Wohnungsnot.
Als Heft 7 der Schriften des Deutschen Vereins
für Wohnungsreform ist vor kurzem ein sehr inter-
essantes Buch erschienen, in dem der Geschäfts-
führer des Vereins, Bruno Schwan, zusammen mit
verschiedenen Mitarbeitern, Wohnungsnot und Woh-
nungselend in Deutschland dokumentarisch schil-
dert. Eine Fülle von Bildern und zahllose ganz kon-
krete Einzelheiten ergeben zusammen einen Appell
an das soziale Gewissen, dessen Gewalt sich nie-
mand entziehen kann, der das Buch auch nur durch-
blättert. Wie angesichts der grauenvollen Tat-
sachen, die hier dokumentarisch belegt sind, der
Haus- und Grundbesitzerverband die Verantwortlich-
keit für seine erneute Forderung auf völlige Frei-
gabe der Wohnungswirtschaft tragen will, das mag
der Verbandsleitung gerne überlassen bleiben.
A. Schwab
BUCHBESPRECHUNGEN
„GROSSMACHT DER PRESSE" IN STEIN
Das Bautagebuch des Ullsteindruckereigebäudes in Tempelhof
Unter dem Titel „Ein Industriebau" ist im
Bauweltverlag ein Werk über das von Eugen
G. S c h m o h I erbaute Ullsteindruckhaus in Tempel-
hof erschienen, das die ganze Geschichte des
Baues „Von der Fundierung bis zur Voll-
endung" darlegt, ein Bautagebuch, das durch die
strenge Sachlichkeit des Berichtes einen großen
Wert als geschichtliches Dokument über den Einzel-
fall, dem es gewidmet ist, hinaus besitzt. Der große
technische und organisatorische Apparat, der zur
Aufführung eines solchen Riesenbaus gehört, wird
durchsichtig in seinem Lauf wie in seinen Stockun-
gen und Hemmungen, man wird über Irrtümer und
Fehler der Bauleitung ebenso offen unterrichtet wie
über Meinungsgegensätze zwischen Architekt und
Ingenieur, sieht zudem im Bildteil den werdenden
Bau, das vom Ingenieur entwickelte konstruktive
Gerüst und die vom Künstler-Architekten bestimmte
Enderscheinung vergleichbar vor sich, kann sich
überall selbständig ein Urteil bilden, ohne von den
Berichterstattern gegängelt zu werden. Diese sind
für „Architektur und Planung des Baues" Imma-
nuel Braun, einer der architektonischen Mitarbei-
ter, — Schmohl selbst sollte die Vollendung seines
Baues nicht erleben — und für den Abschnitt über
die „Konstruktion und ihre Ausführung" Otto
Zucker, einer der beratenden Ingenieure.
Das Buch als Ganzes stellt einen neuen Publi-
kationstyp dar, der bei dem Schwinden unseres
Interesses für ein bloß bildmäßiges Erfassen der
Architektur, der steigenden Anteilnahme an ihren
zwecklichen und konstruktiven Voraussetzungen
eine große Zukunft hat. Die Anwendung dieser
gleichsam morphologischen Betrachtungsart auf das
Ullsteindruckhaus zeitigt allerdings ein merkwürdi-
ges Resultat. Denn der Bau Schmohls ist kein
moderner, funktionell entwickelter Organismus, der
eine solche Betrachtung aushielte, sondern ein Aus-
läufer der historizierenden Baukunst des 19. Jahr-
hunderts, romantische Phantasie über das Thema
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