RUNDSCHAU
WO BEGINNT DIE ARCHITEKTUR?
Diese Ausführungen Le Corbusiers, die er in der Zeitschrift ,,Pritomnost" dargelegt hat, entnehmen wir
der „Frankfurter Zeitung". Die Schriftleitung
Vertieft in die Erforschung der neuen technischen Höhlen hinein und sind zufrieden. Aber nein! Gerade
Mittel, hat die Architektur das Aussehen eines Ge- nicht! Wenn erst einmal Not und Tod vertrieben
lehrten, der im Laboratorium arbeitet, und sie sieht sind, taucht das Gefühl auf; der Mensch sagt: „Ich
tatsächlich so aus, als ob der Verstand ganz allein möchte wissen, wie ihr euch meine Wohnmaschine
hier herrschte. Und sie sprechen noch heute von vorstellt? Habt ihr alles durchdacht? Wohnen: ich
Rationalisieren, Industrialisieren, Tailorisieren. Und komme nach Hause, esse, schlafe, gut! Aber ich
über solchen Formeln bemühen wir uns, unsere denke auch. Ich möchte etwas, das nur dazu dient,
wahre Seele anzuschmieden. Um diesen Prozeß mir zu gefallen oder mich zu begeistern. Denn ich
„historisch zu fassen", haben wir uns vor allem los- esse und schlafe ja nicht immerzu; ich lese gute
gesagt von den Gesimsen, Giebeln und Kuppeln der Bücher, höre Musik an, gehe ins Variete, ins Kino,
verflossenen Jahrhunderte. Wir haben die Archi- fahre an die Riviera. Und warum, wenn nicht darum,
tektur in das Wohnhaus verlegt, das bis jetzt daß ich mich erfreue? Das heißt, daß ich freiwillig
nur der Fürsorge anonymer Fachleute überlassen die Beziehungen zwischen verschiedenen Dingen
war. Früher lag dem Architekten daran, Architektur ausfindig mache, die meiner persönlichen Unterneh-
auszusprechen im Bau der Dome und Paläste. Wir miingslust schmeicheln und die mir das Bewußtsein
haben Dom und Palast verlassen. Und als wir die meines freien Entschlusses und die Gewißheit, daß
Architektur in das Privathaus verlegt hatten, ver- ich ein freier MenSch bin, geben. Ich will Freude
strickten wir uns in ungeheure Probleme: Schaffung haben. Was ihr !nutz|os' nennt, ist mir nützlich, ja
des neuen angemessenen Hauses für die neue Ge- unentbehrlich, sonst würde sich vor mir der Abgrund
Seilschaft. Kurz gesagt: es bedeutet, den Typ des auftun und ich würde mir das Leben nehmen."
heutigen Hauses zu schaffen, einen Typ, der Raum- p.. . , , , , . . .-, . . . . * . -
. , .,„..„ . _. . . . , , ,. . ^ ,, Dies ist heute der umstrittene Punkt in der Archi-
mhalt, Große und Einrichtung der menschlichen Zelle ... . ß , . , ... ,
, ' ... ., , . . . tektur: eine große Menge derer, die sich zur „Wohn-
feststellen sollte. Aber schon nicht mehr die Zelle ,. „ . , » .* j n j- n» •+■
..... ,. . maschine bekennen, mochten, daß die Definition
eines rustikal oder nationa gebundenen Menschen, , A ... . . . , . , . .. . ... . .
,, ,. der Architektur dabei bleibt. „Wenigstens wer-
sondern eines Menschen dieser Zeit: die Zelle, die , u . D ... f . . „
..... . , . i ... x den, so sagen sie, „unsere Bedurfnisse für einen
in den Landern der ganzen Welt den gleichen Wert A ... .f. ... „
. . ,. . r . . . _ ... AugenDiicKnierannaiten.
hat; eine internationale Aufgabe also. Im Bemuhen,
jene Gesimse, Giebel und Kuppeln wegzuschaffen, lch fasse meine Gedanken in folgende Bemerkun-
hatten wir eine Formel aufgestellt: das Haus ist 9en zusammen: Kunst ist untrennbar von mensch-
eine Wohnmaschine. Und dieser Ausdruck war so Hohem Tun. Man gelangt zu keiner einzigen Gebärde,
schlagend, daß er überall ein Echo fand. die sich nicht bis zu einem gewissen Grad in künst-
„Die Wohnmaschine!" lerischer Empfänglichkeit stützt. Denn die Kunst
Das bedeutet also die Rückkehr zur Null, und so ist nichts anderes als ein individuelles Ausdrücken
beginnen wir bei der Null. cler Freiheit und der persönlichen Wahl: hier erst
Neue technische Mittel," neue Bestimmungen des fühlt der Mensch sein Menschtum. Eine so existen-
Hauses. Und so sind wir denn tief hinuntergetaucht tielle- geistige und motorische Urlebensnotwendig-
in diese Aufgaben des Handwerks: der Architekt ke'* läßt sich aus dem menschlichen Tun nicht aus-
wurde zum Ingenieur schließen. Es ist ein kindischer Versuch, ein System
Und nun plötzlich im Jahre 1927, als das Wort z" formulieren, das das Herz zu überwinden ver-
von der „Wohnmaschine" schon ausgesprochen war, sucht, ein System zu formulieren, das sein Gleich-
wollten sie wieder alles mit diesem Schlagwort er- gewicht nicht an der menschlichen Seele mißt,
ledigen. Natürlich, Bäder, W.-C., Zentralheizung, „Die Wohnmaschine" ist ein Kugelwerfen gewor-
Lüftung, Beleuchtung, das alles sind unentbehrliche den, das Slaven und Deutsche üben. Schon zwei
Bedürfnisse! Die Menschen wühlen sich in ihre Jahre lang gab man mir sehr oft zu verstehen: „Ach-
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WO BEGINNT DIE ARCHITEKTUR?
Diese Ausführungen Le Corbusiers, die er in der Zeitschrift ,,Pritomnost" dargelegt hat, entnehmen wir
der „Frankfurter Zeitung". Die Schriftleitung
Vertieft in die Erforschung der neuen technischen Höhlen hinein und sind zufrieden. Aber nein! Gerade
Mittel, hat die Architektur das Aussehen eines Ge- nicht! Wenn erst einmal Not und Tod vertrieben
lehrten, der im Laboratorium arbeitet, und sie sieht sind, taucht das Gefühl auf; der Mensch sagt: „Ich
tatsächlich so aus, als ob der Verstand ganz allein möchte wissen, wie ihr euch meine Wohnmaschine
hier herrschte. Und sie sprechen noch heute von vorstellt? Habt ihr alles durchdacht? Wohnen: ich
Rationalisieren, Industrialisieren, Tailorisieren. Und komme nach Hause, esse, schlafe, gut! Aber ich
über solchen Formeln bemühen wir uns, unsere denke auch. Ich möchte etwas, das nur dazu dient,
wahre Seele anzuschmieden. Um diesen Prozeß mir zu gefallen oder mich zu begeistern. Denn ich
„historisch zu fassen", haben wir uns vor allem los- esse und schlafe ja nicht immerzu; ich lese gute
gesagt von den Gesimsen, Giebeln und Kuppeln der Bücher, höre Musik an, gehe ins Variete, ins Kino,
verflossenen Jahrhunderte. Wir haben die Archi- fahre an die Riviera. Und warum, wenn nicht darum,
tektur in das Wohnhaus verlegt, das bis jetzt daß ich mich erfreue? Das heißt, daß ich freiwillig
nur der Fürsorge anonymer Fachleute überlassen die Beziehungen zwischen verschiedenen Dingen
war. Früher lag dem Architekten daran, Architektur ausfindig mache, die meiner persönlichen Unterneh-
auszusprechen im Bau der Dome und Paläste. Wir miingslust schmeicheln und die mir das Bewußtsein
haben Dom und Palast verlassen. Und als wir die meines freien Entschlusses und die Gewißheit, daß
Architektur in das Privathaus verlegt hatten, ver- ich ein freier MenSch bin, geben. Ich will Freude
strickten wir uns in ungeheure Probleme: Schaffung haben. Was ihr !nutz|os' nennt, ist mir nützlich, ja
des neuen angemessenen Hauses für die neue Ge- unentbehrlich, sonst würde sich vor mir der Abgrund
Seilschaft. Kurz gesagt: es bedeutet, den Typ des auftun und ich würde mir das Leben nehmen."
heutigen Hauses zu schaffen, einen Typ, der Raum- p.. . , , , , . . .-, . . . . * . -
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mhalt, Große und Einrichtung der menschlichen Zelle ... . ß , . , ... ,
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feststellen sollte. Aber schon nicht mehr die Zelle ,. „ . , » .* j n j- n» •+■
..... ,. . maschine bekennen, mochten, daß die Definition
eines rustikal oder nationa gebundenen Menschen, , A ... . . . , . , . .. . ... . .
,, ,. der Architektur dabei bleibt. „Wenigstens wer-
sondern eines Menschen dieser Zeit: die Zelle, die , u . D ... f . . „
..... . , . i ... x den, so sagen sie, „unsere Bedurfnisse für einen
in den Landern der ganzen Welt den gleichen Wert A ... .f. ... „
. . ,. . r . . . _ ... AugenDiicKnierannaiten.
hat; eine internationale Aufgabe also. Im Bemuhen,
jene Gesimse, Giebel und Kuppeln wegzuschaffen, lch fasse meine Gedanken in folgende Bemerkun-
hatten wir eine Formel aufgestellt: das Haus ist 9en zusammen: Kunst ist untrennbar von mensch-
eine Wohnmaschine. Und dieser Ausdruck war so Hohem Tun. Man gelangt zu keiner einzigen Gebärde,
schlagend, daß er überall ein Echo fand. die sich nicht bis zu einem gewissen Grad in künst-
„Die Wohnmaschine!" lerischer Empfänglichkeit stützt. Denn die Kunst
Das bedeutet also die Rückkehr zur Null, und so ist nichts anderes als ein individuelles Ausdrücken
beginnen wir bei der Null. cler Freiheit und der persönlichen Wahl: hier erst
Neue technische Mittel," neue Bestimmungen des fühlt der Mensch sein Menschtum. Eine so existen-
Hauses. Und so sind wir denn tief hinuntergetaucht tielle- geistige und motorische Urlebensnotwendig-
in diese Aufgaben des Handwerks: der Architekt ke'* läßt sich aus dem menschlichen Tun nicht aus-
wurde zum Ingenieur schließen. Es ist ein kindischer Versuch, ein System
Und nun plötzlich im Jahre 1927, als das Wort z" formulieren, das das Herz zu überwinden ver-
von der „Wohnmaschine" schon ausgesprochen war, sucht, ein System zu formulieren, das sein Gleich-
wollten sie wieder alles mit diesem Schlagwort er- gewicht nicht an der menschlichen Seele mißt,
ledigen. Natürlich, Bäder, W.-C., Zentralheizung, „Die Wohnmaschine" ist ein Kugelwerfen gewor-
Lüftung, Beleuchtung, das alles sind unentbehrliche den, das Slaven und Deutsche üben. Schon zwei
Bedürfnisse! Die Menschen wühlen sich in ihre Jahre lang gab man mir sehr oft zu verstehen: „Ach-
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