Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0780
DOI article:
Villon, Pierre: Der Bucheinband in Frankreich: rationalisiertes Handwerk oder erneuerte Maschinenarbeit
DOI article:Flachbauch, Hochbau
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Die Tatsache der Spezialisierung der Einzelarbei-
ten innerhalb des Gewerbes bedeutet, daß das
Handwerk selbst rationalisiertwar und deswegen den
Konkurrenzkampf mit der Maschinenarbeit aufneh-
men konnte, ohne von vornherein zur Niederlage
verdammt zu sein. Wenn das Handwerk überhaupt
noch Zukunft hat, so liegt sie in dieser Richtung:
Organisierung der Arbeit.
Seit kurzer Zeit haben einige französische Ver-
leger mit ganz billigen maschinengebundenen Papp-
einbänden die Gunst des Publikums zu gewinnen und
mit dieser hier neuen Form der Buchpräsentation
Pergament, schwarz bemalt
Jacqueline Rabaud
ein Geschäft zu machen versucht. Es ist jedoch
kaum anzunehmen, daß sie die tief verwurzelte Ge-
wohnheit der großen Masse, Bücher erst mal bro-
schiert zu kaufen, verdrängen werden. Man stelle
sich jedoch vor, daß es gelingt, einen Maschinen-
einband herzustellen, der ebenso haltbar wie der
Handeinband, aber ein wirkliches Produkt maschi-
Schwarzes Leder mit Weiß, rotes Leder mit Weiß und
Schwarz
Jacqueline Rabaud, Paris
neller Methoden ist, statt eine maschinell herge-
stellte Nachahmung des Handeinbandes zu sein, und
der statt der üblichen Materialien neue, zweckmäßi-
gere verwendet. In diesem Falle wäre auch hier das
Ende des broschierten Buches und der Handarbeit
in der Buchbinderei gekommen.
Ich neige zu der Ansicht, daß die Lösung kommen
wird und ihre Folgen dann unvermeidlich sind. Es
wäre gut, wenn auch die Leute vom Fach sich mit
der Idee dieser Möglichkeit vertraut machen, ja sie
zu verwirklichen suchen würden, statt durch senti-
mentales Hängen am Handwerk die Entwicklung zu
Besserem aufzuhalten. Und hier denke ich nicht nur
an die Buchbinderei, sondern an alle Gewerbe, die
schon bestanden, als die Maschine kam, in denen
deswegen die Maschine nur die Arbeit der Hand
nachzuahmen suchte.
Roger Ginsburger, Paris
FLACHBAU - HOCHBAU
Ernst May im „Frankurter General-Anzeiger":
„Insbesondere wird die Frage: Hochbau oder
Flachbau? anders beurteilt werden müssen, wenn man
sich davon überzeugt, daß es eine der wichtigsten
Aufgaben des Reiches, der Länder und der Städte
sein muß, einen weiteren Rückgang der Geburten zu
verhindern und die Qualität der Bevölkerung zu
heben. Es ist statistisch nachgewiesen, daß der
Zeugungsanreiz in der hochgeschossigen Mietwoh-
nung, in dem Vielfamilienhaus ohne Gärten, wesent-
lich geringer ist als in der Wohnung im Flachbau und
besonders im Einfamilienhause. So wie wir in Nach-
kriegsjahren eine Wolkenkratzerpsychose für Ge-
schäftshäuser in Deutschland feststellen mußten,
die dann bald einer Planetarienseuche wich, so er-
leben wir gegenwärtig die Ausbreitung des Woh-
nungshochhausbazillus."
W. Gropius im „Neuen Berlin", Heft 4, 1929:
„Wenn die Praxis des Wohnungsbaues unter Wür-
digung auch der nicht wirtschaftlichen Faktoren
ergeben hat, daß umfassende Teile der arbeitenden
Bevölkerung auf dem Wege des Heimstättenbaues
nicht versorgt werden können, ja diese Wohnform
zum Teil für sich ablehnen, so ergibt sich daraus,
daß das gut organisierte moderne Großhaus nicht
als notwendiges Übel betrachtet werden darf, son-
dern als ein biologisch bedingtes echtes Wohnge-
bilde unserer Zeit. Den Einwänden der einseitigen
Verfechter des Flachbaues, daß der Trieb der
menschlichen Natur ihn unten am Boden festhalte,
widerspricht die gefühlsmäßige Einstellung zahlrei-
cher Bevölkerungskreise, die sich in einer höher über
den Boden herausgehobenen Wohnung wohlfühlen,
wenn die hygienischen Wohnungsbedingungen erfüllt
sind."
672
ten innerhalb des Gewerbes bedeutet, daß das
Handwerk selbst rationalisiertwar und deswegen den
Konkurrenzkampf mit der Maschinenarbeit aufneh-
men konnte, ohne von vornherein zur Niederlage
verdammt zu sein. Wenn das Handwerk überhaupt
noch Zukunft hat, so liegt sie in dieser Richtung:
Organisierung der Arbeit.
Seit kurzer Zeit haben einige französische Ver-
leger mit ganz billigen maschinengebundenen Papp-
einbänden die Gunst des Publikums zu gewinnen und
mit dieser hier neuen Form der Buchpräsentation
Pergament, schwarz bemalt
Jacqueline Rabaud
ein Geschäft zu machen versucht. Es ist jedoch
kaum anzunehmen, daß sie die tief verwurzelte Ge-
wohnheit der großen Masse, Bücher erst mal bro-
schiert zu kaufen, verdrängen werden. Man stelle
sich jedoch vor, daß es gelingt, einen Maschinen-
einband herzustellen, der ebenso haltbar wie der
Handeinband, aber ein wirkliches Produkt maschi-
Schwarzes Leder mit Weiß, rotes Leder mit Weiß und
Schwarz
Jacqueline Rabaud, Paris
neller Methoden ist, statt eine maschinell herge-
stellte Nachahmung des Handeinbandes zu sein, und
der statt der üblichen Materialien neue, zweckmäßi-
gere verwendet. In diesem Falle wäre auch hier das
Ende des broschierten Buches und der Handarbeit
in der Buchbinderei gekommen.
Ich neige zu der Ansicht, daß die Lösung kommen
wird und ihre Folgen dann unvermeidlich sind. Es
wäre gut, wenn auch die Leute vom Fach sich mit
der Idee dieser Möglichkeit vertraut machen, ja sie
zu verwirklichen suchen würden, statt durch senti-
mentales Hängen am Handwerk die Entwicklung zu
Besserem aufzuhalten. Und hier denke ich nicht nur
an die Buchbinderei, sondern an alle Gewerbe, die
schon bestanden, als die Maschine kam, in denen
deswegen die Maschine nur die Arbeit der Hand
nachzuahmen suchte.
Roger Ginsburger, Paris
FLACHBAU - HOCHBAU
Ernst May im „Frankurter General-Anzeiger":
„Insbesondere wird die Frage: Hochbau oder
Flachbau? anders beurteilt werden müssen, wenn man
sich davon überzeugt, daß es eine der wichtigsten
Aufgaben des Reiches, der Länder und der Städte
sein muß, einen weiteren Rückgang der Geburten zu
verhindern und die Qualität der Bevölkerung zu
heben. Es ist statistisch nachgewiesen, daß der
Zeugungsanreiz in der hochgeschossigen Mietwoh-
nung, in dem Vielfamilienhaus ohne Gärten, wesent-
lich geringer ist als in der Wohnung im Flachbau und
besonders im Einfamilienhause. So wie wir in Nach-
kriegsjahren eine Wolkenkratzerpsychose für Ge-
schäftshäuser in Deutschland feststellen mußten,
die dann bald einer Planetarienseuche wich, so er-
leben wir gegenwärtig die Ausbreitung des Woh-
nungshochhausbazillus."
W. Gropius im „Neuen Berlin", Heft 4, 1929:
„Wenn die Praxis des Wohnungsbaues unter Wür-
digung auch der nicht wirtschaftlichen Faktoren
ergeben hat, daß umfassende Teile der arbeitenden
Bevölkerung auf dem Wege des Heimstättenbaues
nicht versorgt werden können, ja diese Wohnform
zum Teil für sich ablehnen, so ergibt sich daraus,
daß das gut organisierte moderne Großhaus nicht
als notwendiges Übel betrachtet werden darf, son-
dern als ein biologisch bedingtes echtes Wohnge-
bilde unserer Zeit. Den Einwänden der einseitigen
Verfechter des Flachbaues, daß der Trieb der
menschlichen Natur ihn unten am Boden festhalte,
widerspricht die gefühlsmäßige Einstellung zahlrei-
cher Bevölkerungskreise, die sich in einer höher über
den Boden herausgehobenen Wohnung wohlfühlen,
wenn die hygienischen Wohnungsbedingungen erfüllt
sind."
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