RUNDSCHAU IN DER BAUWIRTSCHAFT
Der Wohnungsbau 1928 — und 1929.
Das gesamte Ergebnis des vorjährigen Wohnungs-
baues war mit einer Fertigstellung von rund 300 000
Wohnungen wider Erwarten um etwa 5 v. H. besser
als 1927. Für 86,7 v. H. aller Wohnungen wurden
öffentliche Mittel in Anspruch genommen. In den
großen Mittelstädten wurden 9,4 v. H. (10,6 v. H.)
der neuen Wohnungen für öffentliche Körperschaf-
ten und Behörden, 47,8 v. H. (48,4 v. H.) für gemein-
nützige Baugesellschaften, 42,8 v. H. (41 v. H.) für
private Unternehmungen hergestellt. Die Initiative
der privaten Bauwirtschaft ist also in einem gewis-
sen Vordringen begriffen, allerdings in sehr mäßi-
gem Umfang und gestützt auf die Zuschüsse aus
öffentlichen Mitteln. Das Schlagwort vom eigenen
Haus, dessen wirtschaftliche Berechtigung schon
immer bestritten wurde, scheint allmählich an Wirk-
samkeit zu verlieren: die großstädtischen Wohnhäu-
ser, die 1928 fertiggestellt wurden, enthielten im Ge-
samtdurchschnitt je 4 Wohnungen, gegen 3,8 im
Vorjahr. Siedlungen mit Einfamilienhäusern haben
vielfach trotz der weiterbestehenden Wohnungsnot
große Schwierigkeiten, ihre teuren Wohnungen
unterzubringen. U. a. gilt dies auch für die im letzten
Herbst als Mustersiedlung ausgestellte Zehlendorfer
Häusergruppe der Gagfah.
Die diesjährige Frühjahrsbausaison, spät begon-
nen infolge der langen Frostperiode und dann noch
weiter verzögert durch verspätete Eröffnung der
Binnenschaffahrt (Materialtransport!), wird sich auf
kurze Zeit zusammendrängen. Der aus dem Vorjahr
übernommene Bestand an begonnenen Wohnungs-
bauten ist diesmal, wie das Institut für Konjunk-
turforschung berichtet, höher als Anfang 1928, in
Preußen allein 96 000 Wohnungen statt 90 000. Da-
zu kommt, wie aus der hohen Zahl der im Winter
erteilten Bauerlaubnisse hervorgeht, ein beträcht-
licher Bestand geplanter bisher noch nicht begon-
nener Neubauten. Im ganzen scheint in der ersten
Hälfte der Bausaison für den Wohnungsbau eine
höhere Beschäftigung als im Vorjahr gewährleistet.
Ein Rückgang der Industriebau-Aufträge ist auf
Grund der Konjunkturentwicklung zu erwarten, aber
bisher noch nicht klar festzustellen. — Was die Fi-
nanzierung anlangt, so wird angenommen, daß aus
der Hauszinssteuer, auf die nicht so stark wie früher
vorgegriffen worden ist, mindestens wieder 800 Mil-
lionen zur Verfügung stehen, ferner größere Beträge
aus Eigenmitteln der Bauherren. Ferner kann ange-
nommen werden, daß die Bodenkreditinstitute bei
weiterem Rückgang der Industriekonjunktur bessere
Marktbedingungen für ihre Pfandbriefe finden. Da-
gegen wird als fraglich beurteilt, ob die Sparkassen
wieder in gleichem Umfange wie zuletzt (1928: 550
Millionen Neubauhypotheken) für die Finanzierung
des Wohnungsbaus in Betracht kommen.
Tagung der Reichsforschungs-
Gesellschaft.
Die Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaft-
lichkeit im Bau- und Wohnungswesen veranstaltet
vom 15. bis 17. April eine umfangreiche Tagung in
Berlin unter dem Leitwort „Wohnungsbauwirtschaft
und Wirtschaftlichkeit im Bau". Der erste und der
dritte Tag sind als Vollversammlungen gedacht und
bringen Vorträge von Staatssekretär Hirsch, Berlin,
von Prof. Gropius, Berlin, und Stadtbaurat Ernst
May, Frankfurt a. M., sowie Berichte der Obleute über
das Ergebnis der Gruppenberatung, aus denen Pro-
fessor Dr. Bartning, Berlin, die Schlußfolgerungen
für die Weiterarbeit ziehen soll. Die einzelnen Grup-
pen ordnen ihre Arbeit unter folgenden Gesichts-
punkten: „Grundrißgestaltung und Hauswirtschaft"
(Ministerialrat Herrmann, Berlin), „Baustoffe und
Bauweisen im Wohnungsbau" (Prof. Dr. Siedler, Ber-
lin), „Heizungseinrichtungen und Installationen" (Mi-
nisterialrat Scholtz, Berlin), „Städtebau und Stra-
ßenbau" (Oberregierungsrat Dr. Rappaport, Essen),
„Betriebsführung und technische Prüfverfahren"
(Prof. Dr. Garbotz, Berlin).
Bauforschung in Rußland.
Beim staatlichen Institut für Bauwesen in Moskau
besteht eine Abteilung für Versuchsbau, deren Lei-
ter, Diplom-Architekt Wutke, im Herbst letzten
Jahres auf Wunsch der Reichsforschungsgesell-
schaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungs-
wesen in einem Stuttgarter Vortrag über inter-
essante Forschungsarbeiten berichtete. Der Bericht
liegt jetzt in ausführlicher Form mit Abbildungen und
Diagrammen, herausgegeben von der Rfg., vor.
Grundlage der Untersuchungen waren sechs Ver-
suchshäuser, die als Einfamilienhäuser durchweg mit
genau dem gleichen Grundriß, jedoch in verschiede-
nen Materialien, erbaut wurden. Das Ziel war dabei
einmal die Erforschung der konstruktiven und tech-
nischen Eigenschaften der einzelnen Bauweisen
unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, so-
dann im Laufe einer dauernden genauen Beobach-
tung der wärmetechnischen und hygienischen Eigen-
schaften. Für die letztere Frage sollte zunächst ein-
mal die Prüfungs- und Beurteilungsmethode festge-
stellt werden. Es ergab sich, daß sowohl das über-
lieferte Blockholzsystem, wie die gewöhnliche 21/2-
Ziegelwand dem heutigen Stande der Technik und
der Kostenberechnung wenigstens beim russischen
Klima nicht entsprechen. Ferner wurde festgestellt,
daß das kleinste Bauobjekt bei Zuschuß von staat-
lichen Mitteln nicht ein Einfamilienhaus, sondern ein
Vierfamilienhaus sein muß. Der Bericht schließt mit
der Forderung intensiverer Forschungsarbeit, da die
physikalischen Eigenschaften der Baustoffe, beson-
ders ihr Verhalten gegenüber der Feuchtigkeit, noch
nicht genügend bekannt seien.
Anschriften der Mitarbeiter dieses Heftes:
A. B. E n n s. Lübeck, Lindenstraße 54
E.Gärtner, Köln-Zollstock, Vorgebirgstraße 360
Ferdinand Kramer, Frankfurt a. M., Oppenheimerstr. 44
Ludwig H i I b e rs e i m e r, Berlin-Wilmersdorf, Emser Straße 14
Dr. Alexander Schwab, Berlin W 57, Potsdamer Straße 93
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Der Wohnungsbau 1928 — und 1929.
Das gesamte Ergebnis des vorjährigen Wohnungs-
baues war mit einer Fertigstellung von rund 300 000
Wohnungen wider Erwarten um etwa 5 v. H. besser
als 1927. Für 86,7 v. H. aller Wohnungen wurden
öffentliche Mittel in Anspruch genommen. In den
großen Mittelstädten wurden 9,4 v. H. (10,6 v. H.)
der neuen Wohnungen für öffentliche Körperschaf-
ten und Behörden, 47,8 v. H. (48,4 v. H.) für gemein-
nützige Baugesellschaften, 42,8 v. H. (41 v. H.) für
private Unternehmungen hergestellt. Die Initiative
der privaten Bauwirtschaft ist also in einem gewis-
sen Vordringen begriffen, allerdings in sehr mäßi-
gem Umfang und gestützt auf die Zuschüsse aus
öffentlichen Mitteln. Das Schlagwort vom eigenen
Haus, dessen wirtschaftliche Berechtigung schon
immer bestritten wurde, scheint allmählich an Wirk-
samkeit zu verlieren: die großstädtischen Wohnhäu-
ser, die 1928 fertiggestellt wurden, enthielten im Ge-
samtdurchschnitt je 4 Wohnungen, gegen 3,8 im
Vorjahr. Siedlungen mit Einfamilienhäusern haben
vielfach trotz der weiterbestehenden Wohnungsnot
große Schwierigkeiten, ihre teuren Wohnungen
unterzubringen. U. a. gilt dies auch für die im letzten
Herbst als Mustersiedlung ausgestellte Zehlendorfer
Häusergruppe der Gagfah.
Die diesjährige Frühjahrsbausaison, spät begon-
nen infolge der langen Frostperiode und dann noch
weiter verzögert durch verspätete Eröffnung der
Binnenschaffahrt (Materialtransport!), wird sich auf
kurze Zeit zusammendrängen. Der aus dem Vorjahr
übernommene Bestand an begonnenen Wohnungs-
bauten ist diesmal, wie das Institut für Konjunk-
turforschung berichtet, höher als Anfang 1928, in
Preußen allein 96 000 Wohnungen statt 90 000. Da-
zu kommt, wie aus der hohen Zahl der im Winter
erteilten Bauerlaubnisse hervorgeht, ein beträcht-
licher Bestand geplanter bisher noch nicht begon-
nener Neubauten. Im ganzen scheint in der ersten
Hälfte der Bausaison für den Wohnungsbau eine
höhere Beschäftigung als im Vorjahr gewährleistet.
Ein Rückgang der Industriebau-Aufträge ist auf
Grund der Konjunkturentwicklung zu erwarten, aber
bisher noch nicht klar festzustellen. — Was die Fi-
nanzierung anlangt, so wird angenommen, daß aus
der Hauszinssteuer, auf die nicht so stark wie früher
vorgegriffen worden ist, mindestens wieder 800 Mil-
lionen zur Verfügung stehen, ferner größere Beträge
aus Eigenmitteln der Bauherren. Ferner kann ange-
nommen werden, daß die Bodenkreditinstitute bei
weiterem Rückgang der Industriekonjunktur bessere
Marktbedingungen für ihre Pfandbriefe finden. Da-
gegen wird als fraglich beurteilt, ob die Sparkassen
wieder in gleichem Umfange wie zuletzt (1928: 550
Millionen Neubauhypotheken) für die Finanzierung
des Wohnungsbaus in Betracht kommen.
Tagung der Reichsforschungs-
Gesellschaft.
Die Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaft-
lichkeit im Bau- und Wohnungswesen veranstaltet
vom 15. bis 17. April eine umfangreiche Tagung in
Berlin unter dem Leitwort „Wohnungsbauwirtschaft
und Wirtschaftlichkeit im Bau". Der erste und der
dritte Tag sind als Vollversammlungen gedacht und
bringen Vorträge von Staatssekretär Hirsch, Berlin,
von Prof. Gropius, Berlin, und Stadtbaurat Ernst
May, Frankfurt a. M., sowie Berichte der Obleute über
das Ergebnis der Gruppenberatung, aus denen Pro-
fessor Dr. Bartning, Berlin, die Schlußfolgerungen
für die Weiterarbeit ziehen soll. Die einzelnen Grup-
pen ordnen ihre Arbeit unter folgenden Gesichts-
punkten: „Grundrißgestaltung und Hauswirtschaft"
(Ministerialrat Herrmann, Berlin), „Baustoffe und
Bauweisen im Wohnungsbau" (Prof. Dr. Siedler, Ber-
lin), „Heizungseinrichtungen und Installationen" (Mi-
nisterialrat Scholtz, Berlin), „Städtebau und Stra-
ßenbau" (Oberregierungsrat Dr. Rappaport, Essen),
„Betriebsführung und technische Prüfverfahren"
(Prof. Dr. Garbotz, Berlin).
Bauforschung in Rußland.
Beim staatlichen Institut für Bauwesen in Moskau
besteht eine Abteilung für Versuchsbau, deren Lei-
ter, Diplom-Architekt Wutke, im Herbst letzten
Jahres auf Wunsch der Reichsforschungsgesell-
schaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungs-
wesen in einem Stuttgarter Vortrag über inter-
essante Forschungsarbeiten berichtete. Der Bericht
liegt jetzt in ausführlicher Form mit Abbildungen und
Diagrammen, herausgegeben von der Rfg., vor.
Grundlage der Untersuchungen waren sechs Ver-
suchshäuser, die als Einfamilienhäuser durchweg mit
genau dem gleichen Grundriß, jedoch in verschiede-
nen Materialien, erbaut wurden. Das Ziel war dabei
einmal die Erforschung der konstruktiven und tech-
nischen Eigenschaften der einzelnen Bauweisen
unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, so-
dann im Laufe einer dauernden genauen Beobach-
tung der wärmetechnischen und hygienischen Eigen-
schaften. Für die letztere Frage sollte zunächst ein-
mal die Prüfungs- und Beurteilungsmethode festge-
stellt werden. Es ergab sich, daß sowohl das über-
lieferte Blockholzsystem, wie die gewöhnliche 21/2-
Ziegelwand dem heutigen Stande der Technik und
der Kostenberechnung wenigstens beim russischen
Klima nicht entsprechen. Ferner wurde festgestellt,
daß das kleinste Bauobjekt bei Zuschuß von staat-
lichen Mitteln nicht ein Einfamilienhaus, sondern ein
Vierfamilienhaus sein muß. Der Bericht schließt mit
der Forderung intensiverer Forschungsarbeit, da die
physikalischen Eigenschaften der Baustoffe, beson-
ders ihr Verhalten gegenüber der Feuchtigkeit, noch
nicht genügend bekannt seien.
Anschriften der Mitarbeiter dieses Heftes:
A. B. E n n s. Lübeck, Lindenstraße 54
E.Gärtner, Köln-Zollstock, Vorgebirgstraße 360
Ferdinand Kramer, Frankfurt a. M., Oppenheimerstr. 44
Ludwig H i I b e rs e i m e r, Berlin-Wilmersdorf, Emser Straße 14
Dr. Alexander Schwab, Berlin W 57, Potsdamer Straße 93
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