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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Modernes aus Amerika
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Reform des Kölner Kunstgewerbemuseums
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0162

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see-Aquarium. Trotz fabelhafter Einzelheiten, nicht
nur in den Bildern, sondern auch in den Szenenfol-
gen, fehlt ihm die große Geschlossenheit; er hinter-
läßt den Eindruck von gesuchter Besonderheit.

Ein Erlebnis, trotz zischender Opposition, war das
Auftreten der Tänzerin Tamiris. Ihr Tanz ist frei
von jedem Anklang sowohl an Jazz als an Ballett
und ist vor allen Dingen frei von jedem romantischen
oder motivischen Anklang. Mit ungeheurer Diszipli-
nierung tanzt sie räumlich und nicht bildmäßig. Sie
belebt den Raum, scheut dabei kein Mittel und kann
es sich erlauben, die Ausdrucksmittel ihres Tanzes

soweit zu treiben, daß sie, am Boden liegend, ihn
unbekümmert fortsetzt. Dabei klingt dieser Tanz
nie an Sport, Akrobatik oder Gymnastik an. Das
künstlerische Mittel dieses Tanzes ist absolut.

Es ist seltsam, daß aus Amerika solche Kunst-
formen kommen, die durchaus ursprünglich sind und
denen alles traditionell Gebundene fehlt. Vielleicht
ist es auch wieder erklärlich, vielleicht sehen
wir in Amerika immer zu sehr das Importierte
statt des Eigenen, das sich allerdings nur selten,
aber dann mit ungeheurer Konsequenz, zu Wort
meldet. [_.

REFORM DES KOLNER KUNSTGEWERBEMUSEUMS

Dr. Karl With, der neuernannte Direktor des Köl-
ner Kunstgewerbemuseums, hat kürzlich vor der Köl-
ner Presse seine Ideen über die Umgestaltung des
Kunstgewerbemuseums dargelegt. Er ging davon
aus, daß der bisherige Typus des Kunstgewerbe-
museums aus der Zeit der Stilnachahmung stammt
und ursprünglich Vorbildersammlung für das Kunst-
gewerbe sein sollte. Wir entnehmen den Ausführun-
gen Withs das Folgende:

„Die Aufgabe eines neuzeitlichen Kunstgewerbe-
museums aber sehe ich darin: an Hand von vorbild-
lichen und charakteristischen Einzelstücken das Ge-
samtgebiet des kunstgewerblichen Schaffens zur
Anschauung zu bringen. Und zwar so, daß in wahr-
haft qualitätserzieherischem Sinne das Wesen von
Form, Material und Technik verdeutlicht wird, im
universal-geschichtlichen Sinne historische Zusam-
menhänge, wie ethnische Besonderheiten klargelegt
werden.

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen
ergeben sich für den Neuausbau des Kunstgewerbe-
museums folgende Richtlinien: Das Sammlungsge-
biet wird grundsätzlich beschränkt auf Gegenstände
des eigentlichen Kunstgewerbes; jedoch erweitert
auf das Gesamtgebiet des kunstgewerblichen
Schaffens bis in die Neuzeit hinein.

Die Anordnung der Bestände geschieht in Form
von Sachabteilungen und zwar enthaltend: Keramik,
Glas, Textil, Möbel- und Holzbearbeitung, Metallar-
beiten, Typografie und Schrift, Schmuck und Stein-
schnitt und anderes mehr.

Die einzelnen Sachabteilungen werden gegliedert
nach drei jeweils wiederkehrenden Leitideen, die
zu bezeichnen wären als: 1. Reichtum der Technik:
2. Reichtum der Form; 3. Reichtum der Geschichte.
Die Gegenstände unter Rubrik 1 werden zusammen-
gestellt nach technischen Gesichtspunkten, wobei
die mannigfaltigen und zugleich spezifischen Mög-
lichkeiten des Werkstoffes und seiner Verarbeitung
gezeigt werden sollen.

Die Gegenstände unter Rubrik 2 werden zusam-
mengestellt auf Grund von formlogischen Ergeb-
nissen, mit dem Zweck, eine klare Ubersicht über
die jeweiligen Grundformen, wie über die daraus
abgeleiteten Formen in ihrer Zweckmannigfaltigkeit
zu geben.

Die Gegenstände unter Rubrik 3 werden zusam-
mengestellt nach historischen und kulturgeografi-
schen Gesichtspunkten. In dieser umfangreichsten
Abteilung wird gezeigt, was im Laufe der Zeiten
und im Rahmen der verschiedenen Kulturen an vor-
bildlichen Leistungen auf den verschiedenen Sach-
gebieten des Kunstgewerbes hervorgebracht wor-
den ist. Und zwar so geordnet, daß sowohl die
charakteristischen Merkmale einer Zeit, eines Kul-
turkreises, eines Stiles, — wie auch die großen ge-
schichtlichen Zusammenhänge sichtbar werden.

Die Aufstellung der Sammlung, an die ausstel-
lungstechnisch besonders hohe Ansprüche zu stel-
len sind, geht vom Prinzip des vorbildlichen Einzel-
stückes aus, so daß eine Teilung in Schausamm-
lung und Studiensammlung zu erfolgen hätte. Da-
durch wird jede Anhäufung, die nur verwirrend und
ermüdend wirkt, vermieden. Neben den wissen-
schaftlichen Gesichtspunkten sind bei der Anord-
nung auch pädagogische Gesichtspunkte mit zu
berücksichtigen; doch so, daß stets das Ausstel-
lungsmäßige und Schaubare in fesselnder und reiz-
voller Weise beherrschend bleiben. Jeder einzelne
Raum muß mit so viel Geschmack und Fantasie aus-
gestattet werden, daß er an sich schon ein kleines
Kunstwerk bedeutet."

Die Frage, wie man das Kunstgewerbemuseum
neu ordnet und durch Verlebendigung in Beziehung
zum heutigen Menschen und heutigen Schaffen
bringt, ist von größter Bedeutung. Wir hören da
und dort die bedenkliche Frage: wird ein Mu-
seumsgut diese starke Unterteilung aushalten? Und
wird dadurch die lebendige Wirkung der einzelnen
Objekte nicht zu sehr beeinträchtigt? Man könnte
auch darauf hinweisen, wie gefährlich es ist, zu sehr
ins Lehrhafte überzugehen und wie schwer es beim
geschmackvollen Ausgestalten der Räume ist, die
Grenze zu halten, wo das Objekt als solches wirkt
und wo es zum Teil der Ausstattung wird. Aber die
Persönlichkeit Withs und seine lebendige Einstel-
lung zu den Fragen der Gegenwart bürgen dafür,
daß er diesen Gefahren aus dem Weg gehen wird.

Anschriften der Mitarbeiter dieses Heftes

Dr. S. Kracauer, Schriftleitung der Frankfurter Zeitung,

Frankfurt a. M.
Roger Ginsburger, Paris VI E 63 rue de Seine
Professor Richard R i e m e r s c h m i d , Köln a. Rh., Ubierring 40

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