Arbeitssitz und Arbeitstisch.
Von jeher wurde die außerordentliche Variabili-
tät der englischen Sitzmöbel bewundert. Den eng-
lischen Möbeltischlern ist es gelungen, für jede Art
zu sitzen und zu ruhen besondere Sitzmöbel her-
auszubilden. Diese Art „Komfort" beginnt man heute
auch auf den Arbeitssitz zu übertragen. Allerdings
nicht, um Ruhegelegenheiten zu schaffen, sondern
um die mit ungeeigneter Körperhaltung beim Sitzen
zusammenhängenden Müdigkeitserscheinungen des
Arbeitenden zu verringern. Die Erkenntnis, daß die
nicht durch mechanische Einrichtungen zu er-
setzende menschliche Tätigkeit mit dem jeweils
möglichen Mindestmaß von Kraftaufwand ausgeübt
werden muß, um ein Höchstmaß an Leistung zu erzie-
len, hat dazu geführt, Arbeitsverfahren und Arbeits-
mittel durch theoretisch-wissenschaftliche Unter-
suchungen und praktische Beobachtungen genau zu
studieren. Zu den Arbeitsmitteln gehört auch der
Arbeitsplatz, -sitz und -tisch. So kam man zu
Arbeitsplatzanordnungen, die entsprechend dem
Arbeitsvorgang differenziert sind. Diese dem
Arbeitsprozeß angepaßten Sitzgelegenheiten brin-
gen nicht nur physiologische Erleichterungen, son-
dern auch ein anderes psychologisches Verhältnis
des Arbeitenden zur Arbeit mit sich.
Zu welchen Resultaten wissenschaftliche For-
schung und praktische Beobachtung bisher gekom-
men sind, zeigt eine Ausstellung, die die Deutsche
Gesellschaft für Gewerbe-Hygiene und das unter
Leitung des Reichsarbeitsministeriums stehende
deutsche Arbeiterschutzmuseum in Verbindung mit
dem Ausschuß für wirtschaftliche Fertigung beim
Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit veranstal-
tete. Beobachtungen über die richtige Körperhal-
tung am Arbeitstisch werden durch Modelle, bild-
liche und statistische Darstellungen veranschau-
licht und Anregungen zu Verbesserungen gegeben.
Man sieht typische Ausführungen von Arbeitssitzen
normaler Höhe in Verbindung mit Arbeitstischen;
Sitze nicht normaler Höhe mit Fußstützen, Sitze mit
festem oder beweglichem Rücken und Armlehnen,
Drehsitze für Arbeiten, die ein Wenden nach der
Seite verlangen, Rollsitze für Arbeiten, bei denen
der Arbeitsplatz gewechselt wird. Bei Arbeiten, die
von Bodenerschütterungen begleitet sind, sind Sitz
und Lehne gefedert. Häufig ist der Sitz der Körper-
form angepaßt. Wie Arbeitssitze in Höhe, Art oder
Stellung zum Arbeitstisch oder der Maschine ver-
schieden zu gestalten sind, wird an Beispielen aus
der Elektro- und feinmechanischen Industrie, der
Tabakindustrie, dem Textil- und Konfektions-, dem
Buchdrucker-Gewerbe sowie Bürobetrieben gezeigt.
Leider sind die in der Ausstellung gezeigten Er-
gebnisse bis auf wenige Ausnahmen noch rein theo-
retisch. Eine allgemeine Anwendung wäre außer-
ordentlich wünschenswert. Im Interesse der deut-
schen Produktion und der ökonomischen Verwen-
dung der Arbeitskraft sollte jedes Mittel, das pro-
duktionssteigernd wirkt, ohne den Arbeitenden zu
belasten, Verwendung finden.
L. Hilberseimer
ZUR GENOSSENSCHAFTSSTADT
Ein Rechenexempel. — Insel oder Zelle?
Die Darlegungen von Ludwig Hilberseimer über gessen werden. Ist es zu hoch gerechnet, wenn
das Projekt der Großsiedlung von Fischer, Gropius man von diesen Zahlen aus ein monatliches Netto-
und Paulsen haben mich nicht überzeugt, weder einkommen von 400 Mark für eine solche Familie
grundsätzlich noch im Tatsächlichen. für das notwendige Minimum hält, wenn die Gewinne
Um mit einem Rechenexempel zu beginnen: Hil- der Genossenschaft tatsächlich die für das Projekt
berseimer rechnet mit einem Verbrauch von 2 Mark notwendige Höhe erreichen sollen? Und dabei setzt
pro Kopf und Tag, der bei einer Verdienstquote von diese Berechnung voraus, daß in dem angegebenen
10 v. H. für die Genossenschaft wohl auch zum Gelin- Rahmen tatsächlich aller Bedarf bei der Siedlungs-
gen des Projektes notwendig ist. Das würde be- Genossenschaft gedeckt wird Diese mußte also
■ ■ „ . r- ... . x . nicht nur im Preis, sondern auch in der Auswahl und
deuten, daß eine Familie von vier Köpfen — zwei _ ...... .. _ . , . „
, . ... , ... .. . 0 „ . . . Qualltat ihrer Erzeugnisse und in allem, was ma-
Eltern und zwei Kinder — täglich 8 Mark, also im . ,, , , . . . rv + is „,jä„"
. _._ , ... ,. " , , teriell und psychologisch zum „Dienst am Kunden
Monat 240 Mark nur für die Dinge auszugeben hat, ^ unbedingt konkurrenzfähig sein, um sich ihre
die im Warenvertrieb der Siedlung zu erhalten sind. Siedlungskunden in dem für die Existenz des ganzen
Dabei fallen also weg Organisationsbeiträge, Kul- Unternehmens notwendigen Maße zu halten. Und
turbedürfnisse wie Film Zeitung Buch Theater se,bst unter dieser Voraussetzung ist das, was ent-
Konzert, Fahrgelder, wahrscheinlich doch wohl auch stentj wiederum eine Siedlung für den Mittelstand
die gesamten Ausgaben für Beschaffung und In- jm weitesten Sinne, also für Beamte und Angestellte
standhaltung der Kleidung, abgesehen von Kleinig- unc) allenfalls noch für bestbezahlte Qualitätsar-
keiten. Der genannte Betrag umfaßt also im wesent- beiter. Mit einer höheren Verdienstspanne als 10 v. H.
liehen die Kosten der Ernährung und des täglichen wird man ebenfalls nicht rechnen dürfen, da die Ge-
kleinen Haushaltsbedarfs, sowie die Ausgaben für nossenschaft nicht nur konkurrenzfähig bleiben,
Licht und Heizung. Die Miete selbst, wenn sie auch sondern auch kein Risiko laufen darf. Geraten ihre
noch so billig ist, darf schließlich auch nicht ver- Versorgungsbetriebe in Schwierigkeiten und müssen
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Von jeher wurde die außerordentliche Variabili-
tät der englischen Sitzmöbel bewundert. Den eng-
lischen Möbeltischlern ist es gelungen, für jede Art
zu sitzen und zu ruhen besondere Sitzmöbel her-
auszubilden. Diese Art „Komfort" beginnt man heute
auch auf den Arbeitssitz zu übertragen. Allerdings
nicht, um Ruhegelegenheiten zu schaffen, sondern
um die mit ungeeigneter Körperhaltung beim Sitzen
zusammenhängenden Müdigkeitserscheinungen des
Arbeitenden zu verringern. Die Erkenntnis, daß die
nicht durch mechanische Einrichtungen zu er-
setzende menschliche Tätigkeit mit dem jeweils
möglichen Mindestmaß von Kraftaufwand ausgeübt
werden muß, um ein Höchstmaß an Leistung zu erzie-
len, hat dazu geführt, Arbeitsverfahren und Arbeits-
mittel durch theoretisch-wissenschaftliche Unter-
suchungen und praktische Beobachtungen genau zu
studieren. Zu den Arbeitsmitteln gehört auch der
Arbeitsplatz, -sitz und -tisch. So kam man zu
Arbeitsplatzanordnungen, die entsprechend dem
Arbeitsvorgang differenziert sind. Diese dem
Arbeitsprozeß angepaßten Sitzgelegenheiten brin-
gen nicht nur physiologische Erleichterungen, son-
dern auch ein anderes psychologisches Verhältnis
des Arbeitenden zur Arbeit mit sich.
Zu welchen Resultaten wissenschaftliche For-
schung und praktische Beobachtung bisher gekom-
men sind, zeigt eine Ausstellung, die die Deutsche
Gesellschaft für Gewerbe-Hygiene und das unter
Leitung des Reichsarbeitsministeriums stehende
deutsche Arbeiterschutzmuseum in Verbindung mit
dem Ausschuß für wirtschaftliche Fertigung beim
Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit veranstal-
tete. Beobachtungen über die richtige Körperhal-
tung am Arbeitstisch werden durch Modelle, bild-
liche und statistische Darstellungen veranschau-
licht und Anregungen zu Verbesserungen gegeben.
Man sieht typische Ausführungen von Arbeitssitzen
normaler Höhe in Verbindung mit Arbeitstischen;
Sitze nicht normaler Höhe mit Fußstützen, Sitze mit
festem oder beweglichem Rücken und Armlehnen,
Drehsitze für Arbeiten, die ein Wenden nach der
Seite verlangen, Rollsitze für Arbeiten, bei denen
der Arbeitsplatz gewechselt wird. Bei Arbeiten, die
von Bodenerschütterungen begleitet sind, sind Sitz
und Lehne gefedert. Häufig ist der Sitz der Körper-
form angepaßt. Wie Arbeitssitze in Höhe, Art oder
Stellung zum Arbeitstisch oder der Maschine ver-
schieden zu gestalten sind, wird an Beispielen aus
der Elektro- und feinmechanischen Industrie, der
Tabakindustrie, dem Textil- und Konfektions-, dem
Buchdrucker-Gewerbe sowie Bürobetrieben gezeigt.
Leider sind die in der Ausstellung gezeigten Er-
gebnisse bis auf wenige Ausnahmen noch rein theo-
retisch. Eine allgemeine Anwendung wäre außer-
ordentlich wünschenswert. Im Interesse der deut-
schen Produktion und der ökonomischen Verwen-
dung der Arbeitskraft sollte jedes Mittel, das pro-
duktionssteigernd wirkt, ohne den Arbeitenden zu
belasten, Verwendung finden.
L. Hilberseimer
ZUR GENOSSENSCHAFTSSTADT
Ein Rechenexempel. — Insel oder Zelle?
Die Darlegungen von Ludwig Hilberseimer über gessen werden. Ist es zu hoch gerechnet, wenn
das Projekt der Großsiedlung von Fischer, Gropius man von diesen Zahlen aus ein monatliches Netto-
und Paulsen haben mich nicht überzeugt, weder einkommen von 400 Mark für eine solche Familie
grundsätzlich noch im Tatsächlichen. für das notwendige Minimum hält, wenn die Gewinne
Um mit einem Rechenexempel zu beginnen: Hil- der Genossenschaft tatsächlich die für das Projekt
berseimer rechnet mit einem Verbrauch von 2 Mark notwendige Höhe erreichen sollen? Und dabei setzt
pro Kopf und Tag, der bei einer Verdienstquote von diese Berechnung voraus, daß in dem angegebenen
10 v. H. für die Genossenschaft wohl auch zum Gelin- Rahmen tatsächlich aller Bedarf bei der Siedlungs-
gen des Projektes notwendig ist. Das würde be- Genossenschaft gedeckt wird Diese mußte also
■ ■ „ . r- ... . x . nicht nur im Preis, sondern auch in der Auswahl und
deuten, daß eine Familie von vier Köpfen — zwei _ ...... .. _ . , . „
, . ... , ... .. . 0 „ . . . Qualltat ihrer Erzeugnisse und in allem, was ma-
Eltern und zwei Kinder — täglich 8 Mark, also im . ,, , , . . . rv + is „,jä„"
. _._ , ... ,. " , , teriell und psychologisch zum „Dienst am Kunden
Monat 240 Mark nur für die Dinge auszugeben hat, ^ unbedingt konkurrenzfähig sein, um sich ihre
die im Warenvertrieb der Siedlung zu erhalten sind. Siedlungskunden in dem für die Existenz des ganzen
Dabei fallen also weg Organisationsbeiträge, Kul- Unternehmens notwendigen Maße zu halten. Und
turbedürfnisse wie Film Zeitung Buch Theater se,bst unter dieser Voraussetzung ist das, was ent-
Konzert, Fahrgelder, wahrscheinlich doch wohl auch stentj wiederum eine Siedlung für den Mittelstand
die gesamten Ausgaben für Beschaffung und In- jm weitesten Sinne, also für Beamte und Angestellte
standhaltung der Kleidung, abgesehen von Kleinig- unc) allenfalls noch für bestbezahlte Qualitätsar-
keiten. Der genannte Betrag umfaßt also im wesent- beiter. Mit einer höheren Verdienstspanne als 10 v. H.
liehen die Kosten der Ernährung und des täglichen wird man ebenfalls nicht rechnen dürfen, da die Ge-
kleinen Haushaltsbedarfs, sowie die Ausgaben für nossenschaft nicht nur konkurrenzfähig bleiben,
Licht und Heizung. Die Miete selbst, wenn sie auch sondern auch kein Risiko laufen darf. Geraten ihre
noch so billig ist, darf schließlich auch nicht ver- Versorgungsbetriebe in Schwierigkeiten und müssen
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