Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0741
DOI article:
Villon, Pierre: Eisenbahnwaggons, Flugzeuge und Automobile
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Französische
Nordbahn
Inneres der 3. Kl.
Man erkennt die
konstruktive Funk-
tion derTrennungs-
wände, die eben-
falls aus Preßblech
hergestellt sind
EISENBAHNWAGGONS, FLUGZEUGE UND AUTOMOBILE
Als ich zum erstenmal einen der neuen Ganz-
metali-Wagen der französischen Nordbahn sah,
durchzuckte mich die Erkenntnis, daß hier, auf einem
Gebiet, welches sich kaum mehr zu entwickeln
schien, plötzlich wieder technisch und formal ein
Schritt nach vorwärts gemacht war. Jahrelang
haben wir die bisherigen Eisenbahnwaggons als
Spitzenleistungen der Technik bewundert, ohne uns
bewußt zu werden, daß die Trennung ihrer Ummante-
lung in Wand und Dach noch aus der Form der
ersten Eisenbahnen herkommt, daß darin noch die
Verwandtschaft mit der Postkutsche zu spüren ist.
Einen funktionellen Grund für diese Trennung zu fin-
den, wäre unmöglich gewesen. Denn bei Wind
schützt auch die kleine Rinne am Dachrand nicht
gegen den Regen, die Wand- und Fensterkonstruk-
tion muß auf jeden Fall absolut wasserdicht sein.
Während die Eisenbahningenieure an dem einmal
geschaffenen Formbegriff „Waggon" festhielten,
weil für sie die Form des Wagens weniger wichtig
war als die Konstruktion des Fahrgestells oder der
Bremsvorrichtungen, schufen die Flugzeugbauer Ge-
bilde, die sehr bald den ersten Schablonen (Kasten-
drachen, Vogelkörper) nur noch wenig ähnlich sahen
und ästhetisch sich der Vollkommenheit näherten.
Dies nicht etwa, weil die Flugzeugingenieure klüger
oder „künstlerisch" talentierter waren, sondern, weil
ein Festhalten an der ersten Form jeden Ausbau
der Erfindung gehemmt hätte, weil hier das tech-
nische Problem mit dem formalen übereinstimmte,
weil die aerodynamischen Gesetze ganz neue, ge-
Nordbahn ordnete und geschlossene Formen ver-
Gang der Schnellzugwagen langten.
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Nordbahn
Inneres der 3. Kl.
Man erkennt die
konstruktive Funk-
tion derTrennungs-
wände, die eben-
falls aus Preßblech
hergestellt sind
EISENBAHNWAGGONS, FLUGZEUGE UND AUTOMOBILE
Als ich zum erstenmal einen der neuen Ganz-
metali-Wagen der französischen Nordbahn sah,
durchzuckte mich die Erkenntnis, daß hier, auf einem
Gebiet, welches sich kaum mehr zu entwickeln
schien, plötzlich wieder technisch und formal ein
Schritt nach vorwärts gemacht war. Jahrelang
haben wir die bisherigen Eisenbahnwaggons als
Spitzenleistungen der Technik bewundert, ohne uns
bewußt zu werden, daß die Trennung ihrer Ummante-
lung in Wand und Dach noch aus der Form der
ersten Eisenbahnen herkommt, daß darin noch die
Verwandtschaft mit der Postkutsche zu spüren ist.
Einen funktionellen Grund für diese Trennung zu fin-
den, wäre unmöglich gewesen. Denn bei Wind
schützt auch die kleine Rinne am Dachrand nicht
gegen den Regen, die Wand- und Fensterkonstruk-
tion muß auf jeden Fall absolut wasserdicht sein.
Während die Eisenbahningenieure an dem einmal
geschaffenen Formbegriff „Waggon" festhielten,
weil für sie die Form des Wagens weniger wichtig
war als die Konstruktion des Fahrgestells oder der
Bremsvorrichtungen, schufen die Flugzeugbauer Ge-
bilde, die sehr bald den ersten Schablonen (Kasten-
drachen, Vogelkörper) nur noch wenig ähnlich sahen
und ästhetisch sich der Vollkommenheit näherten.
Dies nicht etwa, weil die Flugzeugingenieure klüger
oder „künstlerisch" talentierter waren, sondern, weil
ein Festhalten an der ersten Form jeden Ausbau
der Erfindung gehemmt hätte, weil hier das tech-
nische Problem mit dem formalen übereinstimmte,
weil die aerodynamischen Gesetze ganz neue, ge-
Nordbahn ordnete und geschlossene Formen ver-
Gang der Schnellzugwagen langten.
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