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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Maurus, Marc: Zu einem Bildbuch
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Villon, Pierre: Das Plakat in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0679

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gewachsener Stadt; wesentliches Abbild, Foto des
individuellen Kerns durch die reale Maske ...

Dies Buch, betitelt „Vision Hambur g", erhebt
den Anspruch, als erstes seiner Art Antlitz in jenem
höheren Sinn zu sein. Es will dies erreicht haben,
indem es sich zwischen Bildbuch und Film
stellte; jenem entnahm es die anspringende Kraft
der Akzentfolge und der kombinierten Technik, die-
sem die Würze der suggestiven Führung und der
dramatischen Struktur.

Die Bilder dieses Buches sind im Grunde einfach
genug montiert; nicht nach Historie, Städtebau oder
Fremdenführung, sondern nach den Gesetzen eines
Sehtheaters, das Geist und Intellekt verlangt,
Ethos und Herz. Die Bilder sind als Buch montiert
und viele auch als Bild; stets aber, noch bevor sie
geschaffen wurden, empfand ihr Schöpfer sie als
Züge eines einzigen großen Antlitzes, des ganz
wahren Gesichtes dieser Stadt Hamburg.

Dreimal drei Bildfolgen sehe man zum Beweis zu-
erst. — Seite 1 bis 3: Vom dunstigen Hallenraum aus

der qualmende Lokomotivkoloß, das ist aus dem
Licht her schwarzer Einbruch in die Stadt. Die
Simultanaufnahme — einsame Hure am Straßeneck,
halbes Hurengesicht groß und Schild des Stunden-
hotels — dazu die lautenschlagende Heilsarmeesän-
gerin von schrägoben verkürzt, das sind die polaren
ersten Akzente. — Seite 24 bis 27: die Tank-
Kolosse von Finkenwärder stürzen auf dich kleinen
Punkt; Oevelgönnes Gartenecke schmelzt dich lieb-
lich hin; der spitzgewinkelte Blick vom alten Michel
zeigt unbekannte Welt an Stelle kitschiger Gänge-
viertel. — Seite 46 bis 49: die brüllende Sirene des
startenden Dampfers im durchscheinenden Zeitball;
die Montage, die über emsigen Scheiteln im Groß-
kontor die satirischen Hammel vor Lange Mühren 7
zeigt; das Flugzeug, welches die wegsackende

Front der Högerschen Fabrik emporfliegt--

Und dann zieht durch die ganze Vision, ergriffen
und erschreckt, bis zu ihren Schlußakkorden: Kauf-
herrngesicht, tote Katze im Fleet, Turm der Schiffe
und Paternostergewirr! Marc Maurus

DAS PLAKAT IN PARIS

Das Plakat gehört zu den Dingen, welche aus dem
Chaos des 19. Jahrhundert herauswuchsen, aber
lange ein Aschenbrödeldasein führten, weil sie nicht
zu den sanktionierten geistigen Gebieten „KUNST"
und „WISSENSCHAFT" gehörten. Es unterlag weder
dem Urteil der Kunstkritiker noch dem Geschmack
der Kenner noch einer abstrakten Ästhetik. Es hatte
kaum eine Geschichte, noch viel weniger eine
Tradition.

Im Augenblick, wo die Maler nicht mehr in Kirchen
oder Schlössern zusammen mit Bildhauern und Bau-
meistern das Verlangen ihrer Zeit oder der herr-
schenden Klasse nach mystisch-asketischer Er-
hebung, nach sinnlicher Lebensfreude oder spiele-
rischer Raffiniertheit erfüllen, wo sie nicht mehr
Handwerker sind mit bestimmten Aufgaben und Auf-
traggebern, sondern wo sie mit irgendeiner Lein-
wand und irgendeinem „Sujet" in irgendeiner Aus-
stellung auf irgendeiner Wand irgendeine „Schön-
heit" schaffen wollen, oder irgendeine „Erhebung"
oder die Abbildung eines Naturausschnitts oder die
„Atmosphäre" eines Ortes und einer Stunde, in die-
sem Augenblick entsteht der Beruf des Plakat-
malers.

Sein Programm ist bestimmt, eindeutig: Mit For-
men, Farben, Schrift den Blick des Vorübereilenden
anziehen, fesseln, um ihm eine Marke, einen Namen
immer wieder ins Unterbewußtsein einzubohren.
Kunstmaler, die auch Plakate malen, „kulturbe-
wußte" oder einfach unkluge Geschäftsleute haben
manchmal das Problem mißverstanden, mit vielen
Details oder viel Text lange Geschichten erzählen,

Plakat

Entwurf Cassandre, Paris

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LONDON PAftlS BREMEN

14 Regent Street lORiit» Yiihor 45 An der Weide

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