„WOHNUNG UND WERKRAUM"
AUSSTELLUNG BRESLAU 1929
Die Ausstellung „Wohnung und Werkraum"
gliedert sich in eine Hallenausstellung und in
eine Versuchssiedlung. In der in Einzelgruppen
unterteilten Hallenausstellung werden alle mit
dem Hausbau zusammenhängenden Arbeiten.
Materialien und Einrichtungsgegenstände gezeigt
und in systematischen Zusammenhang gebracht.
Die Versuchssiedlung nimmt begreiflicherweise
das größere Interesse in Anspruch. Wie in Stutt-
gart sind auch hier statt vergänglicher Ausstel-
lungsbauten Dauerbauten errichtet worden, die
nach Schluß der Ausstellung in Erfüllung ihrer
eigentlichen Bestimmung zu Wohnzwecken be-
nutzt werden sollen.
Es wurden in 14 Häusern und Hausgruppen,
unter teilweiser Anwendung neuer Baustoffe und
Bauweisen, 103 Kleinwohnungen und 29 größere
Wohnungen untergebracht, und zwar vor allem
Kleinwohnungen von etwa 45 bis 60 qm Grund-
fläche. Neben Einzel- und Doppelhäusern, die
jede Freiheit der Grundrißanordnung ermöglichen,
die aber im Rahmen des Wohnungsproblems eine
relativ geringe Rolle spielen, wurden ein Wohn-
heim für kinderlose Ehepaare und Ledige, meh-
rere Reihenhäuser, ein als Gemeinschaftshaus
gedachtes Mietshaus, ein Mietshaus, dessen
Wohnungen nach holländischem Vorbild jeweils
eigenen Zugang haben, und ein Laubenganghaus
errichtet. Es wurde der Versuch gemacht, sich
praktisch mit den verschiedenen zum Teil noch
umstrittenen Wohnformen auseinanderzusetzen,
was heute besonders wichtig ist, wo nicht nur
durch die ökonomischen Verhältnisse, sondern
auch durch die Wandlung aller Lebensformen
unsere Ansprüche an eine Wohnung gegen
früher sehr verändert sind. Man begnügt sich
zwar heute mit weniger Wohnraum, verlangt aber
zum Ausgleich dafür eine sinngemäßere Auftei-
lung der Wohnung und ihre entsprechende tech-
nische Vervollkommnung.
Im Gegensatz zu der auch für diese Ausstel-
lung vorbildlichen Werkbundausstellung in Stutt-
gart 1927, die zum erstenmal durch Bauten euro-
päischer Architekten eine Möglichkeit zur öffent-
lichen Diskussion der mit der neuen Wohnung
verknüpften Probleme gab, hat die Breslauer Aus-
stellung lokalen Charakter und vor allem lokale Be-
deutung. Daher wurden auch in direkter Betonung
dieses Lokalcharakters nur Breslauer oder in
Breslau ansässige Architekten zur Mitarbeit her-
angezogen, und zwar die Architekten Theo
Effenberger, Moritz Hadda, Paul Häusler, Paul
Heim, Emil Lange, Heinrich Lauterbach, Ludwig
Moshamer, Adolf Rading, Hans Scharoun,
Gustav Wolf.
Über den Rahmen des Lokalen hinaus geht
das von Scharoun erbaute Wohnhaus für kinder-
lose Ehepaare und Ledige. Bei dem vorhandenen
Wohnungsmangel ist es begreiflich, daß zuerst an
die Unterbringung von Familien mit Kindern und
erst in zweiter Linie an kinderlose Ehepaare ge-
dacht wird. Ganz unberücksichtigt bei der üb-
lichen Wohnweise bleiben die Ledigen. Es ist
eine völlige Unmöglichkeit, diesem nicht unbe-
trächtlichen Teil der Bevölkerung das Wohn-
recht vorzuenthalten und sie auf das möblierte
Zimmer als vollgültigen Wohnungsersatz zu ver-
weisen. Die Erstellung von Wohnungen für kin-
derlose Ehepaare und Ledige ist daher von aller-
größter Bedeutung. Es ist ein besonderes Ver-
dienst der Stadt Breslau, daß sie zur Durchfüh-
rung des Scharounschen Planes Gelegenheit
gab und so die Möglichkeit zur praktischen Er-
probung solcher Wohnungen mit ihrer besonde-
ren Zweckbestimmung schuf. Neuartig ist die
Anordnung des Grundrisses für diese Kleinst-
wohnungen. Dadurch, daß zwei Wohnungen,
übereinander an einem Flur liegen und durch
Hintereinanderlegung von Wohn- und Schlafzim-
mer und mit dazwischenliegendem Bad ermög-
licht sich nicht nur eine vollkommene Querlüf-
tung, sondern auch eine erhebliche Fronterspar-
nis. Das Haus hat, wie ein Hotel, eine Halle so-
wie ein Restaurant, das nicht nur von den Haus-
bewohnern aufgesucht werden kann, sondern wie
jedes andere Restaurant zur allgemeinen Verfü-
gung steht. Das Dach ist als Dachgarten aus-
gebildet.
Gleichfalls von allgemeinem Interesse ist der
nach den Plänen von Richard Konwiarz ausge-
führte Kinderbezirk. Dieser enthält neben einem
Puppenspieltheater und einem Schulgarten ein
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AUSSTELLUNG BRESLAU 1929
Die Ausstellung „Wohnung und Werkraum"
gliedert sich in eine Hallenausstellung und in
eine Versuchssiedlung. In der in Einzelgruppen
unterteilten Hallenausstellung werden alle mit
dem Hausbau zusammenhängenden Arbeiten.
Materialien und Einrichtungsgegenstände gezeigt
und in systematischen Zusammenhang gebracht.
Die Versuchssiedlung nimmt begreiflicherweise
das größere Interesse in Anspruch. Wie in Stutt-
gart sind auch hier statt vergänglicher Ausstel-
lungsbauten Dauerbauten errichtet worden, die
nach Schluß der Ausstellung in Erfüllung ihrer
eigentlichen Bestimmung zu Wohnzwecken be-
nutzt werden sollen.
Es wurden in 14 Häusern und Hausgruppen,
unter teilweiser Anwendung neuer Baustoffe und
Bauweisen, 103 Kleinwohnungen und 29 größere
Wohnungen untergebracht, und zwar vor allem
Kleinwohnungen von etwa 45 bis 60 qm Grund-
fläche. Neben Einzel- und Doppelhäusern, die
jede Freiheit der Grundrißanordnung ermöglichen,
die aber im Rahmen des Wohnungsproblems eine
relativ geringe Rolle spielen, wurden ein Wohn-
heim für kinderlose Ehepaare und Ledige, meh-
rere Reihenhäuser, ein als Gemeinschaftshaus
gedachtes Mietshaus, ein Mietshaus, dessen
Wohnungen nach holländischem Vorbild jeweils
eigenen Zugang haben, und ein Laubenganghaus
errichtet. Es wurde der Versuch gemacht, sich
praktisch mit den verschiedenen zum Teil noch
umstrittenen Wohnformen auseinanderzusetzen,
was heute besonders wichtig ist, wo nicht nur
durch die ökonomischen Verhältnisse, sondern
auch durch die Wandlung aller Lebensformen
unsere Ansprüche an eine Wohnung gegen
früher sehr verändert sind. Man begnügt sich
zwar heute mit weniger Wohnraum, verlangt aber
zum Ausgleich dafür eine sinngemäßere Auftei-
lung der Wohnung und ihre entsprechende tech-
nische Vervollkommnung.
Im Gegensatz zu der auch für diese Ausstel-
lung vorbildlichen Werkbundausstellung in Stutt-
gart 1927, die zum erstenmal durch Bauten euro-
päischer Architekten eine Möglichkeit zur öffent-
lichen Diskussion der mit der neuen Wohnung
verknüpften Probleme gab, hat die Breslauer Aus-
stellung lokalen Charakter und vor allem lokale Be-
deutung. Daher wurden auch in direkter Betonung
dieses Lokalcharakters nur Breslauer oder in
Breslau ansässige Architekten zur Mitarbeit her-
angezogen, und zwar die Architekten Theo
Effenberger, Moritz Hadda, Paul Häusler, Paul
Heim, Emil Lange, Heinrich Lauterbach, Ludwig
Moshamer, Adolf Rading, Hans Scharoun,
Gustav Wolf.
Über den Rahmen des Lokalen hinaus geht
das von Scharoun erbaute Wohnhaus für kinder-
lose Ehepaare und Ledige. Bei dem vorhandenen
Wohnungsmangel ist es begreiflich, daß zuerst an
die Unterbringung von Familien mit Kindern und
erst in zweiter Linie an kinderlose Ehepaare ge-
dacht wird. Ganz unberücksichtigt bei der üb-
lichen Wohnweise bleiben die Ledigen. Es ist
eine völlige Unmöglichkeit, diesem nicht unbe-
trächtlichen Teil der Bevölkerung das Wohn-
recht vorzuenthalten und sie auf das möblierte
Zimmer als vollgültigen Wohnungsersatz zu ver-
weisen. Die Erstellung von Wohnungen für kin-
derlose Ehepaare und Ledige ist daher von aller-
größter Bedeutung. Es ist ein besonderes Ver-
dienst der Stadt Breslau, daß sie zur Durchfüh-
rung des Scharounschen Planes Gelegenheit
gab und so die Möglichkeit zur praktischen Er-
probung solcher Wohnungen mit ihrer besonde-
ren Zweckbestimmung schuf. Neuartig ist die
Anordnung des Grundrisses für diese Kleinst-
wohnungen. Dadurch, daß zwei Wohnungen,
übereinander an einem Flur liegen und durch
Hintereinanderlegung von Wohn- und Schlafzim-
mer und mit dazwischenliegendem Bad ermög-
licht sich nicht nur eine vollkommene Querlüf-
tung, sondern auch eine erhebliche Fronterspar-
nis. Das Haus hat, wie ein Hotel, eine Halle so-
wie ein Restaurant, das nicht nur von den Haus-
bewohnern aufgesucht werden kann, sondern wie
jedes andere Restaurant zur allgemeinen Verfü-
gung steht. Das Dach ist als Dachgarten aus-
gebildet.
Gleichfalls von allgemeinem Interesse ist der
nach den Plänen von Richard Konwiarz ausge-
führte Kinderbezirk. Dieser enthält neben einem
Puppenspieltheater und einem Schulgarten ein
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