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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Trillich, Heinrich: Der Stand der Farbtonordnung
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Trillich, Heinrich: Der Stand der Farbennormung in stofflicher Beziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0124

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nicht nur die Farbenbenennungen, sondern auch ihre
Kennzeichen, die an Stelle der Benennung treten
sollen, festzulegen.

Wenn es aber nicht nur der Verständigung ohne
vorliegendes Muster dienen, sondern auch die
Grundlage einer Farbenharmonielehre im Sinne der
Tonharmonielehre bilden soll, dann wird es noch
ausgedehnter Versuche bedürfen. Die Ergebnisse,
welche von v. Allesch im psychologischen Institut
der Universität Berlin erhalten wurden, beweisen,
daß der psychologische Eindruck von Farbenzusam-
menstellungen nicht allein von den Farben, sondern

von den verschiedensten physiopsychologischen Zu-
ständen des Betrachters abhängig ist. Das würde
aber beweisen, daß eine eindeutige chroma-
tische Ästhetik ebensowenig möglich ist wie eine
eindeutige geometrische Ästhetik.

Alles in allem kann man heute nur den Beschluß
der Münchner Farbentagung 1921 wiederholen da-
hingehend, daß die Farbenlehre und Farbenordnung
auch weiterhin einer eingehenden Prüfung bedarf,
ehe man sich zu einem Farbton-Normsystem end-
gültig entschließen kann.

Heinrich Trillich

DER STAND DER FARBENNORMUNG IN STOFFLICHER BEZIEHUNG

Der erste Versuch einer Normung der Farben und
zugleich einer Normung auf c h e m i s c h - techni-
schem Gebiet war die Keimsche Normalfarbenskala
von 1886, die 1887 von der Deutschen Gesellschaft
für rationelle Malverfahren in München angenommen
und auf dem 1. Münchner Farbentag 1893 berichtigt
und erweitert wurde. Diese Skala galt in der Haupt-
sache für künstlerische öl- und Wandmalerei, je-
doch auch für Dekorationsmalerei.

Als „normal" wurden reine und unverfälschte Far-
ben mit althergebrachten Namen, die erfahrungsge-
mäß als haltbar bekannt waren, bezeichnet.

Auf dem 2. Münchner Farbentag 1905 wurde die
Aufstellung einer Normalfarbenliste für Dekorations-
und Anstrichfarben beschlossen, für welche die
Keimsche Skala als Grundlage dienen sollte. Diese
Liste bearbeitete Keim 1906 in erster, 1910 in zwei-
ter Auflage und unterschied darin ,,Normalfarben"
und „Nicht-Normalfarben".

An die Stelle dieser Listen sollte auf meinen Vor-
schlag von 1906 das „Deutsche Farbenbuch" tre-
ten, dessen Ausarbeitung aber sich infolge der ver-
schiedensten Umstände hinauszögerte, bis ich es
endlich selbst als Entwurf herausbrachte, und zwar
1923 den ersten allgemeinen Teil, 1925 den zweiten
Teil „Künstlerfarben", 1926 den dritten Teil „An-
strichfarben und Lacke".

Ein Hauptgrund der Verzögerung war, daß man
1905 versuchte, sowohl die Künstlerfarben wie die
Dekorations- und Anstrichfarben hinsichtlich der Be-
nennung und der Kennzeichnung der Reinheit oder
Nichtreinheit einheitlich zu behandeln. Insbe-
sondere sollten Farben mit hergebrachten Namen
als „naturecht" oder „rein" auch ohne diesbezüg-
lichen Zusatz gelten, wenn sie nicht als gefüllt, ver-
schnitten, geschönt, Ersatz oder Imitation gekenn-
zeichnet seien.

Obwohl sich ein Teil der Hersteller bzw. Handler
für diese Regelung aussprach, und sie in den Ver-
kaufslisten einführte, scheiterte doch die allgemeine
Annahme an dem Widerspruch des „Verbandes Deut-
scher Farbenfabriken". Dieser wollte eine solche
Regelung nur für einen bestimmten Teil von Künst-
lerfarben, bzw. für alle Künstlerfarben mit alther-
gebrachtem Namen gelten lassen. Dagegen führte
1912 eine Vereinbarung mit dem Deutschen Schutz-
verein der Lack- und Farbenindustrie zur Aufzäh-

lung von 22 Farbennamen, unter denen allgemein
naturecht bzw. rein zu liefern sei.

Ein weiterer Grund der Verzögerung war die Stel-
lungnahme gegenüber neuen Farben, insbesondere
den Teerfarbstoffen, den daraus hergestell-
ten Teerfarblacken und den diesbezüglichen
Träger- oder Substratfarben. Die Keimsche Normal-
farbenskala von 1886 war hauptsächlich gegen das
Eindringen der damaligen höchst unechten soge-
nannten Anilinfarbstoffe in die Künstlerfarben-
palette gerichtet. Noch auf dem Farbenkongreß
1893 gab es lebhafte Auseinandersetzungen zwi-
schen Malern und Chemikern, ob Wurzelkrapplack
und Alizarinkrapplack maltechnisch identisch sei.
Nun tauchten nach und nach in den Azofarbstoffen
wesentlich lichtechtere Teerfarbstoffe auf. Trotz-
dem mußte die Forderung aufgestellt werden, alle
Künstler-, Dekorations- oder Anstrichfarben, wenn
sie Teerfarbstoffe enthielten, durch Beifügung des
Buchstabens „T" zu kennzeichnen. Hierauf gingen
sowohl die Künstlerfarbenfabriken wie auch der
Verband „Deutscher Farbenfabriken" ein, wie sich
auch kein Widerstand gegen den 1907 gestellten
Antrag Marr erhob, neue Teerfarbstoffe bzw. Teer-
farblacke in die Künstlerfarbenliste nur dann aufzu-
nehmen, wenn sie hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit
als Künstlerfarben ausreichend geprüft worden
seien. Als Maßstab der Lichtechtheit sollte dabei
jene eines haltbaren Alizarinkrapplackes gelten.

In der Folgezeit ist aber auch diese Bestimmung
von einigen Künstlerfarbenfabriken nicht eingehal-
ten worden. Außerdem brachte die Teerfarbenindu-
strie immer wieder zahlreiche neue Farbstoffe, die,
wie die Indigo- und Anthrazenfarbstoffe, immer bes-
sere Lichtechtheit aufwiesen. Es braucht nicht be-
tont zu werden, daß die Unsicherheit für die Künstler
eine immer größere wurde.

In noch größerem Maße sind die Teerfarben in das
Gebiet der Dekorations- und Anstrichfarben einge-
drungen, wobei auch heute noch die lichtunechten
Anilin- oder basischen Farbstoffe in Wand- oder
Kalkfarben eine große Rolle spielen. Es wäre natür-
lich verkehrt, an diese Farben die gleichen Echt-
heitsansprüche stellen zu wollen wie an Künstler-
farben. Viele dieser Trägerfarben, z. B. das soge-
nannte Signalrot, sind zum Teil sogar lichtechter als
das viel teurere Zinnober. Man muß also mit diesen

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