Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0250
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Kramer, Ferdinand: Die Thonetindustrie
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DIE THONETINDUSTRIE
„In einem Schauspiel wirft ein Schauspieler einen Stuhl über die
Bühne. Während einer Theatersaison wiederholt sich dieser Vorgang
täglich. Der Schauspieler, der immer wieder denselben Stuhl unver-
sehrt zurück erhält, erkundigt sich nach dem Hersteller und erfährt
den Namen der Thonet A.G." Anekdote der Thonetfirma
Es dürfte nicht sehr bekannt sein, daß es in
der Holz bearbeitenden Industrie seit der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Firma gibt, die
bereits konsequent die technischen und wirt-
schaftlichen Erfahrungen der Großindustrie ent-
wickelt hat. Die Voraussetzung für diese Arbeit
auf breitester Grundlage war, in der Herstellung
des einfachsten Gebrauchsmobiliars vom Stil
und der Technik des Schreinerhandwerks loszu-
kommen. Das Problem der Typisierung liegt in
der Standardisierung der Form, beziehungsweise
der Verarbeitungselemente. Die individuelle Her-
stellung und Bearbeitung des Einzelstücks wird
zugunsten einer Fabrikation aufgegeben, die in
der Serienherstellung präzis durchgearbeiteter
Modelle ihr eigentliches Ziel sieht. Dieser Vor-
Thonetstuhl
Thonetstuhl, lackiert
gang, dem heute eine besondere Aktualität zu-
kommt, ist nicht nur historisch interessant: er
allein erklärt den ungeheuren Absatz, der der
Thonetindustrie beschieden war, und er gibt sehr
interessante Anhaltspunkte für die weitere Ent-
wicklung der Rationalisierungsaktion in der
Möbelindustrie. Das Beispiel Thonet ist um so
illustrativer, als es beweist, daß bei bewußter
Entwicklung des Fabrikationsgedankens auch
Formprobleme gelöst werden, die absolut ästhe-
tische Maßstäbe zulassen. Die Abhängigkeit vom
jeweils herrschenden Stil ist nicht zu verkennen:
Gründerjahre und die gute Stube des saturierten
Bürgertums üben den größten Einfluß aus. Sie
1900 für die Pariser Weltausstellung aus einem werden aber gemildert und kultiviert vom wirt-
zuübeweertaer^eitet" A's technisches Kunststück schaftlichen und industriellen Zweckgedanken.
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„In einem Schauspiel wirft ein Schauspieler einen Stuhl über die
Bühne. Während einer Theatersaison wiederholt sich dieser Vorgang
täglich. Der Schauspieler, der immer wieder denselben Stuhl unver-
sehrt zurück erhält, erkundigt sich nach dem Hersteller und erfährt
den Namen der Thonet A.G." Anekdote der Thonetfirma
Es dürfte nicht sehr bekannt sein, daß es in
der Holz bearbeitenden Industrie seit der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Firma gibt, die
bereits konsequent die technischen und wirt-
schaftlichen Erfahrungen der Großindustrie ent-
wickelt hat. Die Voraussetzung für diese Arbeit
auf breitester Grundlage war, in der Herstellung
des einfachsten Gebrauchsmobiliars vom Stil
und der Technik des Schreinerhandwerks loszu-
kommen. Das Problem der Typisierung liegt in
der Standardisierung der Form, beziehungsweise
der Verarbeitungselemente. Die individuelle Her-
stellung und Bearbeitung des Einzelstücks wird
zugunsten einer Fabrikation aufgegeben, die in
der Serienherstellung präzis durchgearbeiteter
Modelle ihr eigentliches Ziel sieht. Dieser Vor-
Thonetstuhl
Thonetstuhl, lackiert
gang, dem heute eine besondere Aktualität zu-
kommt, ist nicht nur historisch interessant: er
allein erklärt den ungeheuren Absatz, der der
Thonetindustrie beschieden war, und er gibt sehr
interessante Anhaltspunkte für die weitere Ent-
wicklung der Rationalisierungsaktion in der
Möbelindustrie. Das Beispiel Thonet ist um so
illustrativer, als es beweist, daß bei bewußter
Entwicklung des Fabrikationsgedankens auch
Formprobleme gelöst werden, die absolut ästhe-
tische Maßstäbe zulassen. Die Abhängigkeit vom
jeweils herrschenden Stil ist nicht zu verkennen:
Gründerjahre und die gute Stube des saturierten
Bürgertums üben den größten Einfluß aus. Sie
1900 für die Pariser Weltausstellung aus einem werden aber gemildert und kultiviert vom wirt-
zuübeweertaer^eitet" A's technisches Kunststück schaftlichen und industriellen Zweckgedanken.
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