binden, das Henry van de Velde kürzlich in einem
ganz ausgezeichneten und sehr geistreichen
Aufsatz propagiert hat. Diese ewigen Formen",
das wären alle diejenigen, die sich durch keine
zeitgebundene Ornamentik oder sonstige Stil-
form als zugehörig zu einer früheren Epoche zu
erkennen geben. Gerade diese Formen würden,
neben die Erzeugnisse der Gegenwart gestellt,
als schönster und strengster Maßstab dienen und
zugleich auch den heilsamsten Ausblick in die
zeitliche Ferne eröffnen.
Wahrscheinlich könnte man nur in Deutsch-
land heute ein solches „Museum der Gegenwart"
schaffen. Nicht, daß nur hier die erforderlichen
Kräfte vorhanden oder die neuen Gestaltungs-
ideen nur in Deutschland zu Hause wären. Es
handelt sich hier im höchsten Grade um eine
Angelegenheit, die alle lebendigen Völker an-
geht und um Ideen, die an den verschiedensten
Punkten der Erde gleichzeitig auftauchen und
durch gemeinsame oder doch parallellaufende
Arbeit gefördert werden. Es wäre völlig ausge-
schlossen, dieses Museum etwa auf die Leistun-
gen eines einzigen Landes zu beschränken: es
gewinnt seinen Sinn erst dadurch, daß es die
Verwirklichung der neuen Gestaltungsideen in
den verschiedenen Ländern nebeneinander zeigt.
Daß dies in Deutschland leichter als in irgend-
einem Lande durchzuführen ist, liegt an der grö-
ßeren Geneigtheit des Deutschen, über die eige-
nen Grenzen hinauszublicken — einer Eigen-
schaft, die in diesem Falle ganz gewiß einen Vor-
zug bedeutet —, und an der Neigung des Deut-
schen zu einer theoretischen und systematischen
Betrachtung auch der Gegenwart; ohne diese
Neigung ist nun einmal ein Museum nicht zu
machen. Daß aber dieses Museum außerhalb
Berlins seine Aufgabe nicht ganz erfüllen kann,
braucht kaum betont zu werden. Hier laufen alle
Fäden zusammen, hier schlägt der Puls der
neuen Zeit am vernehmlichsten, hier leben die
meisten Menschen, für die diese Fragen unmit-
telbar lebendig sind. Daß Berlin sich die große
Ausstellung „Die Neue Zeit" — deren leitende
Idee die gleiche ist, die auch bei der Gründung
und Ausgestaltung dieses Museums herrschen
muß — entgehen ließ, ist sicher ein schwerer
Fehler gewesen. Aber eine Ausstellung dieser
Art kann schließlich auch anderswo ihre Wirkung
tun, wenn nur der Wille und die Kraft besteht,
die lebendigen Menschen für die Zeit der Aus-
stellung dahin zu ziehen. Ein Museum, das die-
sen Ideen dient, muß dauernd diese Anziehung
ausüben, und ist vor allem für die Menschen am
Ort da. Deshalb gehört es in die Hauptstadt.
Daß diese dadurch auch für die „Fremden" —
die Deutschen wie die Ausländer — einen neuen
Anziehungspunkt gewinnen würde, ist nicht zu
bezweifeln. Und Berlin sucht doch, sicher mit
Recht, nach Mitteln, um die Fremden mehr als
bisher anzuziehen.
Wir haben diesen Plan schon einmal führen-
den Personen der Berliner Stadtverwaltung
unterbreitet. Damals hieß es, es fehle augen-
blicklich an den Mitteln, die die Durchführung
des Planes erfordern würde. Eine Stadtverwal-
tung, die 400 000 Mark für „Kunstankäufe" zur
Verfügung hat, sollte das nicht sagen. Ein der-
artiges Museum kostet gar nicht so viel Geld.
Wenn sich Berlin entschlösse, künftig nur für
100 000 Mark Kunstwerke anzukaufen und
300 000 Mark für das „Museum der Gegenwart"
zur Verfügung zu stellen, ließe sich damit schon
viel erreichen. Deshalb halten wir es für rich-
tig, diesen Plan der Öffentlichkeit zu unter-
breiten. W. Riezler
DIE NEUE SAMMLUNG IN MÜNCHEN
Unter der Leitung von Professor Dr. Gün-
ther von Pechmann ist dem Bayerischen
Nationalmuseum in München eine Anstalt ange-
gliedert, die Neue Sammlung, deren Wesen
man auswärts nicht richtig erfaßt, wenn man sie
als eine Weitererstreckung des alten musealen
Sammelprinzips bis zur Gegenwart versteht. Die
dankenswerte Initiative der Museumsleitung (Pro-
fessor Dr. Ph. M. Halm) hat einem Institut
Räume zur Verfügung gestellt, dessen Bestre-
bungen mit den Methoden des neunzehnten, des
historizistischen Jahrhunderts nur noch ganz
lose verbunden sind.
Sicherlich hätte ein Kunstgewerbemuseum,
das die Lücke zwischen den historischen Stil-
werten und der Form der Gegenwart Phase um
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ganz ausgezeichneten und sehr geistreichen
Aufsatz propagiert hat. Diese ewigen Formen",
das wären alle diejenigen, die sich durch keine
zeitgebundene Ornamentik oder sonstige Stil-
form als zugehörig zu einer früheren Epoche zu
erkennen geben. Gerade diese Formen würden,
neben die Erzeugnisse der Gegenwart gestellt,
als schönster und strengster Maßstab dienen und
zugleich auch den heilsamsten Ausblick in die
zeitliche Ferne eröffnen.
Wahrscheinlich könnte man nur in Deutsch-
land heute ein solches „Museum der Gegenwart"
schaffen. Nicht, daß nur hier die erforderlichen
Kräfte vorhanden oder die neuen Gestaltungs-
ideen nur in Deutschland zu Hause wären. Es
handelt sich hier im höchsten Grade um eine
Angelegenheit, die alle lebendigen Völker an-
geht und um Ideen, die an den verschiedensten
Punkten der Erde gleichzeitig auftauchen und
durch gemeinsame oder doch parallellaufende
Arbeit gefördert werden. Es wäre völlig ausge-
schlossen, dieses Museum etwa auf die Leistun-
gen eines einzigen Landes zu beschränken: es
gewinnt seinen Sinn erst dadurch, daß es die
Verwirklichung der neuen Gestaltungsideen in
den verschiedenen Ländern nebeneinander zeigt.
Daß dies in Deutschland leichter als in irgend-
einem Lande durchzuführen ist, liegt an der grö-
ßeren Geneigtheit des Deutschen, über die eige-
nen Grenzen hinauszublicken — einer Eigen-
schaft, die in diesem Falle ganz gewiß einen Vor-
zug bedeutet —, und an der Neigung des Deut-
schen zu einer theoretischen und systematischen
Betrachtung auch der Gegenwart; ohne diese
Neigung ist nun einmal ein Museum nicht zu
machen. Daß aber dieses Museum außerhalb
Berlins seine Aufgabe nicht ganz erfüllen kann,
braucht kaum betont zu werden. Hier laufen alle
Fäden zusammen, hier schlägt der Puls der
neuen Zeit am vernehmlichsten, hier leben die
meisten Menschen, für die diese Fragen unmit-
telbar lebendig sind. Daß Berlin sich die große
Ausstellung „Die Neue Zeit" — deren leitende
Idee die gleiche ist, die auch bei der Gründung
und Ausgestaltung dieses Museums herrschen
muß — entgehen ließ, ist sicher ein schwerer
Fehler gewesen. Aber eine Ausstellung dieser
Art kann schließlich auch anderswo ihre Wirkung
tun, wenn nur der Wille und die Kraft besteht,
die lebendigen Menschen für die Zeit der Aus-
stellung dahin zu ziehen. Ein Museum, das die-
sen Ideen dient, muß dauernd diese Anziehung
ausüben, und ist vor allem für die Menschen am
Ort da. Deshalb gehört es in die Hauptstadt.
Daß diese dadurch auch für die „Fremden" —
die Deutschen wie die Ausländer — einen neuen
Anziehungspunkt gewinnen würde, ist nicht zu
bezweifeln. Und Berlin sucht doch, sicher mit
Recht, nach Mitteln, um die Fremden mehr als
bisher anzuziehen.
Wir haben diesen Plan schon einmal führen-
den Personen der Berliner Stadtverwaltung
unterbreitet. Damals hieß es, es fehle augen-
blicklich an den Mitteln, die die Durchführung
des Planes erfordern würde. Eine Stadtverwal-
tung, die 400 000 Mark für „Kunstankäufe" zur
Verfügung hat, sollte das nicht sagen. Ein der-
artiges Museum kostet gar nicht so viel Geld.
Wenn sich Berlin entschlösse, künftig nur für
100 000 Mark Kunstwerke anzukaufen und
300 000 Mark für das „Museum der Gegenwart"
zur Verfügung zu stellen, ließe sich damit schon
viel erreichen. Deshalb halten wir es für rich-
tig, diesen Plan der Öffentlichkeit zu unter-
breiten. W. Riezler
DIE NEUE SAMMLUNG IN MÜNCHEN
Unter der Leitung von Professor Dr. Gün-
ther von Pechmann ist dem Bayerischen
Nationalmuseum in München eine Anstalt ange-
gliedert, die Neue Sammlung, deren Wesen
man auswärts nicht richtig erfaßt, wenn man sie
als eine Weitererstreckung des alten musealen
Sammelprinzips bis zur Gegenwart versteht. Die
dankenswerte Initiative der Museumsleitung (Pro-
fessor Dr. Ph. M. Halm) hat einem Institut
Räume zur Verfügung gestellt, dessen Bestre-
bungen mit den Methoden des neunzehnten, des
historizistischen Jahrhunderts nur noch ganz
lose verbunden sind.
Sicherlich hätte ein Kunstgewerbemuseum,
das die Lücke zwischen den historischen Stil-
werten und der Form der Gegenwart Phase um
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