Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0245
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Gärtner, E.: Keramik in der Gestalt der Zeit
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Gartenplastik, rote Terrakotta
1 m hoch. Dorkas Reinacher-Härün, Köln
KERAMIK IN DER GESTALT DER ZEIT
Es gibt Perioden der Kultur, deren Gesicht für
uns bestimmt ist durch die Keramik, welche jede
von ihnen hervorbrachte, entsprechend ihrem be-
sondern Geist und Willen. Das besagt einmal,
daß vor unserm geistigen Auge, wenn der Name
einer solchen Epoche fällt, zunächst die Bilder
von keramischen Gegenständen auftauchen, die
uns zu Symbolen der Epoche geworden sind.
Fernerhin besagt das, daß unser Blick für irgend-
welche Gegenstände oder Probleme einer sol-
chen Epoche durch die Tendenzen der betreffen-
den Keramik gewissermaßen gesteuert ist. In
ihren Dichtungen, in ihren gesellschaftlichen
Einrichtungen suchen wir schließlich noch den
besondern Ausdruckswillen der keramischen For-
men, den sinnenhaften Reiz der Glasuren, die
wir lieben lernten.
(Zur Erläuterung dessen sei an die verbreitete
Gabe erinnert, von der Goethe zuerst sprach,
unter der Suggestion eines malerischen Werkes
die ganze Welt zeitweise mit den Augen des betr.
Künstlers zu sehen. Goethe erfuhr das zuerst
mit Bewußtsein an Rembrandt.)
Heute leben wir in einer Zeit, deren Kultur-
gesicht für uns selbst nicht und wohl auch nicht
für Künftige durch unsere Keramik vorwiegend
201
1 m hoch. Dorkas Reinacher-Härün, Köln
KERAMIK IN DER GESTALT DER ZEIT
Es gibt Perioden der Kultur, deren Gesicht für
uns bestimmt ist durch die Keramik, welche jede
von ihnen hervorbrachte, entsprechend ihrem be-
sondern Geist und Willen. Das besagt einmal,
daß vor unserm geistigen Auge, wenn der Name
einer solchen Epoche fällt, zunächst die Bilder
von keramischen Gegenständen auftauchen, die
uns zu Symbolen der Epoche geworden sind.
Fernerhin besagt das, daß unser Blick für irgend-
welche Gegenstände oder Probleme einer sol-
chen Epoche durch die Tendenzen der betreffen-
den Keramik gewissermaßen gesteuert ist. In
ihren Dichtungen, in ihren gesellschaftlichen
Einrichtungen suchen wir schließlich noch den
besondern Ausdruckswillen der keramischen For-
men, den sinnenhaften Reiz der Glasuren, die
wir lieben lernten.
(Zur Erläuterung dessen sei an die verbreitete
Gabe erinnert, von der Goethe zuerst sprach,
unter der Suggestion eines malerischen Werkes
die ganze Welt zeitweise mit den Augen des betr.
Künstlers zu sehen. Goethe erfuhr das zuerst
mit Bewußtsein an Rembrandt.)
Heute leben wir in einer Zeit, deren Kultur-
gesicht für uns selbst nicht und wohl auch nicht
für Künftige durch unsere Keramik vorwiegend
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