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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Morgan, Willard D.: Einfahrt-Markt (drive-in-market) Rush City: Architekt Richard J. Neutra
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Heidkamp, Karl: Zur Genossenschaftsstadt: Rechenfehler? Und doch Zelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0525

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gerie, dem Blumenhandel und Lunchcounter oder
Imbißraum. Nummer 2 passiert Benzinfüllpumpen und
den Autozubehörhandel. Nummer 3 ist die Cafe-
terrasse, von der aus man die ganze einladende
Warenausstellung des offenen Marktes übersieht.
Nummer 4 und 5: Lieferungsan- und -abfahrt.

Das hohe auffällige Reklamelichtzeichen über
dem Imbißraum gibt rotierend die Verkehrsrichtung
an und der an der Drehung teilhabende Scheinwerfer
an seinem Fußende beleuchtet periodisch alle groß
bezeichneten Abteilungsschilder des Freiluftmark-
tes, der einen einladenden, dem Kraftwagenfahrer
weiträumigen, wohlbeleuchteten Einkaufsplatz vor-
stellt.

Die Waren der verschiedenen Abteilungen, be-
sonders die farbigen Hügel von Früchten und Ge-
müsen, sind nach Neutras Entwurf auf niedrigen Aus-
legetischen unter dem, auch die Käuferwagen
schützenden, Dachübergang weit sichtbar zur
Schau gestellt, und ihre Erscheinungen wiederholen
sich überdies bunt in den dreifach gebrochenen
Soffittenspiegeln, hinter welchen mittelbare Licht-
quellen sitzen. (Vgl. „E" Abb. 2.)

Der Reichtum der lebendigen Ausstellung ist so
verdoppelt und der Entwurf Neutras wird trotz
seiner formlichen Nüchternheit der amerikanischen
Verkaufspsychologie gerecht.

Willard D. Morgan

ZUR GENOSSENSCHAFTSSTADT

Rechenfehler? Und doch Zelle.

Herr Alexander Schwab (vermutlich der Urheber
der Antwort an Ludwig Hiiberseimer) dürfte sich
in seiner Erwiderung gründlich verrechnet haben,
wenn er erstens glaubt, daß 2,— RM. täglicher Kon-
sum pro Kopf der Bewohner zu hoch gerechnet
sei (abgesehen davon, daß 2,— RM. nicht einmal zur
Rentabilität erforderlich sind, sondern nur 1,10 RM.);
und zweitens ist sein Zweifel an der Gewinnspanne
von 10 v. H. völlig unberechtigt, wenn wir die Er-
fahrung des Handels berücksichtigen, daß allein der
Reklameetat des Kleinhandels etwa 10 v. H. beträgt,
der innerhalb der Großsiedlung kaum benötigt wird,
da die Konkurrenz innerhalb der Genossenschafts-
stadt fortfällt und die Leistungsfähigkeit der ein-
zelnen Genossenschaftsbranchen nicht nur hier-
durch, sondern auch noch durch die Rationalisie-
rungsmöglichkeit erhöht wird. Hinzu kommt noch,
daß ein größerer Gewinn durch bessere Einkaufs-
möglichkeiten gewährleistet ist. Der skeptische Ver-
fechter der „Insel" behauptet auch noch, daß die
„Kulturbedürfnisse, wie Film, Zeitung, Buch, Theater,
Konzert .., wahrscheinlich doch wohl auch die ge-
samten Ausgaben für Beschaffung und Instandhal-
tung der Kleidung" als Einnahme wegfallen. Ich
möchte wissen warum? Ich sehe nicht ein, weshalb
die Bewohner Bücher und Zeitungen nicht in der
Siedlung kaufen sollten, wo sie es doch bequemer
haben als in Berlin. Außerdem sagt der Prospekt
ausdrücklich, daß auch ein Kino in der Siedlungs-
stadt sein wird. Zuzugeben ist, daß viele nach wie
vor ihre Kleidung in Berlin kaufen werden, sicher
aber nicht alle, noch dazu, da man durch den Kauf
im „eigenen Geschäft" sich selber nützt und auch
noch obendrein Rabattmarken bekommt, mit denen
man die Miete bezahlen kann.

Man kann mit einem Konsum von 2,— RM. pro
Kopf und Tag ohne weiteres rechnen (auch wenn
nur 1,10 RM. wie gesagt in Rechnung gestellt sind),
wenn man allein bedenkt, daß bei etwa 3000 Be-
wohnern 50 Pf. für Tabakverbrauch anzusetzen sind,
daß zirka 5000 Personen etwa 20 Pf. für Zeitungen
täglich ausgeben, und daß etwa 10 000 Personen
am Tag für 20 Pf. Kuchen verkonsumieren. Das er-
gibt bereits 21 Pf. umgerechnet pro Kopf und Tag.

Dazu kommen Lebensmittel des dringenden Bedarfs
pro Kopf etwa 80 Pf., Schuhwerk und Kleidung
30 Pf., Wäsche, Kosmetik und Haushaltungsgerät
10 Pf. Das sind zusammen 1,41 RM. Wenn wir hier-
zu noch den reinen Luxus rechnen, der immerhin
heute gekauft wird, wie Grammofone, Schallplat-
ten, Radiogerät, Sportartikel, Unterhaltungsbücher,
und dann wirkliches Kulturgut wie wissenschaftliche
Literatur, Kunstgegenstände usw., so dürften sich
schon 2,— RM. im ganzen ergeben, wenn wir beden-
ken, daß die wohlhabenden Kreise für diese Dinge
weit mehr als 18— RM. im Monat pro Kopf aus-
geben. Und nun muß noch bedacht werden, daß die
Großsiedlung eine neue Kreisstadt bilden wird, in
der Bewohner der umliegenden kleinen Ortschaften
ihren Bedarf an Gegenständen decken werden, die
sie am Ort nicht bekommen und die bisher in Berlin
gekauft werden mußten. Auch das Kino wird von
dort aus besucht werden. Es kommen also noch
Käuferkreise hinzu, für die man gar keinen Anhalt
hat und die nicht zu unterschätzen sind.

Warum sollte man eine solche Siedlung, die auf
einer neuen Basis steht und deren Vorbild geeignet
ist, das Wohnungswesen zu revolutionieren, nicht
„Zelle" nennen? Eine „Insel" ist sie nur so lange,
wie die Skeptiker und Spötter noch theoretisieren
können, und solange Wirtschaftskreise noch ein
Interesse daran haben, ein solches wirklich „ge-
meinnütziges Unternehmen" zu bekämpfen.

Mindestens für die ersten Jahre des Bestehens
der „Großsiedlung" kommt noch eine ganz wesent-
liche Einnahmequelle, die den Reservefonds be-
trächtlich erhöhen wird, hinzu. Es sind dies die mit
absoluter Sicherheit in sehr großer Menge kommen-
den Fremden, die sich die „neue Stadt" ansehen
wollen. Und ich denke, daß sich die Kommunalver-
waltung die Gelegenheit nicht entgehen lassen wird,
den Fremden auch etwas zu bieten, vielleicht Fest-
spiele oder dergleichen. Ich schätze, daß man in
einer solchen neuartigen Stadt auch eine stattliche
Künstlerkolonie finden wird, deren Ausstellungen
und Veranstaltungen sicher auch Interessenten hin-
ziehen werden. Karl Heidkamp

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