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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Schwab, Alexander: Ist die Genossenschaftsstadt möglich?
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Schwab, A.: Rundschau in der Bauwirtschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0353

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bilden soll, die durch diese Rationalisierung der
Lebenshaltung sich nachträglich den billigen Miets-
preis ermöglicht.

Denn die jährliche Gesamtmiete wird nur auf
1,7 Millionen, der Aufwand für Verzinsung und Til-
gung des Anlagekapitals sowie für Verwaltungs-
kosten dagegen auf 4,5 Millionen Reichsmark be-
rechnet. Die Differenz von jährlich 2,8 Millionen
Reichsmark soll daher die Siedlung sozusagen
an sich selbst verdienen.

Dem wirtschaftlich denkenden Kritiker muß, um es
von vornherein offen zu sagen, dieser Plan als un-
ausführbar, als ein echtes Kind des alten utopischen
Sozialismus erscheinen. Was zunächst die eigene
Energieversorgung betrifft, so widerspricht sie allen
Erfahrungen und wohlüberlegten Gedankengängen
der modernen Energiewirtschaft. Es ist doch
schließlich nicht Spielerei und ebensowenig blinder
Machttrieb, wenn die Elektrizitätsindustrie heute zu
immer größeren Einheiten übergeht; vielmehr sind
es sehr gut begründete Überlegungen rein ökonomi-
scher Art, die den Zusammenschluß der Stromver-
sorgungsnetze im größten Maßstabe vorwärtstrei-
ben. Der tages- und jahreszeitliche Spitzenaus-
gleich allein, ganz abgesehen von der Wirtschaft-
lichkeit größerer Maschinenaggregate und von den
Fragen der Rohstoffbasis, würde die Herstellung
der elektrizitätswirtschaftlichen Einheit von Hol-
land bis zu den Alpen rechtfertigen, die sich heute
mit Riesenschritten vorbereitet. Was inmitten einer
solchen Entwicklung die Anlage eines Werkes für
24 000 Menschen für Vorteile bieten soll, ist
schlechterdings nicht erkennbar.

Und was den genossenschaftlich verbilligten Kon-
sum anlangt, so ist auch hier das Projekt nicht stich-
haltiger. Jeder Unbefangene wird zugeben, daß sich
in der heutigen Wirtschaft zuviele Zwischenglieder
zwischen die meisten Produktionszweige und den
Konsumenten einschieben. Aber auch wenn man
weiterhin zugibt — was durchaus Gegenstand der
Diskussion sein kann —, daß die Form der Konsum-
genossenschaft berufen sei, hier Wandel zu schaf-
fen, so ist damit noch nicht das Geringste für das
Projekt einer Genossenschaftsstadt gesagt. Denn

auch hier ist die Zusammenballung zur übergreifen-
den Großorganisation das Kennzeichen der heuti-
gen Lage, und zwar nicht nur rein-faktisch, äußer-
lich und zufällig, sondern mit innerer, aus der wirt-
schaftlichen und sozialen Gesamtlage erwachsen-
der Zwangsläufigkeit. Ganz davon abgesehen, daß
die Genossenschaftssiedler doch wohl kaum ge-
zwungen werden können, den Einkauf in Berliner
Geschäften zu unterlassen, daß also die eigenen
Einrichtungen der Siedlung immer konkurrenzfähig
bleiben müssen: man kann als wahr unterstellen,
daß ein solches Gebilde zur Bedarfsdeckung von
24 000 Menschen sich konkurrenz- und tragfähig hal-
ten wird, und kommt dabei doch nicht über den Ein-
druck hinaus, daß hier eine Insel gemacht werden
soll, eine Insel Utopia mit genossenschaftlicher Ver-
fassung inmitten einer kapitalistischen Welt. Und
man mag nun von Uberzeugung Anhänger einer kapi-
talistischen oder einer sozialistischen Gesell-
schafts- und Wirtschaftsordnung sein, jedenfalls
aber weiß man doch schließlich seit Owen und
Fourier, daß solche Inseln weder eine dauernde
Lebensmöglichkeit noch mit ihrem Schicksal irgend-
welche Beweiskraft für oder gegen das eine oder
das andere System haben.

Die Verbilligung des Wohnungsbaues auf alle
Weise, durch Herabdrückung der Kapitalzinsen,
durch Verwendung billigerer Baustoffe, durch ratio-
nelle Organisation der Arbeit, durch planmäßige
Bodenpolitik, durch Kostenersparnis in der Sied-
lungsanlage, durch Normalisierung von Bauteilen,
durch Typisierung von Grundrissen, durch indu-
strielle Methoden usw. — das ist gewiß eine der
größten und dringlichsten Aufgaben der Zeit, und ge-
rade die Verfasser des Projektes haben dafür auch
schon Wichtiges geleistet. Um so mehr darf ihnen,
mit allem Respekt, die Bitte nahegelegt werden, von
dem Irrweg, auf den sie sich vorübergehend be-
geben haben, bald wieder zurückzukommen. Zumal
dieser Weg ja dem eigentlichen Problem, nämlich
der echten Verbilligung des Bauens durch eine Koor-
dinierung aller Mittel, nur ausweicht.

Alexander Schwab

RUNDSCHAU IN DER BAU Wl RTSCHAFT

GeneralbebauungsplanfürNewYork.

Für die Stadt New York ist soeben nach mehr-
jähriger Vorarbeit ein Generalbebauungs- und Er-
weiterungsplan größten Maßstabes fertiggestellt
worden. Vier Punkte sind besonders bemerkens-
wert. 1. Die Vorbereitung ist von einer privaten Stif-
tung, der Russell Sage Foundation, geleistet wor-
den, doch ist der Plan jetzt von der New Yorker
Stadtverwaltung angenommen und soll demnächst
mit den benachbarten Staaten, die davon berührt
werden, beraten werden. 2. Der Plan umfaßt eine
Fläche von 5528 Quadratmeilen, auf der heute in
425 Gemeinden 10 Millionen Menschen leben, und ist

berechnet auf eine Bevölkerungszunahme in diesem
Gebiet auf 20 Millionen Menschen bis zum Jahre
1965. 3. Es ist eine planmäßige Flächenaufteilung
zwischen Verwaltungs- und Geschäftsvierteln, Indu-
striegebieten und Wohngegenden vorgesehen, unter
Einbeziehung aller energiewirtschaftlichen, ver-
kehrspolitischen und hygienischen Gesichtspunkte.
4. Die Kosten der praktischen Durchführung sollen
nicht höher sein als die Ersparnisse, die durch Be-
seitigung der heutigen unrationellen Zersplitterung
und falschen Massenkonzentrationen — einschließ-
lich der Wolkenkratzer — zu erzielen sind. Wir hof-
fen in einem späteren Heft noch genaueres über
den Plan veröffentlichen zu können.

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