Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0192
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Wettbewerb für ein Bürohaus am Hindenburgplatz in Stuttgart
DOI article:Bier, Justus: Ein Buch über Städtebau
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Entwurf: Adolf S. Schneck
Als Apartment Building gedacht. Ein Ankauf
EIN BUCH UBER STÄDTEBAU
Josef G a n t n e r, Grundformen der europäischen
Stadt (Versuch eines historischen Aufbaues in Gene-
alogien). Mit 105 Abbildungen. Verlag A. Schroll &
Co., Wien 1928.
Um es vorweg zu sagen: Gantners Buch ist über-
haupt der erste Überblick über die Gesamtge-
schichte der europäischen Stadtbaukunst. Ein Ver-
such, der mit musterhafter Knappheit und gedank-
licher Klarheit das große Gebiet „auf weite Distanz
zu durchleuchten" und, trotz der strengen akademi-
schen Diktion, die Entwicklung und Verflechtung der
den abendländischen Städtebau bestimmenden
Ideen so spannungsvoll darzustellen weiß, daß
das Buch auch jedem Laien, nicht nur dem Archi-
tekten und Historiker empfohlen werden darf.
Durch Gantners Schrift werden die z. T. durch
den näheren Bückpunkt bedingten Mängel der bis-
herigen Darstellungen von Teilgebieten und Einzel-
fragen aus der Geschichte der Stadtbaukunst: das
Hängen am Einzelbeispiel oder an der bloß archäolo-
gischen Klarlegung der Tatbestände, die Vermi-
schung kunst- also formgeschichtlicher mit wirt-
schafts-, Verkehrs-, verteidigungstechnischen Prin-
zipien, die falsche Überspannung der Nationalkon-
stante, schärfer als bisher fühlbar. Die Einzeler-
kenntnis ordnet sich nun erst den großen Zusammen-
hängen ein, deren Klarstellung Gantner als seine
wesentliche Aufgabe unter Verzicht auf enzyklopä-
dische Allseitigkeit betrachtet.
Von seltener Eindeutigkeit schon das Programm,
das sich der Verfasser stellte. Er bringt nicht Be-
griffe aus anderen kunstgeschichtlichen Gebieten
an die Materie heran, sondern sucht sie in ihr selbst
und objektiviert so seine subjektive Erkenntnis: dem
Leser ist die Möglichkeit gegeben, die hinter der
historischen Darstellung und den scharf wertenden
Urteilen über Einzelobjekte stehenden Kriterien zu
fassen und selbst zu prüfen ist.
Die überraschendsteThese Gantners: es gibt keine
eindeutige Entwicklung von den irregulären, durch
das Gelände oder Siedlungskerne (Burg, Kirche) be-
stimmten Städten zu den regulären, nach planime-
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Als Apartment Building gedacht. Ein Ankauf
EIN BUCH UBER STÄDTEBAU
Josef G a n t n e r, Grundformen der europäischen
Stadt (Versuch eines historischen Aufbaues in Gene-
alogien). Mit 105 Abbildungen. Verlag A. Schroll &
Co., Wien 1928.
Um es vorweg zu sagen: Gantners Buch ist über-
haupt der erste Überblick über die Gesamtge-
schichte der europäischen Stadtbaukunst. Ein Ver-
such, der mit musterhafter Knappheit und gedank-
licher Klarheit das große Gebiet „auf weite Distanz
zu durchleuchten" und, trotz der strengen akademi-
schen Diktion, die Entwicklung und Verflechtung der
den abendländischen Städtebau bestimmenden
Ideen so spannungsvoll darzustellen weiß, daß
das Buch auch jedem Laien, nicht nur dem Archi-
tekten und Historiker empfohlen werden darf.
Durch Gantners Schrift werden die z. T. durch
den näheren Bückpunkt bedingten Mängel der bis-
herigen Darstellungen von Teilgebieten und Einzel-
fragen aus der Geschichte der Stadtbaukunst: das
Hängen am Einzelbeispiel oder an der bloß archäolo-
gischen Klarlegung der Tatbestände, die Vermi-
schung kunst- also formgeschichtlicher mit wirt-
schafts-, Verkehrs-, verteidigungstechnischen Prin-
zipien, die falsche Überspannung der Nationalkon-
stante, schärfer als bisher fühlbar. Die Einzeler-
kenntnis ordnet sich nun erst den großen Zusammen-
hängen ein, deren Klarstellung Gantner als seine
wesentliche Aufgabe unter Verzicht auf enzyklopä-
dische Allseitigkeit betrachtet.
Von seltener Eindeutigkeit schon das Programm,
das sich der Verfasser stellte. Er bringt nicht Be-
griffe aus anderen kunstgeschichtlichen Gebieten
an die Materie heran, sondern sucht sie in ihr selbst
und objektiviert so seine subjektive Erkenntnis: dem
Leser ist die Möglichkeit gegeben, die hinter der
historischen Darstellung und den scharf wertenden
Urteilen über Einzelobjekte stehenden Kriterien zu
fassen und selbst zu prüfen ist.
Die überraschendsteThese Gantners: es gibt keine
eindeutige Entwicklung von den irregulären, durch
das Gelände oder Siedlungskerne (Burg, Kirche) be-
stimmten Städten zu den regulären, nach planime-
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