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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Rundschau in der Bauwirtschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0559

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RUNDSCHAU IN DER BAUWIRTSCHAFT

Zur Bausparkassenbewegung.

Im Laufe der letzten Jahre, und zwar entschei-
dend etwa seit einem Jahr, gewinnt die Bauspar-
kassenbewegung in raschem Tempo, ja sogar mit
wachsender Beschleunigung, neue Anhänger in
Deutschland. Nach schwierigen Anfängen, die mit
mancherlei Mängeln behaftet waren, hat sie sich
auch innerlich konsolidiert. Am bekanntesten ist die
aus pietistischen Kreisen stammende Gemeinschaft
der Freunde Wüstenrot, deren Gründer Kropp hier,
ohne es zu ahnen, eine Organisationsform noch ein-
mal neu von sich aus entdeckte, die in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland schon
eine gewisse Blütezeit gehabt hatte. Kennzeich-
nend für die rasche Ausdehnung ist, daß die zweit-
größte Gesellschaft, die „Deutschland" Bauspar-
A.-G., über eine Verdreifachung des Geschäfts im
Laufe einiger Wochen berichtet. Auch die Sparkas-
sen und die öffentlichrechtlichen Versicherungsge-
sellschaften unternehmen seit einiger Zeit Neugrün-
dungen auf der Grundlage dieses Systems, dessen
Merkmal die Verbindung von Spartätigkeit zu Woh-
nungsbauzwecken mit Lebensversicherung ist. Die
mancherlei Bedenken, die von verschiedenen Seiten
bald gegen die eine, bald gegen die andere Form
der Durchführung dieses Prinzips erhoben worden
sind, haben die Reichsregierung zu dem Entschluß
gebracht, einen Gesetzentwurf über das Bauspar-
wesen vorzubereiten, an dem sowohl im Reichs-
arbeits- wie im Reichswirtschaftsministerium gear-
beitet wird. Es wird über diese Angelegenheit, be-
sonders auch im Hinblick auf die älteren und sehr
umfangreichen amerikanischen und englischen Er-
fahrungen, noch zu berichten sein.

o

SchonjetztRückgangderBau-
t ä t i g k e i t.

Die Berichte der Landesarbeitsämter lassen
schon ab Mitte August einen gewissen Rückgang
der Bautätigkeit erkennen, wenn auch nicht in allen
Landesteiien. Die Gründe liegen überwiegend in
Schwierigkeiten der Finanzierung. Ob die Monate
September/Oktober noch einmal einen Aufschwung
zeigen werden, wird wesentlich von dem Ausgang
der Verhandlungen um den Youngplan und von ihren
innerpolitischen Auswirkungen abhängen. — Neben
dem Baugewerbe selbst melden auch die wichtig-
sten Baustoffindustrien vielfach einen Rückgang des
Absatzes und der Beschäftigung, so vor allem die
Zement- und die Steinindustrie. Das Gleiche gilt
für die Ziegelindustrie mit der bezeichnenden Aus-
nahme des Berliner Bezirks: hier sollen die Werke
für dieses Jahr ausverkauft sein, was freilich mehr

ein Zeichen unrationeller Dispositionen bei allen Be-
teiligten als einer besonders hoch gesteigerten Bau
tätigkeit ist.

Verlängerung der jährlichen Bau-
periode!

Diese Forderung wird erneut von der Reichstags-
abgeordneten Marie-Elisabeth L ü d e r s in einem be
achtenswerten Aufsatz im Berliner Tageblatt er
hoben. Sie stützt sich dabei auf Berechnungen, wo-
nach schon in dem milden Winter 1927/28 allein
durch den übertriebenen Saisoncharakter der Bau-
wirtschaft rund 900 Millionen Arbeitsstunden gleich
mindestens 1 Milliarde Mark verlorengegangen sind.
Dazu kommen an Zinsverlusten, Stilliegen von Anla-
gen usw. noch einmal 1 bis 11/2 Milliarden Verluste
der Volkswirtschaft. Sie erklärt vollkommen richtig:
„Nichts darf unversucht bleiben, um das in der Bau-
wirtschaft arbeitende Kapital schneller umzuschla-
gen und rationeller arbeiten zu lassen, d. h. es muß
alles geschehen, um die Bauzeit für die einzelnen
Gebäude zu verkürzen und die Bauperiode im ganzen
zu verlängern. Beides ist voneinander untrennbar,
denn nur eine in allen Teilen rationell arbeitende
Bauwirtschaft kann die Bauten schneller als bis-
lang herstellen, und nur ein nicht mehr durch den
Saisoncharakter gefesseltes Baugewerbe kann
seine Betriebe rationalisieren." — Wegen der gro-
ßen Bedeutung der öffentlichen Gelder wäre hier-
für wichtig entweder eine Verlegung des Haushalts-
jahres auf die Termine des Kalenderjahres oder die
Einführung einer zweijährigen Haushaltsperiode, wie
sie in Baden besteht.

Ein neuer Hausbesitzerverband.

In der Vertretung des Haus- und Grundbesitzes
hat eine Spaltung stattgefunden. Neben dem alten
Zentralverband Deutscher Haus- und Grundbesitzer-
vereine ist ein „Reichsverband der Freien Haus- und
Grundbesitzer Deutschlands" in Berlin SW 48 neu
gegründet worden. Der neue Verband wendet sich
gegen die negative Haltung des alten Zentralver-
bandes in allen Fragen des Grundstücks-, Boden-
und Mietsrechtes und will versuchen, zwischen den
Interessenten Brücken zu schlagen. Der letzte An-
stoß zur Neugründung war wohl die Münchener
Tagung des Zentralverbandes, auf der in altbekann-
ter Intransigenz vollkommen darauf verzichtet
wurde, irgendwelche gangbaren Wege zur Behebung
der Wohnungsnot und zum Schutz gegen Spekula-
tion mit Bauland und Hausbesitz zu zeigen und man
sich statt dessen wieder auf die bekannte ebenso
einfache wie unmögliche Formel „sofortige Aufhe-
bung der Zwangswirtschaft" einigte. A. Schwab

Im nächsten Heft werden wir den Vortrag über Technik — Kultur — Kunst, den Professor
Dr. Dessauer auf der Jahresversammlung in Breslau gehalten hat, veröffentlichen.
 
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