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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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"Die neue Zeit", Köln 1932
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Wollenberg, ...: Die staatlichen künstlerischen Sachverständigenkammern als Schiedsgerichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0128

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„DIE NEUE ZEIT" - KÖLN 1932

Im Januar hat in Stuttgart auf Veranlassung unse-
rer Württembergischen Arbeitsgemeinschaft Profes-
sor Dr. Jäckh über die Ausstellungspläne des Deut-
schen Werkbundes gesprochen. Er ging von seinen
in Köln dargelegten Grundsätzen einer „neudeut-
schen Ausstellungspolitik" aus, um dann über den
Stand der Vorarbeiten für die internationale Werk-
bundausstellung „Die Neue Zeit" Köln 1932 zu be-
richten. Dem Vortrag wohnten außer einer großen
Anzahl unserer Mitglieder der württembergische

Staatspräsident bei, sowie Vertreter der Regierung,
des Landtags, der Stadt Stuttgart und der württem-
bergischen Wirtschaftsverbände. Daß die Ausfüh-
rungen Jäckhs starken Eindruck machten, war nicht
nur aus dem Echo der ganzen Presse ersichtlich,
sondern dies zeigte sich auch in den nachfolgenden
persönlichen Besprechungen, so daß durch den Vor-
trag Jäckhs für die württembergische Beteiligung
an der Kölner Ausstellung bereits eine ausgezeich-
nete Grundlage geschaffen wurde.

DIE STAATLICHEN KÜNSTLERISCHEN SACHVERSTÄNDIGENKAMMERN
ALS SCHIEDSGERICHTE

Nach § 46 des Reichsgesetzes betreffend das
Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und
der Photographie vom 9. Mai 1907 sollen für sämt-
liche Bundesstaaten Sachverständigenkammern be-
stehen, die verpflichtet sind, auf Erfordern der Ge-
richte und der Staatsanwaltschaften Gutachten
über die an sie gerichteten Fragen abzugeben. Dem
entsprechend sind s. Zt. für die heutigen Freistaaten
des Reichs Kammern der gedachten Art errichtet
worden. Ihre Gutachtertätigkeit erstreckt sich, da
sie im Kapitel 7 „Rechtsverletzungen" des Ge-
setzes genannt sind, nur auf Fragen des künstle-
rischen Urheberrechts im Zivil- oder Strafprozeß,
zu denen aber nicht bloß die Frage des Vorhanden-
seins einer unbefugten Nachbildung, sondern auch
die Frage nach den Folgen solcher Rechtsverletzun-
gen z. B. nach der Höhe der dem Verletzten gebüh-
renden Entschädigung gehört. In die Kammern wer-
den von den zuständigen Ministerien ausschließlich
Personen berufen, die einerseits auf den mannig-
fachen Gebieten der Kunst und des Kunstgewerbes
eine besondere Sachkunde besitzen, andererseits
nach ihrer Person und Stellung im öffentlichen
Leben die denkbar größte Sicherheit dafür bieten,
daß sie die Gutachtertätigkeit objektiv ausüben
werden. Die Kammern machen in der Regel hierfür
Vorschläge. Die Zahl der Mitglieder ist nicht be-
grenzt. Bei der kollegialen Beratung des Einzelfalls
sollen nicht mehr als 7 Mitglieder tätig se' i, H«e
der Vorsitzende nach ihrer Eignung für den Fall
auswählt. Die Kammern sind staatliche Behörden.
Sie erheben für die Mühewaltung der Beteiligten
Gebühren, deren Höhe sich nach dem Umfang und
der Schwierigkeit des Falles richtet (30—900 RM).
Die Gutachten sind wie alle Sachverständigen-Gut-
achten für das Gericht an sich nicht bindend, da das
Gericht stets nach freier Uberzeugung erkennt; sie
haben aber, da die geschilderte Zusammensetzung
der Kammern die höchste Gewähr für eine sach-

kundige und gerechte Begutachtung bietet, natur-
gemäß ein besonderes Gewicht.

Während hier die Kammern als Gutachter-
kollegien den Gerichten nur fachliche Hilfe
leisten, können sie nach besonderer Vorschrift des
Gesetzes auch selbst als Gerichte, nämlich als
Schiedsgerichte tätig werden. Sie entscheiden dann
nach den §§ 1025 ff. COP. ohne weiteren Instanzen-
zug. Voraussetzung ist ein Schiedsvertrag der strei-
tenden Parteien; beide müssen also über die An-
rufung der Kammern als Schiedsgericht einig sein.
Die obigen Bestimmungen über Zusammensetzung,
Zahl, Gebühren usw. gelten auch hier. Diese
schiedsrichterliche Tätigkeit wird erfahrungsmäßig
nur selten gewünscht, weil die Vorschrift nicht ge-
nügend bekannt ist oder weil die Interessenten, wie
das gelegentlich zur Sprache kam, nicht darauf ver-
zichten wollen, auch ihrerseits Schiedsrichter zu
erwählen, wie das bei den sonstigen Schiedsge-
richten der Fall ist.

Meines Erachtens ist diese Erwägung nicht un-
begründet. Ihr kann aber entsprochen werden, in-
dem der Kammer, wenn sie als Schiedsgericht ent-
scheiden soll, je ein von den Parteien genannter
Schiedsrichter zur Entscheidung des Einzelfalls hin-
zutritt. Ein Kollegium, das nach diesen Gesichts-
punkten zusammengesetzt ist, also aus drei bis fünf
Kammermitgliedern und zwei Sonderschiedsrichtern
besteht, dürfte die denkbar höchste Gewähr dafür
bieten, daß einwandfreie Entscheidungen erlassen
werden. Nicht unerwähnt mag dabei bleiben, daß
ein solches Schiedsgerichtsverfahren, das sich übri-
gens den Formen des ordentlichen Gerichtsverfah-
rens (z. B. der mündlichen Verhandlung und Beweis-
erhebung) anpassen würde, den Streitfall in erheb-
lich kürzerer Zeit zum Abschluß bringen könnte und
weit weniger Kosten verursachen würde, als das
mehrinstanzliche Verfahren vor den ordentlichen
Gerichten. Dr. Wollenberg

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