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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Hilberseimer, Ludwig: Zur Neuvorlage des Entwurfs zum Städtebaugesetz
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0284

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ZUR NEUVORLAGE DES ENTWURFS ZUM
STÄDTEBAUGESETZ

Wie sich früher das Land der Entwicklung der
Städte entgegensetzte, so setzt sich heute die
Stadt der Staatsentwicklung entgegen, deren ge-
samtgesellschaftliche Funktion den Einzelinteressen
aber übergeordnet ist. Stand die fortschritt-
liche Entwicklung früher durchaus auf der Seite
der Städte, während das Land in seinem kon-
servativen Beharrungsvermögen jedem Fortschritt,
jeder Veränderung sich entgegenstellte, so sind es
heute die Städte, deren Forderungen sich in-
zwischen durchgesetzt haben, die nun auf Grund
des gleichen konservativen Beharrungsvermögens
sich den Entwicklungstendenzen entgegensetzen,
der Zukunftsentfaltung der Gesellschaft ihre Rechte
als unwandelbar gegenübergestellt wissen möchten.

Die Städte wurden im Staatsganzen bisher als
mehr oder weniger isolierte Zentren behandelt und
blieben in ihrer Entwicklung sich selbst überlassen.
Die städtebauliche Gesetzgebung beschränkte sich
auf das Fluchtliniengesetz vom Jahre 1875. Dies be-
stimmt, daß die Festlegung von Fluchtlinien von
Straßen und Plätzen Sache des Gemeindevorstan-
des ist, im Einverständnis mit der Gemeinde, unter
Zuziehung der Ortspolizeibehörde. Es beschränkt
das Staatsinteresse lediglich auf das polizeiliche
Gebiet und will die freie Selbstbestimmung der Ge-
meinde relativ unbeeinflußt lassen. Der Mangel die-
ses Gesetzes ist, daß nur Straßen und Plätze fest-
gelegt werden mußten. Das zur Ergänzung dieses
Gesetzes 1918 geschaffene Wohnungsgesetz be-
seitigt diesen Mangel und bestimmt, daß außer
Straßen und Plätzen auch Gartenanlagen, Spiel- und
Sportplätze fluchtlinienmäßig festgesetzt werden
können.

Ein eigentliches Städtebaugesetz bestand aber
nicht. Dem Mangel, der durch das Nebeneinander
verschiedener Gesetze entstand, versucht der Ent-
wurf zu einem Städtebaugesetz von 1926 abzuhel-
fen und eine für das ganze preußische Staatsgebiet
einheitliche Regelung dieser Probleme herbeizu-
führen. Dieses Gesetz gelangte in dem früheren
Landtag nicht mehr zur Verabschiedung und soll
daher von der preußischen Staatsregierung erneut
eingebracht werden.

In diesem neuen Gesetzentwurf wird zum ersten-
mal der Gedanke des Flächenaufteilungsplanes be-
rücksichtigt. Er bezweckt, die städtebauliche Ent-
wicklung der Gemeinde vorausschauend zu ordnen
und eine diese Entwicklung störende Nutzung und
Bebauung zu verhindern. Bei der Gestaltung des
Flächenaufteilungsplanes sind das Wohnbedürfnis,
die Bedürfnisse der Industrie, des Bergbaus, des
Verkehrs, der Landwirtschaft, der Landeskultur, der
öffentlichen Gesundheitspflege, der Natur-, Denk-
mal- und Heimatpflege zu beachten.

Ein solcher Gesetzesinhalt geht über den Rahmen
des Städtebaus, sofern man unter Städtebau
„Städte bauen" versteht, weit hinaus und ist von
eminent staatspolitischer Bedeutung. Darum liegen
die Schwierigkeiten weniger im Gesetz als in seiner
Anwendung und Auswirkung auf die städtebauliche

Realität. Die wirksame Durchführung setzt eine
Staatshoheit voraus, die die heutigen Rechte der
Kommunen, wenn eine umfassende Planung dies ver-
langte, sehr beschränken würde. Eine Tatsache, die
ja auch bereits den allseitigen Widerspruch der
Selbstverwaltungskörper hervorgerufen hat. Der
Gesetzentwurf scheut daher auch vor letzten Kon-
sequenzen zurück und begnügt sich im wesentlichen
mit der Aufstellung regulativer Pläne und der Schaf-
fung einer gesetzlichen Handhabe zur Durchführung
sozialpolitischer Forderungen. Er beschränkt sich
auf eine Sanierung bestehender Zustände, ohne zu
einer produktiven Auswertung aller der Elemente,
die die soziale und wirtschaftliche Entwicklung
eines Staates bestimmen, zu kommen. Er will zwar
umfassender planen wie bisher, aber in Hinblick auf
die Zukunftsentwicklung nicht umfassend genug. Er
verzichtet daher darauf, vorausschauend die Ge-
samtentwicklung zu regeln, im Sinne der Landes-
planung, die der eigentliche Anlaß des Gesetzent-
wurfes ist, deren Gesichtspunkte aber nicht voll zur
Auswirkung kommen.

Ermangelt schon dem Gesetzentwurf der Preußi-
schen Regierung der weitschauende Blick für den
Zusammenhang mit dem Ganzen, so sucht der Ent-
wurf des Städtetages durch Betonung der Reservat-
rechte die bestehende staatliche Atomisierung zu
verewigen. Denn die, wenn auch nur geringen Ein-
griffe in die Selbstverwaltung der Städte haben zu
einer einmütigen Ablehnung dieses Gesetzentwurfes
durch den Städtetag geführt, der erklärte, den
alten unvollkommenen Zustand einem Gesetz vorzu-
ziehen, das in zahlreichen Fällen die Kneblung der
Selbstverwaltung auf einem der wichtigsten Arbeits-
gebiete mit sich bringt. Der Vorstand des Städte-
tages hat daher einen Vorschlag für ein preußisches
Städtebaugesetz ausgearbeitet, der in Verkennung
des eigentlichen Problems die Initiative der kommu-
nalen Selbstverwaltung der Städte vor allem ge-
wahrt und bei zwischengemeindlichen Flächenauftei-
lungsplänen statt der im Gesetz vorgesehenen Be-
schlußbehörde die Regelung einer freiwilligen Ge-
meinschaftsarbeit der Kommunen überlassen haben
will. Elkart, einer der Gegner des Gesetzentwurfes,
ist der Meinung („Städtetag", Nr. 10, Oktober 1928),
daß ein Plan weder festgelegt noch öffentlich be-
kanntgemacht werden kann zu einer Zeit, die der
betreffenden Stadt noch nicht reif erscheint. Hier-
über könne auch nicht eine außenstehende Behörde
beschließen, denn dabei handele es sich nicht um
eine Verwaltungssache, sondern um eine schöpferi-
sche Maßnahme, die für das Leben und die Entwick-
lung der betreffenden Stadt von weittragender Be-
deutung ist und über die sie das Bestimmungsrecht
in der Hand behalten muß. „Was würde man dazu
sagen, wenn ein Gesetz versuchen wollte, die Ent-
wicklung eines industriellen oder sonstigen Groß-
betriebes einer Beschlußbehörde zu unterwerfen
oder durch sie vorschreiben zu lassen?" —Was bis-
her bei industriellen und Großbetrieben das Gesetz
noch nicht getan hat, hat die Privatwirtschaft längst

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