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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Fuchs, Siegfried: Zur Lage der Handbuchbinderei innerhalb der Buchproduktion der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0674

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ZUR LAGE DER HANDBUCHBINDEREI INNERHALB DER
BUCHPRODUKTION DER GEGENWART

Die handwerksmäßige Buchbinderei steckt
gegenwärtig mitten in einer Krise, von der sehr
schwer vorauszubestimmen ist, ob sie sich
schließlich in einer die Daseinsberechtigung der
handwerklichen Betriebe bejahenden oder ver-
neinenden Richtung auflösen wird. Mit unbeding-
ter Sicherheit kann nur gesagt werden, daß die-
jenigen Kleinbetriebe, die heute noch einen er-
bitterten, aber völlig aussichtslosen Kampf gegen
die Maschine auf dem Wege einer fortwährenden
Verringerung der Güte ihrer Erzeugnisse zu
führen suchen, in diesem Kampf unterliegen
werden oder vielmehr bereits unterlegen sind.
Um sich darüber klar zu sein, braucht man sich
nur anzusehen, welche Art Arbeit der Durch-
schnittsbuchbinder schon seit Jahren zu leisten
gezwungen ist: in der Mehrzahl aller Fälle ist
er degradiert zum Ansichtskartenhändler und
Gebetbuchreparateur. Wenn es hoch kommt,
hat er gelegentlich noch für Behörden eine
Sammlung von Gesetzblättern oder gar einen
Bibliotheksband zu binden, beides Arbeiten, die
so jämmerlich bezahlt werden, daß es schlech-
terdings unmöglich ist, für den ausgesetzten
Betrag eine anständige Arbeit zu leisten, so daß
bisher eine sich immer stärker bemerkbar

Drei einfach gearbeitete Handeinbände

Halbpergamentband mit Papierbezug, Pappband mit Perga-
mentkapitalen und -ecken, Ganzleinenband mit Goldtitel.
Entwurf und Ausführung Siegfried Fuchs

Handeinband

Kalbspergament, Bünde im Falz durchgeflochten. Titeldruck
in Handvergoldung. Entwurf und Ausführung Siegfried Fuchs

machende Qualitätsminderung die unausbleib-
liche Folge war. Dieser Prozeß ist bereits so-
weit fortgeschritten, daß der gewöhnliche Buch-
binder vielfach eine methodisch-technisch und
geschmacklich einwandfreie Arbeit nicht mehr zu
leisten fähig ist und sich ein sonderbarer Unfug
vollziehen konnte: der sogenannte „Kunstbuch-
binder" erschien auf der Bildfläche, um alle bes-
seren Arbeiten für sich zu beanspruchen. Dieser
lehnte nun, seine eigentlichen Aufgaben durch-
weg verkennend, lange Zeit ab, sich mit der For-
mung einfacher Dinge zu befassen und stellte
sich lediglich nach bibliophilen Bedürfnissen ein,
mit dem Erfolge, daß durch die in der Nach-
kriegszeit eingetretene wirtschaftliche Notlage
die Absatzmöglichkeit für seine luxuriösen Er-
zeugnisse immer geringer wurde und schließlich
fast ganz verschwand.

Geht man den Ursachen dieser Krise weiter
nach, so trifft man auf eine Vielheit von Um-
ständen, die der geschilderten Entwicklung zu-
grunde liegen. Zunächst stellt natürlich die Kon-
kurrenz der Maschine den stärksten, aber immer-
hin nicht ausschlaggebenden Faktor dar, da man

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