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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Karlinger, Hans: Ein Siedlungsprojekt für Aachen-Forst
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0462

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EIN SIEDLUNGSPROJEKT FÜR AACHEN-FORST

Bauen als Ausdruck formgestaltender Kraft steht
jenseits des bloß Zwecklichen. Es hat die Bindun-
gen des Zwecklichen in sich — nicht aber, es reicht
eben noch an das Zweckliche heran oder es erfüllt
das Zweckliche nebenher. Zeitausdruck ... wenn
man schon davon sprechen will, dann ist es viel-
leicht allgemein dieses, daß der Raumgestalter die
soziologischen Kräfte seiner Umgebung fühlsamer
aufnimmt, auf sie empfindlicher reagiert als der in
der gegebenen Wahrnehmbarkeit der Formen stär-
ker verwurzelte Maler oder Bildner, und daß ihm
darum die Spanne zwischen den Formen allgemei-
neres Geschehen aufzeigt, daß er leichter das All-
zumenschliche der Individualismen aufgibt, und daß
eben dadurch sein Tun formgestaltend wird. Die
vielen ,,Auch-Architekten", die nicht von der male-
rischen Verbindlichkeit herkömmlicher oder abge-
leiteter Form sich trennen können, sind sich zumeist
dessen nicht bewußt, daß zwischen Reproduktion
und Produktion unübersteigbare Schranken liegen.

Es wird hier ein Siedelungsentwurf gezeigt, der
— monatelang vor dem Hamburger Siedelungswett-
bewerb der Reichs-Forschungsgesellschaft entstan-
den — als ein solcher klarer Zeitausdruck einer be-

stimmten Denkkette bezeichnet sein möge. Denn
es dürfte mehr als ein belangloser Zufall sein, wenn
Ideen eindeutig bestimmter, einfach überschaubarer,
auf alle belanglosen Reizungen „malerischer" Pro-
spekte verzichtender Ordnung in dem Aachener Pro-
jekt R. v. Schöfers ähnlich zielbewußt geformt
werden wie in den preisgekrönten Siedelungsplä-
nen des Hamburger Wettbewerbs*), d. h., als Phä-
nomen betrachtet: der Gedanke der Typisierung
schreitet vorwärts, und daran wird alle sentimen-
tale Klage über „Reißbrettarchitekten" nichts
ändern, — wobei durchaus einmal die Frage einer
ernstlichen Erwägung bedürftig wäre, ob wir dieses
einer Malergeneration entstammende Schlagwort
heute als Werturteil überhaupt noch wahr nehmen
müssen. Dem Wesen nach ist echtes Bauen immer
ein Ordnen der Dinge, und nicht der sieht die tiefste
Ordnung, der dem stets beharrenden Leerlauf —
mag man ihn „Bodenständigkeit", „Anpassung1' oder
sonstwie mit einem Kompromißwort aus dem Bereich
der großen Rückversicherung, die man gemeinhin als
Städtebau ausgibt, bezeichnen — am „stimmungs-

*) Zu vergl. die Zusammenstellung im „Städtebau", 1929, IV. Heft,
5. 89 ff.

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