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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Lotz, Wilhelm: 1932
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Dreyfuss, Heinrich: Traditionalismus im Brückenbau?: Der Kampf um die Gestaltung der neuen Rheinbrücke Mannheim-Ludwigshafen
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0517

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kaüschen und astronomischen Theorien und den Bil-
dern modernster Maler bestehen, dürfte bekannt
sein. Es soll nicht heißen, daß man mit allen Kräften
aus dieser Ausstellung eine Kunstausstellung
machen soll. Es soll aber heißen, daß das gefühls-
mäßige Erfassen einer neuen Zeit stark gewertet
und herausgestellt werden muß. Es gehört ja auch
zur neuen Zeit, daß das intuitive Erschauen gegen-
über dem wissenschaftlich und erkenntnismäßig Ge-
fundenen wieder höher gewertet wird.

Eine Gefahr taucht allerdings bei dieser Einstel-
lung leicht auf, nämlich, daß man aus modernen For-
men, die aus dem Leben und aus der Technik kom-
men, ein ästhetisches Erlebnis oder gar eine ästheti-
sche Dekoration macht. Wie dieser Gefahr zu be-
gegnen ist, kann nicht gesagt werden, außer, daß
alles darauf ankommt, daß die richtigen Kräfte bei
der Schaffung dieser Ausstellung an die richtigen
Aufgaben kommen und alle formalistischen Mitläufer
ausgeschaltet werden. Lötz

TRADITIONALISMUS IM BRÜCKENBAU?

Der Kampf um die Gestaltung der neuen Rheinbrücke Mannheim - Ludwigshafen

Die Aufgabe für den von der Reichsbahnverwal-
tung ausgeschriebenen Ideen-Wettbewerb zur Er-
langung von Plänen für den Bau der neuen Rhein-
brücke Mannheim-Ludwigshafen lautete:

Oberhalb der jetzigen Eisenbahnbrücke ist in
15 Meter Achsenentfernung eine neue Eisenbahn-
brücke zu projektieren, während die jetzige dem
Fuhrwerksverkehr übergeben werden soll. Die alten
Pfeiler sind fortzusetzen. Eventualvorschläge für
eine Uberspannung des Stromes mit einer einzigen
Öffnung können gemacht werden.

Die am 7. Dezember 1928 gefällte Entscheidung
fiel zugunsten eines dieser Formulierung ent-
sprechenden Kompromisses aus, das von Zivilinge-
nieur Kilgus-Breslau stammt und eine Pfeilerbrücke
mit Fachwerkbalkenträgern und versteiften Stab-
bögen vorschlägt. Die vermeintlich notwendige An-
passung an die Form der bestehenden Brücke be-
dingt das ästhetisch unbefriedigende Rautenfach-
werk und die Pfeiler; letztere allerdings können
plangemäß später einmal in Wegfall kommen, wenn
die heute bestehende Brücke ebenfalls durch eine
neue ersetzt werden wird.

Nun schwanken die Berechnungen für die Lebens-
dauer der bestehenden Brücke zwischen fünfzehn
und dreißig Jahren. Wird man nicht, wenn es so weit
Ist, die dann zu bauende Brücke wiederum der heute
gebauten „anpassen" wollen? Und wiederum ver-

suchen, Technik und Heimatschutz zugleich zufrie-
den zu stellen?

Außer den Pfeilern macht vor allem das Gitter-
werk der alten Brücke, auf das Rücksichtnahme ge-
fordert wird, jede klare Lösung unmöglich. Die alten
Gitterträger bilden ein unklares System, das sich
an manchen Stellen, namentlich bei Schräg-Ansich-
ten, zu einem vollständigen Netzwerk verdichtet.
Es fehlt der alten, in den sechziger Jahren des vori-
gen Jahrhunderts als eine der ersten eisernen
Rheinbrücken entstandenen Brücke die klare Linien-
führung, ohne die kein befriedigender Eindruck der
neuen Brücke zu denken ist! Die Richtung der
Streben im alten Brückensystem stellt ein Wirrwarr
dar, an das man durch Rauten- oder gekreuztes
Fachwerk bei der neuen Brücke Anschluß finden
will, anstatt sich für einfaches Fachwerk mit senk-
rechten Stäben zu entscheiden. Auch die statischen
Gesichtspunkte würden bei Wahl des klaren Fach-
werkes die beste Berücksichtigung erfahren.

Man hat leider vor Ausschreiben des Wettbe-
werbs verabsäumt, sich mit den ortskundigen und
fortschrittlich gesonnenen Architekten, mit den inter-
essierten Wirtschaftskreisen und mit den beteiligten
Städten in Verbindung zu setzen. Angesichts des
vorhandenen Planmaterials hat sich nun in allen an
diesen Fragen lebhaft teilhabenden Kreisen die
Meinung kräftigen Ausdruck verschafft, daß die neue

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