deshalb mit der Leistung nachlassen, so droht eben
nicht nur eine Krise eines Einzelkaufmanns, sondern
eine Krise der ganzen Siedlung.
Meinem Vergleich mit einer Insel stellt Hilbers-
eimer den Vergleich mit einer Zelle gegenüber und
wirft mir „dogmatische Gesichtspunkte" vor. Abge-
sehen von meiner grundsätzlichen Uberzeugung, daß
man die Wirklichkeit nur mit Hilfe einer Theorie ver-
stehen, die Theorie ihrerseits aber nur an Hand ge-
samtgesellschaftlicher Veränderungen weiter ent-
wickeln kann: das Bild der Zelle scheint mir auf
das Projekt der Genossenschaftstadt nun schon
gar nicht zuzutreffen. Denn sie erwächst nicht or-
ganisch aus den Triebkräften einer werdenden
neuen Gesellschaft, sondern sie ist ausgedacht von
einigen klugen Köpfen, die in einem gesellschafts-
chemischen Experiment zwei Elemente einer künfti-
gen Gesellschaft zu einer Verbindung zwingen wol-
len. Ich für meine Person glaube nicht, daß man mit
solchen Laboratoriumseinfällen Geschichte machen
oder vielmehr die Geschichtsdialektik überlisten
kann. Zwar werde ich, was die Möglichkeit dieser
einen konkreten Genossenschaftsstadt anlangt,
mich durch Tatsachen gern eines besseren belehren
lassen, doch wird auch dann noch die Frage offen
sein, ob das neue Gebilde ein wachstumsfähiger
Gewebekern eines neuen Körpers oder ein isoliertes
Kuriosum ist.
RUNDSCHAU IN DER BAUWIRTSCHAFT
Stahlskelettbau.
Die Propaganda der Stahlindustrie für die Ver-
wendung ihres Erzeugnisses als Baustoff konzen-
trierte sich noch bis vor kurzem auf Bleche als
Wandmaterial. Die aus Amerika gekommene Ver-
wendung von Stahlrippen als tragendem Gerüst —
wobei die Frage des Materials für die Außenhaut
zunächst offenbleibt — wurde in Deutschland zwar
auch aufgenommen, aber zunächst von der Industrie
weniger gefördert als von einzelnen Architekten.
Neuerdings scheint hier eine Wendung eingetreten
zu sein, denn der Leiter der Beratungsstelle für
Stahlverwendung in Düsseldorf, von Halem,
sprach vor kurzem in Berlin speziell über die Vor-
teile des Stahlgerippebaues. Als solche hob er be-
sonders hervor, daß die Bauzeit sich verkürzt, daß
mit bedeutend leichterem Material sich statisch der
gleiche Effekt erzielen läßt, und daß sich auf diese
Weise die Kosten senken lassen. Besondere Eig-
nung sprach er dem Skelettbau für Großbauten von
mindestens vier bis fünf Geschossen zu; erst bei
dieser Höhe kämen die wirtschaftlichen Vorteile
richtig zur Geltung.
Hier liegen aber zugleich auch die Schwierig-
keiten, die sich der breiteren Verwendung dieser
Bauweise im deutschen Wohnungsbau in den Weg
stellen. Da der Vortragende selbst auf die Möglich-
keit hinwies, daß in den zur Zeit zur Beratung
stehenden Reichsrichtlinien weitgehende Beschrän-
kungen in der Geschoßzahl in Wohnvierteln festge-
legt werden, darf man wohl vermuten, daß die Akti-
vität der Stahlindustrie gegenwärtig gerade durch
Besorgnisse in dieser Richtung veranlaßt ist. Nun
läßt sich sicher über die wünschenswerte Geschoß-
zahl für Wohnbauten diskutieren, und man muß wohl
zugeben, daß Verbilligungsmöglichkeiten bei Zulas-
sung höherer Bauweise berücksichtigt werden müs-
sen. Nur läßt sich diese Frage nicht trennen von
dem ganzen Komplex städtebaulicher Fragen; denn
es ließe sich heute nicht mehr verantworten, Bau-
blocks nach altem Muster mit äußerster Raumaus-
nutzung, ohne genügende Belichtung und Lüftung
zu schaffen. Will man an Stelle des niedrigen Ein-
oder Zweifamilienhauses, das seine großen Nach-
teile hat, wieder das große Mietshaus mit vier bis
fünf oder mehr Stockwerken in Betracht ziehen,
so kann und darf das nur geschehen unter Verwen-
dung neuer Siedlungspläne, am besten vermutlich
doch in reinem Zeilenbau mit nord-südlicher Anlage.
Dazu aber ist noch mehr als für alle anderen Bau-
formen eine planmäßige Bodenpolitik der Städte
nötig und eine starke Tätigkeit der öffentlichen
Hand im Wohnungsbau. Wenn es dem Stahlwerks-
verband ernst ist mit seinen Absichten, eine Ver-
billigung des Wohnungsbaues zu erzielen, so wird
er in den Kreisen, die ihm nahestehen, erst einmal
Verständnis für diese elementaren Zusammenhänge
schaffen müssen.
Rückschlag am Baumarkt.
Nach lebhaftem Anfang im Frühjahr hat die Bau-
tätigkeit dieses Sommers rasch einen Rückschlag
erfahren. Aus allen Teilen des Reichs kommen Kla-
gen darüber, daß mit begonnenen Bauten nicht fort-
gefahren werden, mit der praktischen Ausführung
genehmigter Bauvorhaben wegen Geldmangels nicht
begonnen werden kann. Zwar sind die Beschäfti-
gungsziffern nicht im ganzen, sondern nur in man-
chen Gegenden gesunken, in einzelnen Landesteilen,
besonders den östlichen, die zuletzt Frühjahrswitte-
rung bekamen, haben sie sich noch etwas erhöht,
aber die Zunahme der Bautätigkeit, die eigentlich
saisongemäß zu erwarten wäre und die nach der be-
sonders langen Winterruhe nötig wäre, um das ver-
lorene einzuholen, ist jedenfalls nicht zu verzeichnen.
Die ganze Hauszinssteuer!
Der Wohnungsausschuß des Reichstags hat den
Entwurf der Reichsrichtlinien für das Wohnungs-
wesen in einer ersten Beratung durchgearbeitet.
Wenn es dabei naturgemäß auch nicht ohne Kom-
promisse abging, so ist doch in einem Punkt eine
erfreuliche Einigkeit festzustellen: Dem Plenum soll
erneut vorgeschlagen werden, das gesamte Auf-
kommen aus der Mietzinssteuer für den Wohnungs-
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nicht nur eine Krise eines Einzelkaufmanns, sondern
eine Krise der ganzen Siedlung.
Meinem Vergleich mit einer Insel stellt Hilbers-
eimer den Vergleich mit einer Zelle gegenüber und
wirft mir „dogmatische Gesichtspunkte" vor. Abge-
sehen von meiner grundsätzlichen Uberzeugung, daß
man die Wirklichkeit nur mit Hilfe einer Theorie ver-
stehen, die Theorie ihrerseits aber nur an Hand ge-
samtgesellschaftlicher Veränderungen weiter ent-
wickeln kann: das Bild der Zelle scheint mir auf
das Projekt der Genossenschaftstadt nun schon
gar nicht zuzutreffen. Denn sie erwächst nicht or-
ganisch aus den Triebkräften einer werdenden
neuen Gesellschaft, sondern sie ist ausgedacht von
einigen klugen Köpfen, die in einem gesellschafts-
chemischen Experiment zwei Elemente einer künfti-
gen Gesellschaft zu einer Verbindung zwingen wol-
len. Ich für meine Person glaube nicht, daß man mit
solchen Laboratoriumseinfällen Geschichte machen
oder vielmehr die Geschichtsdialektik überlisten
kann. Zwar werde ich, was die Möglichkeit dieser
einen konkreten Genossenschaftsstadt anlangt,
mich durch Tatsachen gern eines besseren belehren
lassen, doch wird auch dann noch die Frage offen
sein, ob das neue Gebilde ein wachstumsfähiger
Gewebekern eines neuen Körpers oder ein isoliertes
Kuriosum ist.
RUNDSCHAU IN DER BAUWIRTSCHAFT
Stahlskelettbau.
Die Propaganda der Stahlindustrie für die Ver-
wendung ihres Erzeugnisses als Baustoff konzen-
trierte sich noch bis vor kurzem auf Bleche als
Wandmaterial. Die aus Amerika gekommene Ver-
wendung von Stahlrippen als tragendem Gerüst —
wobei die Frage des Materials für die Außenhaut
zunächst offenbleibt — wurde in Deutschland zwar
auch aufgenommen, aber zunächst von der Industrie
weniger gefördert als von einzelnen Architekten.
Neuerdings scheint hier eine Wendung eingetreten
zu sein, denn der Leiter der Beratungsstelle für
Stahlverwendung in Düsseldorf, von Halem,
sprach vor kurzem in Berlin speziell über die Vor-
teile des Stahlgerippebaues. Als solche hob er be-
sonders hervor, daß die Bauzeit sich verkürzt, daß
mit bedeutend leichterem Material sich statisch der
gleiche Effekt erzielen läßt, und daß sich auf diese
Weise die Kosten senken lassen. Besondere Eig-
nung sprach er dem Skelettbau für Großbauten von
mindestens vier bis fünf Geschossen zu; erst bei
dieser Höhe kämen die wirtschaftlichen Vorteile
richtig zur Geltung.
Hier liegen aber zugleich auch die Schwierig-
keiten, die sich der breiteren Verwendung dieser
Bauweise im deutschen Wohnungsbau in den Weg
stellen. Da der Vortragende selbst auf die Möglich-
keit hinwies, daß in den zur Zeit zur Beratung
stehenden Reichsrichtlinien weitgehende Beschrän-
kungen in der Geschoßzahl in Wohnvierteln festge-
legt werden, darf man wohl vermuten, daß die Akti-
vität der Stahlindustrie gegenwärtig gerade durch
Besorgnisse in dieser Richtung veranlaßt ist. Nun
läßt sich sicher über die wünschenswerte Geschoß-
zahl für Wohnbauten diskutieren, und man muß wohl
zugeben, daß Verbilligungsmöglichkeiten bei Zulas-
sung höherer Bauweise berücksichtigt werden müs-
sen. Nur läßt sich diese Frage nicht trennen von
dem ganzen Komplex städtebaulicher Fragen; denn
es ließe sich heute nicht mehr verantworten, Bau-
blocks nach altem Muster mit äußerster Raumaus-
nutzung, ohne genügende Belichtung und Lüftung
zu schaffen. Will man an Stelle des niedrigen Ein-
oder Zweifamilienhauses, das seine großen Nach-
teile hat, wieder das große Mietshaus mit vier bis
fünf oder mehr Stockwerken in Betracht ziehen,
so kann und darf das nur geschehen unter Verwen-
dung neuer Siedlungspläne, am besten vermutlich
doch in reinem Zeilenbau mit nord-südlicher Anlage.
Dazu aber ist noch mehr als für alle anderen Bau-
formen eine planmäßige Bodenpolitik der Städte
nötig und eine starke Tätigkeit der öffentlichen
Hand im Wohnungsbau. Wenn es dem Stahlwerks-
verband ernst ist mit seinen Absichten, eine Ver-
billigung des Wohnungsbaues zu erzielen, so wird
er in den Kreisen, die ihm nahestehen, erst einmal
Verständnis für diese elementaren Zusammenhänge
schaffen müssen.
Rückschlag am Baumarkt.
Nach lebhaftem Anfang im Frühjahr hat die Bau-
tätigkeit dieses Sommers rasch einen Rückschlag
erfahren. Aus allen Teilen des Reichs kommen Kla-
gen darüber, daß mit begonnenen Bauten nicht fort-
gefahren werden, mit der praktischen Ausführung
genehmigter Bauvorhaben wegen Geldmangels nicht
begonnen werden kann. Zwar sind die Beschäfti-
gungsziffern nicht im ganzen, sondern nur in man-
chen Gegenden gesunken, in einzelnen Landesteilen,
besonders den östlichen, die zuletzt Frühjahrswitte-
rung bekamen, haben sie sich noch etwas erhöht,
aber die Zunahme der Bautätigkeit, die eigentlich
saisongemäß zu erwarten wäre und die nach der be-
sonders langen Winterruhe nötig wäre, um das ver-
lorene einzuholen, ist jedenfalls nicht zu verzeichnen.
Die ganze Hauszinssteuer!
Der Wohnungsausschuß des Reichstags hat den
Entwurf der Reichsrichtlinien für das Wohnungs-
wesen in einer ersten Beratung durchgearbeitet.
Wenn es dabei naturgemäß auch nicht ohne Kom-
promisse abging, so ist doch in einem Punkt eine
erfreuliche Einigkeit festzustellen: Dem Plenum soll
erneut vorgeschlagen werden, das gesamte Auf-
kommen aus der Mietzinssteuer für den Wohnungs-
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