Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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Hilberseimer, Ludwig: Zur Neuvorlage des Entwurfs zum Städtebaugesetz
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von sich aus durchgeführt durch Bildung von Kartel-
len, Trusts und Absatzkontingentierung. Dadurch
wurde in die Existenz der Einzelbetriebe entschei-
dend eingegriffen, sei es, daß sie überhaupt still-
gelegt wurden, sei es, daß man ihre Produktion und
ihren Absatz ziffernmäßig festlegte. Die freie Wirt-
schaft ist längst auf dem Wege zur Planwirtschaft,
ohne die man in Zukunft nicht mehr auskommt, wenn
man auch heute noch vielfach nur ihre Vorteile über-
nehmen, aber nicht die sich daraus ergebenden Ver-
pflichtungen tragen will. Faßt man die Planwirt-
schaft in ihrem eigentlichen Sinne als eine das
Staatsganze angehende schöpferische Maßnahme
auf, so kann es sehr wohl möglich sein, daß die Be-
schlußbehörde auch in die Entwicklung eines indu-
striellen oder sonstigen Großbetriebes eingreifen
muß. So erörtert man z. B. in England Pläne einer
industriellen Umsiedlung, um den gesamten Kohlen-
transport für die Industrie überflüssig zu machen.
Gerade die schöpferische Arbeit verlangt, daß
solche Eingriffe im Interesse des Staatsganzen
unter Umständen möglich sind.
Es ist übrigens sehr charakteristisch für die Art
dieser Betrachtung, die Stadt mit einem Unter-
nehmen zu vergleichen. Eine Stadt ist kein auf Ge-
winn gestelltes Unternehmen, womit nicht etwa ge-
sagt werden soll, daß sie es sich leisten kann, bei
städtischen Betrieben Sparsamkeit und Rentabilität
außer acht zu lassen. Nur ist die Rentabilität nicht
das entscheidende. Wenn beispielsweise die Stra-
ßenbahn als Unternehmen rentabel ist, dafür aber
die ganze Verkehrsabwicklung stark behindert, ist
die gute Verkehrsabwicklung der höhere Gesichts-
punkt, dem das rentable Unternehmen geopfert wer-
den muß. Eine Stadt hat andere Ausgleichsmöglich-
keiten wie der Privatunternehmer und nichts ist ge-
fährlicher, als die Pflichten und Aufgaben von städ-
tischen Verwaltungen vom Standpunkt des Privat-
unternehmertums zu beurteilen.
Zieht man die Gesamtentwicklung des Staats-
wesens in Betracht, den wirtschaftlichen und kul-
turellen Arbeitsprozeß, so sind sowohl der Gesetz-
entwurf der Preußischen Regierung wie erst recht
der Vorschlag des Städtetages für ein preußisches
Städtebaugesetz unzureichend. Es müßte ein Gene-
ralsiedlungsplan als Leistungsplan für das ganze
Staatsgebiet aufgestellt werden, der das System
von Industrieanlagen, Großkraftwerken und Trans-
portanlagen enthält, das als ein Teil des zukünftigen
Gerüsts einer europäischen Wirtschaft anzusehen
wäre. Die Aufstellung eines solches Planes kann
nicht Sache einzelner Gemeinwesen mit ihren Son-
derinteressen sein, sondern er kann nur zustande
kommen durch die Zusammenarbeit von Staatsmän-
nern, Wirtschaftspolitikern und Sachverständigen
aus Industrie. Handel und Verkehrswesen, wobei
selbstverständlich die Städte entsprechend ihrer
Bedeutung für das heutige Wirtschaftsleben gehört
werden müssen und mitzuwirken haben.
Ludwig Hilberseimer
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len, Trusts und Absatzkontingentierung. Dadurch
wurde in die Existenz der Einzelbetriebe entschei-
dend eingegriffen, sei es, daß sie überhaupt still-
gelegt wurden, sei es, daß man ihre Produktion und
ihren Absatz ziffernmäßig festlegte. Die freie Wirt-
schaft ist längst auf dem Wege zur Planwirtschaft,
ohne die man in Zukunft nicht mehr auskommt, wenn
man auch heute noch vielfach nur ihre Vorteile über-
nehmen, aber nicht die sich daraus ergebenden Ver-
pflichtungen tragen will. Faßt man die Planwirt-
schaft in ihrem eigentlichen Sinne als eine das
Staatsganze angehende schöpferische Maßnahme
auf, so kann es sehr wohl möglich sein, daß die Be-
schlußbehörde auch in die Entwicklung eines indu-
striellen oder sonstigen Großbetriebes eingreifen
muß. So erörtert man z. B. in England Pläne einer
industriellen Umsiedlung, um den gesamten Kohlen-
transport für die Industrie überflüssig zu machen.
Gerade die schöpferische Arbeit verlangt, daß
solche Eingriffe im Interesse des Staatsganzen
unter Umständen möglich sind.
Es ist übrigens sehr charakteristisch für die Art
dieser Betrachtung, die Stadt mit einem Unter-
nehmen zu vergleichen. Eine Stadt ist kein auf Ge-
winn gestelltes Unternehmen, womit nicht etwa ge-
sagt werden soll, daß sie es sich leisten kann, bei
städtischen Betrieben Sparsamkeit und Rentabilität
außer acht zu lassen. Nur ist die Rentabilität nicht
das entscheidende. Wenn beispielsweise die Stra-
ßenbahn als Unternehmen rentabel ist, dafür aber
die ganze Verkehrsabwicklung stark behindert, ist
die gute Verkehrsabwicklung der höhere Gesichts-
punkt, dem das rentable Unternehmen geopfert wer-
den muß. Eine Stadt hat andere Ausgleichsmöglich-
keiten wie der Privatunternehmer und nichts ist ge-
fährlicher, als die Pflichten und Aufgaben von städ-
tischen Verwaltungen vom Standpunkt des Privat-
unternehmertums zu beurteilen.
Zieht man die Gesamtentwicklung des Staats-
wesens in Betracht, den wirtschaftlichen und kul-
turellen Arbeitsprozeß, so sind sowohl der Gesetz-
entwurf der Preußischen Regierung wie erst recht
der Vorschlag des Städtetages für ein preußisches
Städtebaugesetz unzureichend. Es müßte ein Gene-
ralsiedlungsplan als Leistungsplan für das ganze
Staatsgebiet aufgestellt werden, der das System
von Industrieanlagen, Großkraftwerken und Trans-
portanlagen enthält, das als ein Teil des zukünftigen
Gerüsts einer europäischen Wirtschaft anzusehen
wäre. Die Aufstellung eines solches Planes kann
nicht Sache einzelner Gemeinwesen mit ihren Son-
derinteressen sein, sondern er kann nur zustande
kommen durch die Zusammenarbeit von Staatsmän-
nern, Wirtschaftspolitikern und Sachverständigen
aus Industrie. Handel und Verkehrswesen, wobei
selbstverständlich die Städte entsprechend ihrer
Bedeutung für das heutige Wirtschaftsleben gehört
werden müssen und mitzuwirken haben.
Ludwig Hilberseimer
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