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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Rundschau in der Baupolitik
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0427

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der in der City weitaus gefährlicher ist als auf Neu-
land, weil hier die Bodenpreise das Zwei- bis Vier-
fache der Neubauwerte umfassen.

4. Der Citybau ist ein Individualbau allerersten
Ranges, der sich der generellen Regelung um so
mehr entzieht, als er die größten Unterschiede in
den Verkehrs-, Lage- und Betriebswerten der Grund-
stücke zu berücksichtigen hat und große Unter-
schiede in der Rente und in der Finanzierung auf-
weist.

5. Die evolutionäre Wirkung, die die Entwicklung
des Verkehrs auf die Neugestaltung der City aus-
übt, ist heute noch so unabsehbar, daß es noch nicht
geboten erscheint, das Bauherrentum wie die Stadt-
verwaltung in ihren Maßnahmen durch Paragraphen
festzubinden.

6. Wohl aber hat der behördliche Verwaltungs-
apparat sich in einer Zeit aufstrebender Entwick-
lungen auf eine schnelle, unbürokratische und indi-
viduellere Behandlung der Bauprojekte und des Bau-
herrentums einzustellen.

Wie die Leitsätze zeigen, ist die Einstellung
Dr. Wagners eine sehr passive und will an den be-
stehenden Zuständen nicht viel geändert haben.
Sehr im Gegensatz dazu steht die Aktivität
Dr. Scheuermanns. Er fordert:

1. Wir brauchen die öffentliche Anlegung eines
Generalbebauungsplanes für Berlin. Die Bekämp-
fung einer ungesunden Spekulation erfolgt dabei
durch ein entsprechendes Zonengesetz.

2. Wir brauchen feste Richtlinien für die Errich-
tung von Hochhäusern in Form einer Ergänzungsvor-
schrift zur Bauordnung.

3. Wir brauchen die alsbaldige Festlegung von
Geschäfts- und Wohnvierteln.

4. Wir brauchen an Stelle der willkürlichen „Kann"-
vorschriften zwingende Vorschriften, die es den zu-
ständigen Behörden und Beamten unmöglich
machen, nach Willkür Aufstockungen oder andere
wichtige bauliche Änderungen zu gestatten oder zu
verbieten und finanzielle Vorteile für die Stadt von
der Gewährung solcher Erlaubnisse herauszuschla-
gen und die dem Bauherrn Recht und Möglichkeit
gibt, ohne Verzug einen einmal ins Auge gefaßten
Um- oder Neubau durchzuführen.

5. Wir brauchen auf dem Gebiete der Verwaltung
eine von staatlicher Bevormundung befreite städti-
sche Selbstverwaltung, beraten oder beaufsichtigt
durch ein sachlich hervorragend zusammengesetz-
tes Gremium unter Ablehnung autokratischer Ein-
griffe der Staatsverwaltung.

So richtig die Aktivität Dr. Scheuermanns ist, ist
sie doch nur so lange unbedenklich, als sie nicht auf
Gebiete übergreift, die nicht ausschließlich den
Interessen der freien Wirtschaft überlassen werden
dürfen. Sicherlich ist die bürokratische Handhabung
durch staatliche und städtische Behörden für die
Entwicklung oft sehr hindernd; trotzdem darf aber
nicht vergessen werden, daß das Gesamtinteresse
die Ausschaltung behördlicher Mitarbeit verbietet.
Die Hochhausfrage und damit das City-Problem
kann nur in gemeinsamer Arbeit aller daran beteilig-
ten Kreise gelöst werden.

Richtlinien des BDA.

Der Wohnungsbauausschuß des Landesbezirks
Brandenburg des Bundes Deutscher Architekten,

der der Wohnungsfürsorge-Gesellschaft beratend
beigegeben ist, hat festgestellt, daß die meisten für
Wohnungsbauten eingereichten Projekte, darunter
auch solche von Mitgliedern des BDA, nicht die
Mindestforderungen erfüllen, die an die Arbeit des
Architekten zu stellen sind. Daher wurden Richt-
linien aufgestellt, die nach Zustimmung des Vor-
standes von der Mitgliederversammlung genehmigt
wurden. Sie sollen das verpflichtende Mindestmaß
der Arbeit eines BDA-Architekten darstellen. Der
Wohnungsbauausschuß hofft damit auch der Woh-
nungsfürsorge-Gesellschaft ein Beispiel für die bes-
sere Bearbeitung von Entwürfen für Wohnungsbau-
ten zu geben.

Der Inhalt dieser Richtlinien ist so selbstver-
ständlich, daß man sich über die Notwendigkeit, sie
aufstellen zu müssen, wundert. Betrachtet man aber
viele ausgeführte Wohnungsbauten, muß man leider
feststellen, daß die Richtlinien doch nicht überflüs-
sig sind. Obwohl man zweifeln muß, ob durch solche
Richtlinien aus schlechten Architekten plötzlich gute
werden.

So soll der Lageplan Auskunft über die Him-
melsrichtung geben. Die Wohnungen sollen nach
der Sonne orientiert sein.

In die Grundrißtypen im Maßstab 1 :50 soll die
Möblierung eingetragen werden. Als Bettgröße ist
das Maß von 1,00 : 2,00 m verbindlich.

Die Fensteranordnung soll der Möblierung ent-
sprechen.

Fenster, Balkone, Loggien und dergleichen sollen
nicht mit Rücksicht auf die Fassade, sondern die
gute Bewohnbarkeit der Wohnung ausgeführt wer-
den. Die Dachform soll das Ergebnis der Wirtschaft-
lichkeit und nicht einer vorgefaßten Schönheitsidee
sein. Dies trifft besonders für weitausladende
Hauptgesimse, für Aufschieblinge, für dekorative
Dachfenster und dergleichen zu.

Die allgemeine architektonische Erscheinung soll
das Ergebnis der Durchbildung der Wohnungen
selbst und daraufhin des Baukörpers sein. Modische
Willkürlichkeiten sind ebenso verwerflich wie
Romantizismen. Denn Wohnungsbauten sind in
erster Linie Zweckbauten. Die Phantasie braucht
dadurch nicht zu kurz zu kommen. Dabei bleibt der
persönlichen Veranlagung des einzelnen Architek-
ten ein größerer Spielraum offen, als wenn er sich
von ästhetischen Zufallsformen leiten läßt. Nur auf
diese Weise kann die Zerrissenheit der architektoni-
schen Auffassungen, welche besonders in Berlin be-
klagenswert ist, überwunden werden und das neue
Berlin einen klaren Charakter erhalten.

Die bisherigen technischen und konstruktiven Miß-
stände der Wohnungsbauten haben zum Teil ihre
Grundlage darin, daß der Architekt meistens keinen
Einfluß auf die Ausführung hat. Daher muß diesem
ein weitgehenderer Einfluß auf die Bauausführung
zugesichert werden, auch im Interesse der Woh-
nungsfürsorge-Gesellschaft, deren Vertrauensleute
die Architekten sein müßten. Das Mindestmaß für
die Verantwortung des Architekten würde sich da-
nach auf das Folgende beziehen:

Kontrolle der Baubeschreibung, der Ausschrei-
bung, Vergabe, Prüfung während der Bauzeit über
die Einhaltung der Vergabebedingungen, des Mate-
rials und der Konstruktionen.

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