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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Rundschau in der Bauwirtschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0288

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in dem Rufe nach der Schaffung einer Bauwissen-
schaft. Nein, eben darum konnte es sich nicht han-
deln, alle die spezialwissenschaftlichen Studien, die
hier in den Gruppen zusammengefaßt wurden, sind
da, mehr oder weniger gut, aber meist mit deutscher
Gründlichkeit bearbeitet. Worauf es ankam, war
vielmehr, der an sich uninteressierten Forschung
einen starken volkswirtschaftlichen und sozialen
Willen aufzuzwingen, sie — entgegen aller akademi-
schen Psychologie — einem Zweck dienstbar, sie
aus einem Selbstzweck zum Mittel zu machen.

Diese straffe, bewußt einseitige Führung hat ge-
fehlt. Wäre die Tagung nun einfach ein wissen-
schaftlicher Kongreß gewesen, wie es ihrer viele
gibt, so könnte man sich mit den typischen Mängeln
einer solchen Veranstaltung abfinden. Es kam aber
ein zweites hinzu, was noch weiter von dem ur-
sprünglichen Sinn und Entstehungsgrund der Rfg.
abführt. Der Grundsatz der Zusammenarbeit mit
allen Interessentengruppen ist in der Entwicklung
der Rfg. von vornherein in einer Form angewandt
worden, die ihrer Aufgabe schließlich zum Verhäng-
nis werden mußte. Die Rfg. konnte sich darüber klar
sein, daß von ihrer Arbeit die künftige Entwicklung
großer und wichtiger wirtschaftlicher Interessen ab-
hängig werden mußte, und sie konnte gewiß die Ver-
antwortung, die damit gegeben war, nicht leicht
nehmen. Ob z. B. die Bodenvorratspolitik der Ge-
meinden begünstigt wird, ob der Stahlhausbau vor-
dringt, zu welchen Umstellungen die Ziegelindustrie
gezwungen wird, wie der Arbeitsmarkt von den ver-
hängnisvollen Saisonschwankungen des Baugewer-
bes entlastet wird, dies und noch vieles andere
mußte gewiß sorgfältig abgewogen werden, und
dazu war die Mitwirkung der wirtschaftlich interes-
sierten Kreise nicht zu entbehren.

Anstatt nun aber, wie es einer Forschungsgesell-
schaft zugekommen wäre, eine strikte Scheidung
zwischen den forschenden und den erforschten Ele-
menten, zwischen den Subjekten und den Objekten
der Arbeit durchzuführen, hat man in der bekannten
Weise „die breitesten Kreise zur Mitarbeit heran-
gezogen", d. h. man hat, wie es in Deutschland seit
dem Kriege beliebt geworden ist, den Interessenten
zum Regenten gemacht. Und da man hierbei — mit
alleiniger Ausnahme der Gewerkschaften der Bau-
arbeiter, die man in der Liste der Tagungsteilnehmer
vergebens sucht — grundsätzlich niemanden über-
gangen hat, so wurde ein Zustand herbeigeführt, bei
dem sich alle Kräfte gegenseitig aufheben.

Zu der irrigen wissenschaftlichen Ideologie ge-
sellt sich so eine unfruchtbare parlamentarische
Praxis, beide irrig und unfruchtbar gegenüber der
gestellten Aufgabe, bei der sie nicht am Platze sind.
Dabei gab es Beispiele genug, an denen man sich
hätte orientieren können; man denke etwa an eine
Institution wie das Staatliche Materialprüfungsamt
oder an die englische Praxis der großen Enqueten
mit kontradiktorischem Verfahren unter neutraler
Leitung. Auch hat es an warnenden Stimmen zur
rechten Zeit nicht gefehlt.

Einige Einzelheiten mögen das Bild immerhin
noch ergänzen. —

In einer Pressebesprechung vor der Tagung
wurde festgestellt, daß allein im Wohnungsbau in
Deutschland jährlich etwa 3,5 Milliarden Mark in-
vestiert werden. Erziele die Arbeit der Rfg. nur

eine Ersparnis von 1 v. H., was gewiß bescheiden
gerechnet sei, so sei damit der Fonds von 10 Mil-
lionen Mark schon dreieinhalbfach wieder einge-
bracht. Man glaube aber doch mit sehr viel höheren
Ersparnissen rechnen zu können; die Zahlen
schwankten zwischen 4 und 20 v. H. Ein Vertreter
des Handwerks wehrte sich allerdings deutlich
gegen übertriebene Rechnungen in dieser Richtung;
aber leider wurde sowohl hier wie in der Haupt-
tagung versäumt, deutlich die Kernfrage zu stellen,
nämlich auf welchen Teilgebieten der Produktion
das Handwerk bis auf weiteres von selbst, auf
Grund technischer und wirtschaftlicher Tatsachen,
lebensfähig bleibt, und wo es sich auf eine Zurück-
drängung durch die Großindustrie wird einrichten
müssen.

Eine der wichtigsten Erfindungen auf dem Gebiet
der Baustoffe könnte ein Mauerstein werden, der
nach einem Geheimverfahren der I. G. Farben her-
gestellt wird, nur 1/7 des alten Vollziegels wiegt und
damit die bisher üblichen porösen Ziegelformen weit
übertrifft. Freilich bleibt abzuwarten, wie sich das
Erzeugnis in der Praxis bewährt, und unter welchen
Voraussetzungen und zu welchen Kosten dieser bis-
her nur als Laboratoriumsprodukt zu bewertende
Stein auch im großindustriellen Maßstabe herge-
stellt werden kann.

Von den Saisonschwankungen im Baugewerbe, die
gerade in diesem Winter so katastrophal in Erschei-
nung getreten sind, war verhältnismäßig wenig die
Rede. Dabei übersieht man, daß die Folgen dieses
Zustandes sich auf verschiedenen Wegen — durch
Zinsverlust, hohe Löhne, unrationelle Disposition der
Baustoffindustrien, Unterstützungszahlungen — in
recht erheblichen volkswirtschaftlichen Verlusten
auswirken, denen gegenüber die Ersparnisse, die
man aus andern Quellen erhofft, zu einer Milchmäd-
chenrechnung zu werden drohen.

In seinem Schlußwort betonte Prof. Bartning, die
Rfg. befinde sich am Wendepunkt von der sammeln-
den und ordnenden Analyse zur schöpferischen Syn-
these. Hierzu sei der gegebene Konzentrationspunkt
die Reichsforschungs-Siedlung in Spandau-Hasel-
horst, zu der als unentbehrliches Korrelat ein
Reichsforschungsinstitut kommen müsse. Damit ist
an hervorragender Stelle der Tagung selbst, frei-
lich mit aller Vorsicht und mit positiver Betonung,
ebenfalls eine grundsätzliche Kritik an der bisher
geübten Arbeitsmethode ausgesprochen. Dennoch
kann man wohl dem, was da weiter geplant wird,
nicht ohne ein gutes Maß von Skepsis entgegen-
sehen.

Diese Randbemerkungen können nur einen ver-
schwindend geringen Bruchteil von dem andeuten,
was kritisch zu dem enorm umfangreichen Material
der Tagung gesagt zu werden verdiente. Diese An-
häufung eines gesichteten Materials ist zweifellos
die verdienstlichste Leistung der Rfg. Vielleicht
bietet sich später noch ab und zu die Möglichkeit,
darauf zurückzukommen. A. Schwab

Anschriften der Mitarbeiter dieses Heftes:

Dr. Konrad Hahm, Berlin-Wilmersdorf, Trautenaustr. 3
Le Corbusier, Paris, Rue de Fevre 35
Ludwig H i I b e rse i m e r, Berlin-Wilmersdorf, Emser Str. 14
Dr. Alexander Schwab, Berlin W 57, Potsdamer Str. 93

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